Die massive Kritik am Freihandelsabkommen TTIP zwingt die Vertragsparteien zum Umdenken. Nachdem die Haltung der USA bereits bekannt ist, hat nun auch die EU-Kommission ihre Verhandlungsposition öffentlich gemacht und zur Kommentierung aufgerufen. Jörn Griebel hat das Dokument gesichtet, und keine Passagen zu düsteren Deals in Hinterzimmern gefunden, sondern überwiegend ausgewogene Reformvorschläge.
Seit vielen Monaten wird die zukünftige europäische Investitionsschutzpolitik in den Medien sehr kritisch besprochen. Dies betrifft speziell die Verhandlungen von Freihandelsabkommen der EU mit den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) und Kanada (Comprehensive and Economic Trade Agreement, CETA). Diese Abkommen umfassen auch Regeln zum Investitionsschutz. Sie dienen Investoren im Ausland als Risikoabsicherung. Insbesondere bei willkürlichen Enteignungen und Diskriminierungen seitens des Gaststaates sollen die Investoren die Möglichkeit haben, sich vor internationalen Schiedsgerichten zur Wehr zu setzen und für entstandene Schäden kompensiert zu werden.
Am Donnerstag hat die EU-Kommission ihre Verhandlungsposition zum Investitionsschutz im TTIP offengelegt und zur öffentlichen Konsultation eingeladen. Hierzu hat sie einen Text veröffentlicht, in dem sie zu zwölf für die Reform der Investitionsschutzregeln bedeutsamen Themen Stellung nimmt. Ergänzt werden die Aussagen um Textauszüge zu der im Rahmen der CETA-Verhandlungen jeweils entwickelten Position.
Die öffentliche Konsultationsphase, ebenso wie das über mehrere Monate andauernde Moratorium der Verhandlungen sind letztlich Konsequenz der von Teilen der Zivilgesellschaft lancierten, sehr kritischen Medienberichterstattung, die einen erheblichen Widerhall in der Bevölkerung gefunden hat. In den führenden deutschen Tageszeitungen war von "Extrarechten für Multis " oder einer "Schattenjustiz in Nobelhotels" die Rede, außerdem davon, dass diese es "Geheimgerichten" erlaube, in "Hinterzimmern" Staaten im Hinblick auf demokratisch legitimierte Entscheidungen zu Schadensersatzzahlungen in Milliardenhöhe verurteilen zu lassen.
Vorerst kein Raum mehr für gemutmaßte Schreckensszenarien
Die Kritik an der Intransparenz wird sich nach der Veröffentlichung der Verhandlungsposition der EU kaum halten lassen, zumal das amerikanische Gegenstück in Form von stetig aktualisierten Musterabkommen bereits seit Langem bekannt ist. Nun ist schwarz auf weiß nachzulesen, mit welchen Absichten beide Seiten in die Verhandlungen gehen. Und damit wird es auch für die Medien ernst: Sie werden sich mit den Texten zu befassen haben, um die Substanz der bereits geäußerten eigenen Kritik zu überprüfen. Die Zeit, in der man sich von NGOs soufflieren lassen konnte, wie gefährlich das Investitionsrecht für Demokratien sei, dürfte damit vorüber sein. Drei Monate stehen nun zur Verfügung, einen öffentlichen Diskurs mit der EU-Kommission zu führen, bevor die Verhandlungen wieder aufgenommen werden.
In Deutschland standen immer zwei Kritikpunkte im Zentrum der Diskussion um den Investorenschutz. Zunächst die Intransparenz der von Schiedsgerichten durchgeführten Verfahren und weiter die fehlende Möglichkeit der Staaten, im Allgemeininteresse stehende Entscheidungen gegenüber ausländischen Investoren ohne die Gefahr von Entschädigungszahlungen umsetzen zu können. Beide Punkte sind in der Wissenschaft übrigens seit langem bekannt und es herrscht weitgehende Einigkeit über die Notwendigkeit, aber auch die Möglichkeit ihrer Reform. Wie die EU sich diese Reform vorstellt, ist in der veröffentlichten Verhandlungsposition für jedermann nachzulesen – und erstaunlicherweise findet sich dort nichts, was in Richtung des medial heraufbeschworenen Ausverkaufs der Demokratie weist.
EU veröffentlicht Verhandlungsposition zu TTIP: . In: Legal Tribune Online, 28.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11487 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag