Die Durchsetzung des EU-Beihilfenrechts kann durch ein nationales rechtskräftiges Gerichtsurteil nicht ausgehebelt werden. Das hat der EuGH entschieden und damit dem von GvW vertretenen Land Nordrhein-Westfalen Recht gegeben.
Das Land Nordrhein-Westfalen war von dem österreichischen Klausner-Konzern vor dem Landgericht (LG) Münster auf Zahlung von 56 Millionen Euro Schadensersatz und Lieferung von 1,5 Millionen Kubikmeter Fichtenstammholz verklagt worden. Der Gesamtstreitwert liegt bei rund 123 Millionen Euro. Das LG Münster hatte das Verfahren ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof angerufen.
In einem vorangegangenen zwischen den Parteien geführten Prozess hatte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Jahr 2012 noch rechtskräftig durch Urteil festgestellt, dass der Vertrag wirksam ist. GvW Graf von Westphalen war in diesem vorherigen Rechtsstreit nicht tätig und wurde erstmals vom Land NRW in dem vor dem LG Münster geführten Folgeprozess mandatiert.
Die GvW-Anwälte haben hier die Beihilfenrechtswidrigkeit des Klausner-Vertrags erstmalig zum Gegenstand gemacht und konnten das LG Münster von ihrer Rechtsauffassung überzeugen: Das Gericht sieht in dem Klausner-Vertrag eine unzulässige wettbewerbsverzerrende Beihilfe zugunsten Klausners und geht deswegen von der Nichtigkeit des Vertrags aus.
Rechtsstreit geht weiter
Mit Blick auf das 2012 im Vorprozess ergangene Feststellungsurteil des OLG Hamm hatte das LG Münster mit Beschluss vom 17.9.2014 dem EuGH die Rechtsfrage zur Klärung vorgelegt, ob das EU-Recht verlangt, ein früheres rechtskräftiges Gerichtsurteil, in dem das Fortbestehen eines "beihilfeninfizierten" Vertrages festgestellt wurde, außer Acht zu lassen, wenn nach dem nationalen Recht die Vollziehung des beihilfenrechtswidrigen Vertrages nicht anders abgewendet werden kann. Diese Frage hat der EuGH in seinem jüngsten Urteil eindeutig bejaht (Urt. v. 11.11.2015, Az.: C-505/14).
Der Rechtsstreit wird nun vor dem LG Münster fortgesetzt. In seinem Vorlagebeschluss hatte das Gericht angekündigt, die Klage abzuweisen, wenn – wie nunmehr vom EuGH klargestellt – das Europäische Recht im hier vorliegenden Fall verlangt, die Rechtskraft des Urteils des OLG Hamm außer Acht zu lassen. Denn der streitgegenständliche Vertrag sei dann nichtig und könne die von Klausner geltend gemachten Ansprüche nicht begründen. Der weitere Fortgang des Verfahrens bleibt abzuwarten.
Nach Einschätzung der GvW-Anwälte hat das nunmehr verkündete EuGH-Urteil über den Einzelfall hinaus Bedeutung und sei von grundsätzlicher Tragweite, da es Maßstäbe dafür setze, wann eine Rechtskraftdurchbrechung im Hinblick auf nationale Urteile vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes geboten sei.
GvW Graf von Westphalen für das Land Nordrhein-Westfalen:
Dr. Frank Süß, Federführung/Prozessführung, Frankfurt
Dr. Gerd Schwendinger LL.M., Beihilfenrecht, Hamburg/Brüssel
Dr. Bettina Meyer-Hofmann, Vergaberecht, Düsseldorf
Christian Kusulis, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Frankfurt
Stephen-Oliver Nündel, Prozessführung, Frankfurt
Dr. Ronald Steiling, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Hamburg
Saskia Soravia, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Hamburg
Corinna Lindau, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Hamburg
GvW Graf von Westphalen: . In: Legal Tribune Online, 20.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17596 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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