Nur, weil ein Richter seinen Eid in Zeiten des Kommunismus schwor, ist er nicht gleich abhängig und parteilich. Dasselbe gilt für Richter, die vom verfassungswidrigen Landesjustizrat ernannt wurden, so der EuGH.
Ein polnischer Richter ist nicht deshalb abhängig und parteilich, weil er noch zu Zeiten des Kommunismus seinen Eid schwor. Dasselbe gilt für Richter, die der verfassungswidrige Landesjustizrats ernannte. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg. (Urt. v. 29.03.2022, Rs. C-132/20).
Der EuGH hat sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen des polnischen Obersten Gerichts auseinandergesetzt. Das fragt sich im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit zwischen einer Bank und Verbrauchern, ob die drei Berufungsrichter aus der Vorinstanz überhaupt unabhängig und unparteiisch sind. So hat einer von ihnen seine Richterlaufbahn unter dem kommunistischen Regime begonnen und nach dessen Ende keinen neuen Eid abgelegt. Die anderen beiden sind zu einem Zeitpunkt zu Berufungsrichtern ernannt worden, als der daran beteiligte Landesjustizrat (KRS) dem polnischen Verfassungsgericht zufolge verfassungswidrig war.
Ob das mit den unionsrechtlichen Anforderungen an die richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit vereinbar ist, musste nun der EUGH klären. Dazu hat er sich zunächst damit auseinandergesetzt, ob der Einzelrichter am Obersten Gericht überhaupt das Vorabentscheidungsersuchen stellen darf – schließlich habe es laut dem beteiligten polnischen Bürgerbeauftragten auch bei dessen Ernennung Mängel gegeben. Dafür sah der EuGH jedoch keine Anhaltspunkte.
KRS verfassungswidrig - aber nicht abhängig
Dasselbe gilt für die Unabhängigkeit des Richters, der seine Laufbahn in Zeiten des kommunistischen Regimes begonnen hat. In Polen endete das kommunistische Regime am 4. Juni 1989, nachdem sich die Opposuition die Zulassung zu den Wahlen erkämpfte und diese auch gewann. Allein das stelle die richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bei der Ausübung seiner späteren Funktionen nicht in Frage. Der EuGH betont dabei, dass Polen der EU und ihren Werten – auch dem des Rechtsstaats – beigetreten ist. Dabei habe es keine Schwierigkeiten in Bezug darauf gegeben, dass viele polnische Richter vor den Zeiten der Demokratie ernannt worden sind.
In Bezug auf die beiden anderen, mit Beteiligung des verfassungswidrigen Landesjustizrats ernannten Richter, hat der EuGH ebenfalls keine Bedenken. Der Landesjustizrat sei zwar verfassungswidrig gewesen, aber nicht abhängig und parteilich. Deswegen seien auch die von ihm ernannten Richter unabhängig und unparteilich.
Die Unabhängigkeit polnischer Richter ist häufig Thema beim EuGH. Allerdings geht es dabei meistens um Fälle, die ihren Ursprung in der umstrittenen Justizreform des Landes haben.
pdi/LTO-Redaktion
EuGH zur Justiz in Polen: . In: Legal Tribune Online, 29.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47974 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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