In dieser Woche will das EU-Parlament eine Richtlinie beschließen, die den Einsatz digitaler Instrumente im Gesellschaftsrecht regelt – etwa die Online-Gründung von Kapitalgesellschaften. Oliver Köster hat sich den Entwurf angesehen.
In den Trilog-Verhandlungen haben sich der Rat der EU, die EU-Kommission und das EU-Parlament auf die "Änderungsrichtlinie zum Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht" geeinigt. Über den Kompromisstext, der aus diesen Verhandlungen hervorgegangen ist, wird nun das Europäische Parlament entscheiden. Die Abstimmung ist für den 18. April angesetzt.
Die Änderungsrichtline, welche die bisherige Richtlinie (EU) 2017/1132 ändern und ergänzen soll, hat das Ziel, die Nutzung digitaler Instrumente im gesamten Lebenszyklus einer Gesellschaft in allen Mitgliedstaaten zu etablieren. Schwerpunktmäßig geht es dabei um die Digitalisierung im Rahmen der Gründung von Kapitalgesellschaften und den Zugriff auf Gesellschaftsdaten.
Onlineverfahren wird verpflichtend
Die Richtlinie will explizit nicht auf die nationalen materiell-rechtlichen Vorschriften für die Gesellschaftsgründung Einfluss nehmen. Vielmehr ist sie bestrebt, den Stand der Digitalisierung in den Mitgliedstaaten anzupassen und so kosteneffiziente und schnelle Gründungen und Änderungen innerhalb von Gesellschaften zu ermöglichen.
Denn auf nationaler Ebene herrschen zwischen den Mitgliedstaaten weitreichende Unterschiede im E-Government-Service, sodass eine Vereinheitlichung der Abläufe hin zum Onlineverfahren erreicht werden soll. Die Richtlinie möchte aber nicht verpflichtend vorschreiben, dass künftig nur das Onlineverfahren genutzt werden darf: Ob neben dem Onlineverfahren weitere Verfahren (wie bisher) möglich sind, bleibt den Mitgliedstaaten überlassen.
In Deutschland sollen sich die Änderungen aus Brüssel nur auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) beziehen. In anderen EU-Mitgliedstaaten sind andere Gesellschaftsformen betroffen; eine umfangreiche Liste ist Annex des derzeitigen Richtlinien-Entwurfs.
Behördengänge am Computer
Die Unternehmen werden durch die Änderungsrichtlinie in Zukunft eine Vielzahl an Behördengängen am Computer erledigen können. So kann die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und die Gründung neuer Zweigniederlassungen digital veranlasst werden. Darüber hinaus werden die Kosten und der Zeitaufwand reduziert, die das persönliche Erscheinen - insbesondere bei grenzüberschreitenden Konstellationen - mit sich bringt und die Ausgestaltung der nationalen Prozesse unionsfreundlicher gestaltet.
In einigen Ausnahmekonstellationen soll der jeweilige Mitgliedstaat allerdings das persönliche Erscheinen von Gründern fordern können, um die entsprechenden Eintragungen vorzunehmen - insbesondere dann, wenn der begründete Verdacht besteht, dass eine Missbrauch- oder Betrugssituation vorliegt. In solchen Fällen soll das öffentliche Interesse überwiegen.
Austausch von Dokumenten
Die Dokumente, die für die Erklärung notwendig sind, werden durch Onlineformulare eingereicht, dadurch verkürzt sich der Registrierungsprozess erheblich. Es ist auch geplant, dass die Dokumente mindestens in einer "Amtssprache der Union, die von einer möglichst großen Zahl grenzüberschreitender Nutzer weitgehend verstanden" wird, abgefasst werden.
Bereits eingereichte Dokumente können bei der anschließenden Registrierung von Niederlassungen wiederverwendet werden - das sogenannte once-only principle. Die Mitgliedstaaten untereinander sollen die Informationen, die bei ihnen gespeichert sind, weiterreichen und anderen Mitgliedstaaten Zugriff darauf gewähren.
Eine Plattform für alle Handelsregister
Sichergestellt werden soll dies insbesondere durch das Business Registers Interconnection System (BRIS), das die Handelsregister der Mitgliedstaaten auf einer Plattform vereint. Bisher wurden dort ausschließlich Informationen über die Gesellschaften ausgetauscht. In Zukunft soll die Plattform auch dazu dienen, sich grenzüberschreitend über die Unzuverlässigkeit von möglichen Geschäftsführern zu erkundigen.
Je nach Verwaltungsmaßnahme sieht der Richtlinienentwurf vor, dass sich die Kosten teils nach dem anfallenden Aufwand richten, einige andere Informationen aber kostenfrei zur Verfügung gestellt werden müssen. In Deutschland sind bislang nur Unternehmensträgerdaten – etwa die Höhe des (beschränkt) haftenden Kapitals oder das Gründungsdatum – sowie Handelsregisterbekanntmachungen kostenlos verfügbar. Nach dem Willen der Europäischen Union sollen in Zukunft frühere Namen sowie Alternativnamen, die Website, der Gesellschaftszweck, die rechtlichen Vertreter und Informationen über Zweigniederlassungen der Gesellschaft in anderen Mitgliedstaaten zu den frei verfügbaren Daten zählen.
Deutschland muss Vertrauen in Registerpublizität schützen
Die Überarbeitung der Richtlinie hat das Potential, für in- und ausländische Gesellschaften innerhalb der EU sowie deren Akteure eine erhebliche Vereinfachung bei Registerangelegenheiten herbeizuführen. Der deutsche Gesetzgeber sieht sich jedoch vor der Herausforderung, das Vertrauen in die Registerpublizität zu schützen und gleichzeitig die neuen Vorgaben nach Beschluss der Richtlinie schnellstmöglich umzusetzen.
Der Entwurf stellt grundsätzlich klar, dass die gesellschaftlichen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten nicht angetastet werden sollen. Die Aufnahme schnelllebiger Informationen in das Handelsregister wie Websiteadressen ist dabei nur ein kleines Problem.
Welche Rolle spielen die Notare künftig?
Fraglich ist beispielsweise, wie die Position der Notare in Zukunft ausgestaltet wird - wobei es Deutschland freisteht, deren Rolle im digitalen Prozess selbst zu definieren. Neben den Anforderungen etwaiger Formvorschriften wären dies zum Beispiel die Identitätsprüfung der Gesellschafter und Geschäftsführer sowie die präventive Einschaltung der Notare als Filter zur Entlastung der Registergerichte.
Problematisch könnte darüber hinaus die Gebührenregelung werden, da die Pauschalierung der entstandenen Kosten den Verwaltungsaufwand erheblich vereinfacht und bisher als zulässig erachtet wurde. Ob das in Zukunft weiterhin so gehandhabt wird, bleibt abzuwarten. Zudem sollte sich jeder Mitgliedstaat vorbehalten dürfen, die Echtheit der bereits in anderen Mitgliedstaaten eingereichten Dokumente nochmals zu überprüfen, um auch auf dieser Ebene Missbrauch vorzubeugen.
Sollte der bisherige Plan einer einjährigen Umsetzungsphase mit Verlängerungsoption beschlossen werden, dann wird der deutsche Gesetzgeber diese Entscheidungen schon bald treffen müssen.
Der Autor Oliver Köster ist Partner im Bereich Corporate/M&A bei Beiten Burkhardt in Hamburg.
Digitalisierung im Gesellschaftsrecht: . In: Legal Tribune Online, 17.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34941 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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