Wenn ein Kind von seinen Großeltern erzogen werden muss, haben diese einen Anspruch auf finanzielle Hilfe. Das gilt nach einem Urteil des BVerwG auch dann, wenn die Mutter des Kindes im gemeinsamen Haushalt lebt. Warum von dieser Entscheidung Pflegeeltern und Kinder gleichermaßen profitieren werden, erläutert Dominique Hopfenzitz.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Rechte von Pflegeeltern und Kindern gestärkt: Am 1. März 2012 hoben die Leipziger Richter ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Niedersachsen auf und urteilten, dass auch die Großeltern beim Jugendamt Leistungen der Hilfe zur Erziehung einfordern können, wenn sie ihr Enkelkind als Pflegekind aufnehmen (Az. 5 C 12.11).
Im konkreten Fall waren die Großeltern als Vormund für ihr Enkelkind bestellt und hatten dieses bei sich zu Hause aufgezogen. Die Mutter des Kindes war zum damaligen Zeitpunkt selbst erst fünfzehn Jahre alt, konnte für den Unterhalt ihres Kindes nicht selbst aufkommen und auch die Erziehung nicht gewährleisten. Alle drei Generationen wohnten daher weiterhin unter einem Dach.
Das Jugendamt verweigerte den Großeltern jedoch die Auszahlung des Pflegegeldes. Während die dagegen gerichtete Klage erstinstanzlich noch erfolgreich war, hatte das OVG Niedersachsen der Berufung der Behörde stattgegeben und den Klägern das Pflegegeld versagt. Die Lüneburger Richter nahmen dabei vor allem an der Wohnungssituation Anstoß.
Absage an die räumliche Trennung von Eltern und Kind
Das achte Sozialgesetzbuch sehe vor, dass die Hilfe zur Erziehung außerhalb des Elternhauses zu erfolgen habe. Es müsse deshalb zwischen Herkunftsfamilie und anderer Familie unterschieden werden. Zweck sei gerade, eine räumliche Trennung des hilfebedürftigen Kindes von den Eltern zu erreichen, denn deren unzureichende Erziehungsbedingungen seien der Grund dafür, das Kind in einer anderen Familie unterzubringen. Wenn das Kind mit der Mutter und den Pflegeeltern aber weiterhin in einem Haushalt lebe, scheide ein Anspruch auf Pflegegeld aus (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 13.01.2011, Az. 4 LB 257/09).
Die Leipziger Richter folgten dieser Argumentation allerdings nicht und entschieden, dass eine räumliche Trennung von Eltern und Kind für das Pflegegeld nicht notwendig ist. Wenn die Eltern zur Erziehung nicht in der Lage sind, entspreche die Pflege durch Großeltern oder andere nahe Verwandte regelmäßig dem Wohl des Kindes.
Der Gesetzgeber habe daher die Vollzeitpflege durch unterhaltspflichtige Verwandte zugelassen und dafür ein Pflegegeld vorgesehen, so das höchste Verwaltungsgericht. Es führte weiter aus, dass auch bei einer Vollzeitpflege eine räumliche Trennung von Pflegefamilie und den leiblichen Eltern des Kindes nicht erforderlich sei.
Zum Wohl von Pflegeeltern und Kind
Der Zweck der Vollzeitpflege bestehe nämlich darin, die Erziehungsbedingungen des Kindes dadurch zu verbessern, dass Pflegeeltern eingeschaltet und persönliche Bindung berücksichtigt werden. Könne dem in einer bestimmten Pflegefamilie, zum Beispiel dem Haushalt der Großeltern, Rechnung getragen werden, stehe es dem Anspruch auf Pflegegeld nicht entgegen, dass die leiblichen Eltern des Pflegekindes in demselben Haushalt leben, entschieden die Richter.
Der Senat hat damit die grundsätzliche räumliche Trennung von Eltern und Pflegekind nicht als unabdingbare gesetzliche Voraussetzung gesehen. Wenn es für das Wohlergehen des Kindes erforderlich ist und dem Sinn und Zweck der Trennung nicht widerspricht, dass dessen Eltern vor Ort sind, kann die Pflegefamilie trotzdem Leistungen vom Jugendamt erhalten.
Aus Sicht der Pflegefamilien ist das Urteil ist zu begrüßen. Es kann die Bereitschaft von Pflegepersonen fördern, wenn diese sich keine finanziellen Sorgen machen müssen. Auch für die Kinder, deren Wohlergehen im Mittelpunkt des Gesetzes steht, ist das Urteil ein Gewinn. Das hilfebedürftige Kind soll in einer geborgenen und gewohnten Umgebung aufwachsen. Deshalb kann es förderlich sein, dass die leiblichen Eltern vor Ort sind und in die Erziehung eingebunden werden. Unabdingbar ist aber die Fürsorge der Pflegeeltern, welche durch ein Pflegegeld angemessen unterstützt werden müssen.
Der Autor Dominique Hopfenzitz ist selbständiger Rechtsanwalt und angestellter Volljurist beim Caritasverband für die Diözese Münster e.V. Er berät schwerpunktmäßig stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen.
Pflegegeld für Großeltern: . In: Legal Tribune Online, 05.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5698 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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