Eine Gruppe von Unternehmern schlägt vor, mit der GmbH in Verantwortungseigentum eine neue Rechtsform einzuführen. Birgit Weitemeyer hat sich den Gesetzentwurf angesehen - und ist davon nicht überzeugt.
Zur Förderung eines verantwortungsbewussten Unternehmertums haben über 30 Unternehmer im vergangenen Jahr in Berlin die "Stiftung Verantwortungseigentum"gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern zählen Start-up-Gründer wie der Kondomhersteller Einhorn, aber auch der Bio-Produzent Alnatura, die BMW Foundation Herbert Quandt oder die Weleda AG.
Die Stiftung will einer Unternehmensform eine Stimme geben, die bereits von 200 Unternehmen in Deutschland, die insgesamt rund 1,2 Millionen Mitarbeiter beschäftigen und 270 Milliarden Euro Umsatz generieren, praktiziert wird. Gemeint sind Stiftungsunternehmen wie Bosch und Zeiss, sogenannte Unternehmen in Verantwortungseigentum.
Sie kennzeichne, so die Initiatoren, eine besondere Eigentümerstruktur, die sicherstellen soll, dass das Unternehmenskapital vorrangig dem Unternehmenszweck dient und nicht unbegrenzt personalisiert werden kann, und dass die Unternehmensverantwortung unabhängig von Familie und Vermögen an "Werte- und Fähigkeitenverwandte" übergeben wird.
Eine neue Rechtsform ähnlich der CIC
Die Stiftung Verantwortungseigentum soll diesen Unternehmenstypus fördern und sich für sinnvolle rechtliche und politische Rahmenbedingungen einsetzen, insbesondere eine neue Rechtsform ähnlich der Community Interest Company (CIC) aus England schaffen. Die Initiative hat renommierte Rechtswissenschaftler mit der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs beauftragt und ihn inzwischen Wirtschaftsminister Peter Altmaier(CDU) und einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt - mit großem medialen Echo.
Die dort vorgesehene GmbH in Verantwortungseigentum soll Beschränkungen der Unveräußerlichkeit im geltenden Gesellschaftsrecht beseitigen, aber weder zwingend gemeinnützig sein nochder Kontrolle durch die Stiftungsaufsichtsbehörden unterliegen. Die Unternehmensanteile sollen den Gesellschaftern keine Gewinnansprüche vermitteln, und auch im Fall der Liquidation dürfen etwaige Liquidationsgewinne nicht an Gesellschafter ausgeschüttet werden, man spricht vom "Asset-lock".
Im geltenden Kapitalgesellschaftsrecht ist der Ausschluss von Gewinnrechten bei Gesellschaften mit ideeller Zielsetzung durchaus anerkannt. Darauf beruht die Idee der verbreiteten und auch im internationalen Vergleich erfolgreichen gemeinnützigen GmbH (gGmbH).
Die Gesellschaftsanteile der GmbH in Verantwortungseigentum sind per Gesetz vinkuliert, also nur mit Zustimmung aller Gesellschafter übertragbar. Sie dürfen nicht vererbt oder mit Gewinn veräußert werden, sondern sollen nur zum Nennwert an Personen übertragen werden, mit der man sich in einer "Fähigkeiten- und Wertefamilie"unabhängig von der eigenen Familie sieht. Letztlich handelt es sich um eine Ergänzung des Gesellschafterkreises durch Kooptation, wie es verbreitet bei Stiftungsorganen oder auch bei der gGmbH gehandhabt wird.
Keine Chance für aggressive Investoren und geldgierige Nachkommen
Das Unternehmen soll durch Thesaurierung gestärkt werden und aggressive Investoren, die im Einvernehmen mit geldgierigen Nachkommen stehen, sollen keine Chance auf Übernahme haben. Gegenüber den gängigen Gestaltungen von Unternehmen in Stiftungshand zeichnet sich diese Unternehmensform dadurch aus, dass sie als eine Art Mischwesen zwischen Kapitalgesellschaft und Verein mit Austrittsrecht gegen bloße Einlagenrückgewähr keiner Anerkennung und Kontrolle durch die Stiftungsbehörden unterliegt und mangels Gemeinnützigkeit auch nicht durch die Finanzverwaltung kontrolliert wird.
Sie kann, muss aber nicht gemeinnützigen Zwecken dienen, sondern ist für alle Unternehmensgegenstände offen.
Jedoch sind bereits heute die Vinkulierung von Gesellschaftsanteilen, die Beschneidung von Gewinnansprüchen und die Einziehung eines Gesellschaftsanteils im Erbfall zulässig und werden in vielen Familienunternehmen auch so gehandhabt. Die Schenkung von Unternehmensanteilen an Kinder ist gang und gäbe und auch an Nichtgesellschafter möglich, wobei die Übertragung zu Buchwerten steuerlich gewinnneutral erfolgen kann, dies regelt § 6 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).
Ist eine "Herrschaft der toten Hand" wirklich wünschenswert?
Worin besteht dann aber die Besonderheit der vorgeschlagenen Rechtsform? Alle gesellschaftsrechtlichen Regelungen mit Perpetuierungstendenzen sind bei Einstimmigkeit nicht dauerhaft änderungsfest und damit nicht für alle Zukunft zementierbar. Ob man dies gesetzlich ändern soll, ist aber äußerst fraglich. Denn damit würden alle nachfolgenden Generationen durch die Festlegungen der Gründer dauerhaft gebunden werden. Eine solche "Herrschaft der toten Hand" ist im geltenden Recht aus guten Gründen und auch nur in bestimmten Grenzen allein durch die Stiftungmöglich.
Andere Rechtsordnungen sehen privatnützige Stiftungen sogar entweder gar nicht vor, oder sie setzen ihnen zeitliche Grenzen von beispielsweise 100 Jahren, nach denen die Begünstigten frei über das Vermögen entscheiden können.
Als Stiftung wäre die gewünschte Rechtsform in Verantwortungseigentum aber nicht genehmigungsfähig. Wenn es in erster Linie darum geht, das Unternehmen gesichert fortführen zu können und eine Veräußerung oder Übernahme zu verhindern, ist dies kein geeigneter Stiftungszweck, weil nicht der gemeinnützige (zugunsten der Allgemeinheit) oder der privatnützige Zweck (zugunsten meist einer Familie) mit dem Unternehmen verfolgt werden soll, sondern die Rechtsform allein dem Unternehmen an sich und dem eingesperrten Kapital dienen soll und damit als Selbstzweckstiftung unzulässig wäre.
Verantwortungsbewusste Unternehmensführung ist unabhängig von der Rechtsform
Solche Vehikel sind mit der Abschaffung des früheren Familienfideikommiss des deutschen Adels aus guten Gründen ausgestorben, weil sie Vermögen dauerhaft aus dem Wirtschaftskreis herausgehalten haben und zu einer Versteinerung der Wirtschaft führten. Eine besonders gemeinwohlfreundliche Unternehmensführung, die Erhaltung von Arbeitsplätzen oder Ähnliches sind auch nicht zwingend.
Daher ist der Titulierung als "Verantwortungseigentum" durchaus ein gewisser Etikettenschwindel zu attestieren. Denn natürlich können die Verantwortungseigentümer freiwillig verantwortlich handeln und die heute auftretenden Initiatoren haben dies sicher fest vor. Aber dies tun viele deutsche Unternehmer heute schon in den unterschiedlichsten Unternehmensformen, und die Nachfolger können auch mit der neuen Rechtsform auf eine solche Unternehmensführung nicht dauerhaft verpflichtet werden.
Gesellschafter wären nur schwer zu kontrollieren
Die Rechtsform weist zudem ein massives Kontrolldefizit auf, denn Gesellschafter ohne Gewinnansprüche werden ihre Gewinnbeteiligung in Form von überhöhten Gehältern oder sonstigen Verträgen suchen oder mittels Gesellschafterdarlehen Zinsen vereinnahmen.
Die in dem Entwurf vorgesehene verschärfte Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern für unangemessene Vergütungen durch verdeckte Gewinnausschüttungen kann dieses Kontrolldefizit kaum begrenzen, zumal wenn es nur einen Gesellschafter-Geschäftsführer gibt und weil solche verdeckten Gewinnausschüttungen in aller Regel erst durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht oder durch die Finanzbehörden überprüft werden.
Als unternehmerische Kontrolle taugt die Rechtskontrolle durch die Finanzverwaltung aber nicht. Und da stille Beteiligungen möglich sein sollen, damit die Rechtsform für die Finanzierung von Start-ups geeignet ist, lässt sich mittels stiller Beteiligungen unbegrenzt Gewinn aus der Gesellschaft herausziehen – und damit wäre eine wirtschaftlich erfolgreiche Gesellschaft in Verantwortungseigentum letztlich doch ein Ziel für findige feindliche Investoren.
Das Steuerrecht geht mit der günstigen Thesaurierungsbesteuerung der GmbH schließlich von einer Vollausschüttung irgendwann im Leben einer Gesellschaft aus und die Erbersatzsteuer fingiert alle 30 Jahre einen mit Erbersatzsteuer belegten Erbübergang, um dauerhaft der Vererbung entzogenes Vermögen nicht erbschaftsteuerlich zu privilegieren. Beides würde die GmbH in Verantwortungseigentum unterlaufen. Das darf bei einer "Wertefamilien-Quasi-Stiftung", an der die Rechtsnachfolger ja immerhin in Form von Schuldverträgen erheblich profitieren können, auch nicht anders sein.
Es gibt keine vergleichbaren Rechtsformen im In- und Ausland
Die Hinweise der Initiatoren darauf, dass vergleichbare Unternehmen in Verantwortungseigentum in Deutschland oder im Ausland bereits bestehen, gehen fehl. Unternehmensstiftungen und gGmbH unterliegen aus guten Gründen den erwähnten Grenzen. Während ein Unternehmen in Verantwortungseigentum sich selbst gehören soll, ist Zweck der Genossenschaft eine Förderung der wirtschaftlichen oder sozialen Zwecke der Genossen, und das Genossenschaftsrecht sieht Kontrollinstanzen und Pflichtprüfungen vor.
Die im Jahr 2005 in Großbritannien eingeführte Community Interest Company (CIC) ist nur für soziale Zwecke (benefitforthecommunity) vorgesehen und darf ihre Gewinne nur hierfür nutzen. Das in diesem Zusammenhang genannte österreichische Modell der Privatstiftung sieht im Gegensatz zur GmbH in Verantwortungseigentum Destinatäre mit Gewinnansprüchen vor, die für die Kontrolle des Stiftungsmanagements sorgen. Die dänischen Unternehmensstiftungen unterliegen der staatlichen Aufsicht durch eine Stiftungsbehörde.
Reform des Stiftungsrechts statt neuer Rechtsform
Als Grund gegen die Wahl einer Stiftung wird von den Initiatoren schließlich der erhebliche Beratungsaufwand genannt, zudem äußern sie Kritik an den Aufsichtsbehörden und der Anerkennungspraxis. Dem in der Sache durchaus berechtigten Interesse an einer nachhaltigen Unternehmensführung und der in Teilen berechtigten Kritik am deutschen Stiftungsrecht muss aber anders begegnet werden.
Hier bietet die anstehende Reform eine Chance, das Stiftungsrecht zu vereinheitlichen und zu vereinfachen, wie es der Professorenentwurf zur Reform des Stiftungsrechts 2020 vorschlägt. Man könnte über weitere Liberalisierungen für Stiftungen nachdenken, etwa die Schaffung eines echten Normativsystems zur Gründung und echter Stifterrechte des lebenden Stifters. Der kürzlich veröffentlichte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts wäre jedoch ein Schritt zurück in übermäßige Bürokratie und unnötige Rechtsunsicherheit.
Die Autorin Prof. Dr. Birgit Weitemeyer ist Direktorin des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen sowie Inhaberin des Lehrstuhls für Steuerrecht der Bucerius Law School in Hamburg.
Die GmbH in Verantwortungseigentum: . In: Legal Tribune Online, 09.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43055 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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