Dutzende Unternehmenschefs haben sich gegen die AfD positioniert. Einer ging so weit, eine Warnung vor den anstehenden Wahlen auszusprechen. Wie ist das arbeitsrechtlich zu bewerten?
Für das Energieunternehmen Eon ist die Sache klar: Der Klimaschutz ist das wichtigste Thema dieser Zeit. Ohne Klimaschutz – und zudem ohne die EU und ohne Arbeitsmigration – stehe der Wohlstand Deutschlands auf dem Spiel. Mit diesen Aussagen ist eigentlich klar, wen man bei als Beschäftigter bei dem größten Energieversorger Deutschlands im eigenen Interesse wählen sollte – und wen vielleicht nicht.
Doch was sagt das Arbeitsrecht zu derartigen Wahlempfehlungen? Wie stark dürfen sich Arbeitgebende politisch positionieren und ab wann ist dies womöglich eine unzulässige Beeinflussung der Beschäftigten? Bis zu welchem Grad müssen Unternehmen die politischen Ansichten ihrer Mitarbeitenden hinnehmen, wann dürfen sie ihnen kündigen oder in sonstiger Form das Ausscheiden dieser Personen aus dem eigenen Unternehmen anstreben?
Deutliche Positionierungen von Konzernen gegen die AfD
Eine Vielzahl von Unternehmen hat die extrem-rechte Strömung in Deutschland kritisch beobachtet und kommentiert. Eon war eines von 50 Unternehmen, die sich einem Appell auf Initiative der Stiftung KlimaWirtschaft an die Politik gewendet haben. Darin betonten sie auch, dass "rechtsextreme Kräfte die Demokratie und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands bedrohen". Diese 50 Unternehmen haben keine klaren Wahlempfehlungen ausgesprochen, aber deutlich anklingen lassen, wo sie politisch nicht stehen.
Darüber hinaus äußerte sich Bertelsmann-Chef Thomas Rabe sehr kritisch in einem Interview der FAS: Die AfD stehe diametral zu den Werten des Konzerns. Mitarbeitende, die diese Partei unterstützen, müssten sich fragen, ob sie zum Unternehmen passen. Evonik-Chef Christian Kullmann sagte der Zeit, dass er den "braunen Mob" der AfD nicht in seinem Unternehmen haben wolle. Unternehmer Reinhold Würth warnte in einem Schreiben vom März 2024 an die 25.000 Mitarbeiter der Würth-Gruppe davor, bei den kommenden Wahlen aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen.
Alle Unternehmen sind international aufgestellt, ihre Beschäftigten haben unterschiedlichste Migrationshintergründe und man ist auf ausländische Fachkräfte und die wirtschaftlichen Errungenschaften durch die Europäische Union angewiesen. Doch erlaubt diese Interessenlage solche Aussagen zu den anstehenden Wahlen?
Die Meinungen sind frei – für alle
"Ja", sagt Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Fuhlrott Arbeitsrecht in Hamburg. "Unternehmen dürfen ihre Werte beschreiben und formulieren, dass die politischen Ziele einer konkreten Partei nicht vereinbar sind mit denen des Unternehmens". Nicht erlaubt sei es jedoch Mitarbeitenden zu sagen, dass man ihnen kündigt, wenn sie eine bestimmte Partei wählen. "Das könne abhängig von der konkreten Formulierung sogar eine strafbare Wählernötigung nach § 108 Strafgesetzbuch sein."
Arbeitgebende dürfen also ihre Meinung äußern, ihre Werte definieren – aber keinen Druck zur Stimmabgabe aufbauen. Auch eine Parteimitgliedschaft von Mitarbeitenden ist Privatsache der Beschäftigten und darf keinen Einfluss auf das Beschäftigungsverhältnis haben: "Selbst wenn Mitarbeitende politische Positionen etwa im Gemeinderat für eine Partei besetzen, die Unternehmensspitzen nicht gutheißen, müssen sie dies hinnehmen", sagt Fuhlrott. Das sei eine reine Privatsache, die sich nicht negativ auf die Stellung im Arbeitsverhältnis auswirken dürfe.
Selbst strafrechtlich relevantes Verhalten wie etwa das Zeigen des Hitlergrußes in sozialen Medien berechtige nicht automatisch zu einer Kündigung dieser Person, solange kein Bezug zum Arbeitsverhältnis hergestellt wird: "Das mag im Einzelfall sehr unbefriedigend sein, aber diese Rechtslage wird nachvollziehbar, wenn man sich andere politische, weniger extreme Aktivitäten außerhalb des Arbeitsverhältnisses vorstellt: Sollte einer Person gekündigt werden, weil sie sich bei den Klimaklebenden engagiert oder gegen Kohleabbau demonstriert?"
Grenze: Störung des Betriebsfriedens
Die Grenze ist jedoch für alle politischen Meinungen da erreicht, wo der Betriebsfrieden nachhaltig gestört wird. "Dafür reicht aber nicht eine Stimmabgabe bei Wahlen oder die Mitgliedschaft in einer bestimmten Partei", so Fuhlrott. Auch wer in seiner Freizeit aktiv für die AfD Wahlkampf macht, hat arbeitsrechtlich grundsätzlich nichts zu befürchten.
Allerdings: Wer fremdenfeindliche Parolen von sich gibt oder die AfD-Forderung zur Remigration gegenüber Kolleg:innen artikuliert, für den kann es kritisch werden. "Es kommt dann aber auf die konkrete Formulierung und den Kontext an", sagt Fuhlrott. Eine Meinungsäußerung in der Mittagspause sei dabei etwas anderes als direkte Affronts während der Zusammenarbeit.
"Es geht letztlich um die Frage, was jemand in der Freizeit äußern darf und was Arbeitgebende für das Arbeitsverhältnis regeln dürfen", so Fuhlrott. Solange Menschen ihre Arbeitsleistung erbringen, sei es unerheblich, was sie in ihrer Freizeit ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis machen. In der Arbeitskleidung des Unternehmens oder in der Dienstuniform bei öffentlichen Arbeitgebenden dürfen sich Beschäftigte daher nicht politisch äußern, wenn dies eine Ausstrahlung auf das Arbeitsverhältnis hat.
"Daher darf ein Parteimitglied auch keine Wahlwerbung im Unternehmen machen. Das könnte zur Abmahnung und bei Wiederholung auch zu einer Kündigung führen", so der Arbeitsrechtler.
Weniger Freiheit bei öffentlichen Arbeitgebenden
Enger sind die Grenzen bei öffentlichen Arbeitgebenden. Die sind zur Neutralität verpflichtet und dürfen von ihren Beschäftigten Verfassungstreue verlangen. Solange Parteien aber nicht als verfassungswidrig eingestuft sind, ist eine Parteimitgliedschaft auch hier hinzunehmen. Selbst die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei reicht nicht für eine Kündigung, wenn nicht ein besonderes Verhalten der beschäftigten Person hinzukommt (BAG Urt. v. 12.05.2011, Az. 2 AZR 479/09).
Erst dann ist im Einzelfall entscheidend, wie sich die Person äußert oder verhält: "Wenn dann die Verfassungstreue ernsthaft in Frage gestellt wird, darf der Arbeitgebende Maßnahmen ergreifen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst", sagt Fuhlrott. Dafür reiche aber auch im öffentlichen Dienst nicht die Wahl einer zugelassenen Partei.
"Im Einzelfall mag – insbesondere für einige politisch anders positionierte Arbeitgebende – bei einigen Entscheidungen der Beschäftigten für bestimmte Parteien dann Recht und Moral auseinanderfallen", sagt der Anwalt. Aber wir haben freie Wahlen – und die gelten für alle nicht verbotenen Parteien.
Partei-Empfehlungen für Beschäftigte: . In: Legal Tribune Online, 14.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54537 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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