Der beliebte Osterhase landet mal wieder vor Gericht. Der BGH beschäftigt sich Ende Mai mit der Frage, ob der Farbton des Lindt-Goldhasen markenrechtlichen Schutz genießt. Constantin Rehaag erläutert die Hintergründe des Verfahrens.
Den Goldhasen aus dem Hause Lindt kennt wahrscheinlich jeder. In Goldfolie verpackt und mit einer roten Schleife versehen, erfreut er seit fast 70 Jahren Erwachsene und Kinder gleichermaßen. Um sein Aushängeschild markenrechtlich zu schützen, zog Lindt-Sprüngli in den vergangenen Jahren mehrfach vor Gericht. Ende Mai wird der Bundesgerichtshof (BGH) der Frage nachgehen, ob der Schweizer Chocolatier einem Konkurrenten die Benutzung eines verwechslungsfähig-ähnlichen Farbtons untersagen kann (Az. I ZR 139/20). Zuvor hatte das Landgericht (LG) München zugunsten von Lindt entschieden; das Oberlandesgericht (OLG) München nahm hingegen nicht an, dass der Goldton der Verpackungsfolie Verkehrsgeltung erlangt habe.
Grundsätzlich kann als Marke neben Wörtern, Buchstaben, Zahlen, Klängen und dreidimensionalen Gestaltungen auch die Farbe einer Ware oder ihrer Verpackung geschützt werden. So bestimmt es § 3 Absatz 1 Markengesetz (MarkenG). Die Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen mit Titeln wie "Sparkassen-Rot", "Langenscheidt-Gelb" und "Nivea-Blau" zu diesem Thema legen jedoch ein beredtes Zeugnis davon ab, wie schwierig es im Einzelfall sein kann, die Details der Materie zu beherrschen.
Das gilt umso mehr, wenn es sich bei der Marke, für die gerichtlicher Schutz gegen Verletzungen beansprucht wird, um ein Zeichen handelt, das nicht in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes oder des Amtes der Europäischen Union für Geistiges Eigentum eingetragen ist.
Markenrechtlicher Schutz besteht nicht nur nach Eintragung der Marke in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes oder des Amtes der Europäischen Union für Geistiges Eigentum. Auch die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr kann ausreichend sein, wenn das Zeichen innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat, § 4 Nr. 2 MarkenG, die sogenannte Benutzungsmarke. Um die Frage, ob der Goldton des beliebten Schoko-Hasen diese Verkehrsgeltung erlangt hat und Lindt-Sprüngli die Benutzung eines verwechslungsfähig-ähnlichen Farbtons untersagen kann, ringen Lindt-Sprüngli und ihr Gegner nunmehr vor dem höchsten deutschen Gericht.
Sieg für Lindt-Sprüngli vor dem LG München
Zunächst zog Lindt-Sprüngli nach erfolgloser Abmahnung des Inverkehrbringers eines anderen goldenen Schokoladenhasen vor das LG München. Hier argumentierten die schweizerischen Hersteller der schmackhaften Schokoladenhohlform, dass die Farbe der Folie, in der der Hase eingewickelt ist, die für ihren Schutz als nicht eingetragene, abstrakte Farbmarke erforderliche Verkehrsgeltung erlangt habe. Verkehrsgeltung bedeutet, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise, also der Käufer von Schokoladenosterhasen, das Zeichen einem bestimmten Unternehmen zuordnet. Der Verkehr muss dabei also das Zeichen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der entsprechend gekennzeichneten Waren verstehen.
Wie in Fällen dieser Art üblich, legte Lindt-Sprüngli sowohl Beweismittel zu den hohen Absatz- und Umsatzzahlen sowie den Werbeaufwendungen und Marktanteilen ihres Goldhasen vor. Der beliebte Hase ist immerhin der Marktführer in der Bundesrepublik: Im Jahr 2017 lag der Marktanteil des Goldhasen aus dem Hause Lindt-Sprüngli bei 40 Prozent.
Die Beweisführung war im Ergebnis erfolgreich und überzeugte das Gericht. In seinem Urteil vom 15. Oktober 2019 (Az. 33 O 13884/18) befand es: "Aus Sicht der an Schokoladenhasen interessierten Durchschnittsverbraucher ist daher die Farbe Gold zum Inbegriff von Schokoladenhasen" der Lindt-Sprüngli geworden. In den Urteilsgründen fuhr das Gericht fort, dass dies "nicht zuletzt auch auf der eingängigen, plakativen, langjährigen und intensiven Bewerbung von deren Schokoladenhasen" beruht haben mag.
Aufgrund eines Umfragegutachtens sei der erforderliche hohe Grad an Verkehrsgeltung nachgewiesen. Dabei wurden Personen anhand einer speziellen Methodik befragt, inwiefern sie ein bestimmtes Zeichen einem Unternehmen zuordnen. Das LG wies der Frage, ob nicht auch die Form der Hasen zur Bekanntheit des Produkts insgesamt beigetragen habe, keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei. Im Ergebnis obsiegten Lindt-Sprüngli also gegen den Inverkehrbringer der anderen, goldfarbenen Schokoladenhasen.
OLG München: Keine Verkehrsgeltung des Goldtons
Erwartungsgemäß trafen sich die Kontrahenten sodann vor dem OLG München wieder. Das OLG trat in der Vorinstanz insoweit bei, als sich bestätigte, dass auch abstrakte Farbmarken als Benutzungsmarken gemäß § 4 Nr. 2 MarkenG geschützt sein können (Urt. v. 30.07.2020, Az. 29 U 6389/19).
Die entscheidende Frage jedoch, ob der Goldton der Verpackungsfolie Verkehrsgeltung erlangt habe, beantwortete das OLG zum Nachteil von Lindt-Sprüngli. Ein Markenschutz kraft Verkehrsgeltung sei nicht gegeben. Das OLG führte aus, dass Schutz für eine nicht eingetragene abstrakte Farbmarke bisher nur angenommen worden sei, wenn ein Unternehmen die fragliche Farbe als "Hausfarbe für verschiedene Produkte des Waren- und Dienstleistungsbereichs, für den Farbmarkenschutz beansprucht wird, und nicht nur für ein bestimmtes Produkt verwendet" habe. Zum Beleg der Richtigkeit dieser Argumentation verwies das OLG auf Entscheidungen des BGH zu Sparkassen-Rot, Langenscheidt-Gelb, Nivea-Blau, Telekom-Magenta und Milka-Lila.
Lindt-Sprüngli verkaufe aber auch Schokoladenhasen, die nicht goldfarben sind. Mit anderen Worten: Weil die goldene Farbe für nur ein Produkt – den Goldhasen – verwendet werde, könne der Verkehr diese Farbe nicht auf das Unternehmen Lindt-Sprüngli beziehen.
"Eigene Anschauung" der Richter: Goldener Schokohase muss nicht von Lindt sein
Um diese sich aus den vorgenannten Entscheidungen und auch aus ihrem inneren Zusammenhang nicht zwingend vorgegebene Folgerung zu untermauern, setzt das OLG auf eine im Ergebnis recht gewagte Argumentation: Aus eigener Anschauung könne der Senat sagen, dass der Verkehr einen von der äußeren Gestaltung des Lindt-Goldhasen abweichenden Hasen gerade nicht dem Unternehmen Lindt-Sprüngli zuordnen würde. Sähe ein goldfarbener Schokohase nicht aus wie der Lindt-Goldhase, so schiede eine Zuordnung eines solchen Hasen zum Unternehmen Lindt-Sprüngli aus. Damit war auch der Schutz der abstrakten Farbmarke "Gold" aus dem Gesichtspunkt der Verkehrsgeltung erledigt. Lindt-Sprüngli hatte in der zweiten Instanz verloren.
Es ist üblich, dass Richter in Markensachen sich selbst zum relevanten Verkehr zählen und sodann die eigene Wahrnehmung eines Zeichens mit der des Verkehrs gleichsetzen. Dies ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Die Bekanntheit des eigenen Zeichens gegen den Inhaber des Zeichens zu kehren, ist aber ein sehr weitgehender und in der Entscheidung in der konkreten Ausführung nahezu spekulativer Schritt.
Nun muss der Verhandlung vor dem BGH und der folgenden Entscheidung mit Spannung entgegengesehen werden. Wird es neue Segelanweisungen für die Methodik der Umfragegutachten geben? Wird der BGH der sehr weitgehenden Argumentation des OLG München einen Riegel vorschieben? Oder wird auch der Goldton des Schokohasen künftig geschützt werden? Nicht nur Süßigkeitenfreunde dürfen gespannt sein.
Der Autor Dr. Constantin Rehaag, M.A. ist Partner und Co-Head der deutschen Praxisgruppe Geistiges Eigentum und Technologie der Kanzlei Dentons.
BGH zum Markenschutz für Osterhasen: . In: Legal Tribune Online, 26.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45046 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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