Statt auf Fluktuation setzen immer mehr Arbeitgeber auf eine nachhaltige Personalentwicklung, bei der Fach- und Führungskräfte langfristig an das Unternehmen gebunden werden sollen. Wie sie das erreichen können und welche Rolle dabei die arbeits- und steuerrechtlichen Regelungen spielen, erklären Antje-Kathrin Uhl und Luise Uhl-Ludäscher im Interview mit LTO.
LTO: Eine gute "Work-Life-Balance" spielt für Arbeitnehmer eine immer wichtigere Rolle und ist mitunter noch vor Fragen wie etwa der Gehaltshöhe für die Entscheidung maßgeblich, ob man sich auf eine langfristige Zusammenarbeit mit einem Unternehmen einlässt. Wie haben Unternehmen und die Politik mit rechtlichen Rahmenbedingungen auf diesen Trend reagiert?
Uhl: Der Einklang von Arbeit und Privatleben stand zwar sicher nicht im Vordergrund, aber die Politik hat etwa mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), dem Altersteilzeitgesetz (AtzG), Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) oder auch dem Pflegezeitgesetz (PflegeZG) mehr Flexibilität für Arbeitnehmer geschaffen, die Teilzeit arbeiten möchten.
Zunehmend nutzen dies auch Väter, die Elternzeit jedenfalls für zwei Monate nehmen. Den Unternehmen entstehen so durchaus zusätzliche Belastungen: etwa durch einen deutlich erhöhten Organisations- und oft auch Raumaufwand oder durch Sonderkündigungsschutz. Von sich aus bieten immer mehr Unternehmen ihren Mitarbeitern Sabbaticals an, also bezahlte Auszeiten bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis oder unbezahlte Freistellung für Langzeiturlaub oder Weiterbildung. Finanziert werden solche Modelle meist über Langzeitarbeitszeitkonten. Der Mitarbeiter spart dafür Zeiten, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, auf seinem Arbeitszeitkonto an.
Neu sind die Modelle "Vertrauensarbeitszeit" und "Vertrauensurlaub": Es erfolgt keine Erfassung von Arbeitszeit mehr, der Mitarbeiter stimmt seinen Urlaub zwar noch mit den Vorgesetzten ab, ansonsten wird nicht kontrolliert. Was zählt, ist allein das Arbeitsergebnis, nicht die Anwesenheit.
"Arbeitgeber räumen zunehmend Souveränität bei Arbeitszeit und –ort ein"
LTO: Was können Arbeitgeber denn zum Beispiel ganz konkret bei der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf den Beschäftigten anbieten und was müssen sie dabei beachten?
Uhl: Die Gesetze erlauben hier größtmögliche Flexibilität. Das Dilemma ist: Wie bringt der Unternehmer dies in Einklang mit einem vernünftigen Workflow? Mütter möchten am lieben nur zwischen 8 und 12 Uhr arbeiten - aber damit lässt sich kein Unternehmen führen.
Teilzeit allein reicht als Instrument nicht aus. Manchem Arbeitnehmer fällt es leicht, von zu Hause aus zu arbeiten, andere können damit gar nicht umgehen. Wir beobachten, dass Arbeitgeber zunehmend versuchen, ihren Angestellten mehr Souveränität punkto Arbeitszeit und -ort einzuräumen. Mit moderner Technologie ist das alles möglich, aber es birgt auch die Gefahr, dass der mit Blackberry und Laptop bewaffnete Mitarbeiter nicht mehr abschalten kann.
Außerdem stellen sich für Arbeitgeber zahlreiche rechtliche Fragen: Wie werden die relativ strengen Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes eingehalten, das heißt Aufbewahrungs- und Kontrollpflichten sowie Ruhepausen? Und macht der Betriebsrat mit, der bei solchen Regelungen mitbestimmen darf? Klassisch und aus unserer Sicht immer noch sehr gut sind Gleitzeitregelungen. Hier bestimmt der Arbeitnehmer Beginn und Ende der Arbeitszeit individuell innerhalb von Kernzeiten. Größere Unternehmen bieten darüber hinaus Kinderbetreuung an, etwa per betriebseigenem Kindergarten oder Übernahme von Kindergartengebühren.
Uhl-Ludäscher: Betriebkindergärten oder entsprechende Kostenübernahme sind zwar Teil des Arbeitsentgelts. Die Kostenübernahme für die Betreuung nicht-schulpflichtiger Kindern ist allerdings steuerfrei und löst keine Sozialversicherungsbeiträge aus. Eine betragsmäßige Begrenzung der übernommenen Kosten besteht nicht. Es spielt keine Rolle, ob die Betreuung in einem betriebseigenen oder außerbetrieblichen Kindergarten stattfindet.
Sind die Kinder aber einmal schulpflichtig, endet die Steuervergünstigung.
Im Falle eines Heimarbeitsplatzes darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Zuschlag für mit der Heimarbeit verbundene Aufwendungen (das heißt zum Beispiel Miete und Heizung) lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei bezahlen. Dieser darf allerdings zehn Prozentdes Grundlohns nicht übersteigen.
"Mitarbeiterbeteiligungsmodelle werden steuerlich gefördert"
LTO: Wie sieht es mit Maßnahmen aus, die die Person des Mitarbeiters selbst betreffen, etwa solchen zur Gesundheitsförderung?
Uhl: Wir beobachten, dass Arbeitgeber zunehmend zu solchen Maßnahmen greifen, um ihre Attraktivität zu erhöhen. Auch Betriebsräte haben den Gesundheitsschutz entdeckt, der zu den angenehmeren Seiten des Betriebsverfassungsgesetzes gehört. Angebote wie Raucherentwöhnung, Rückengymnastik, kostenfreie Gesundheitschecks, vergünstigte Mitgliedschaft im Fitnessstudio sind arbeitsrechtlich unproblematisch zulässig.
Uhl-Ludäscher: Seit dem Jahressteuergesetz 2009 gibt es eine neue Steuerbefreiungsvorschrift für Arbeitgeberleistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung. Darunter fallen Maßnahmen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands sowie der betrieblichen Gesundheitsförderung. Übernimmt der Arbeitgeber hierfür die Kosten, kann dies bis zu einem jährlichen Höchstbetrag von 500 Euro steuerfrei sein. Begünstigt sind vor allem Maßnahmen gegen Bewegungsmangel, Mangel- und Fehlernährung sowie zur Stressbewältigung und Entspannung – zum Beispiel Yogakurse und Schutzimpfungen. Nicht begünstigt sind Mitgliedsbeiträge von Sportvereinen und Fitnessstudios.
LTO: Ein großer Anreiz dafür, bei einem Unternehmen zu bleiben, dürften auch gesonderte finanzielle oder geldwerte Leistungen sein. Welche Möglichkeiten bestehen für Unternehmen in diesem Bereich?
Uhl: Audi hat kürzlich bekanntgegeben, dass sie all ihren Mitarbeitern einen Bonus für deren Einsatz im vergangenen Jahr zahlen. Solche Sonderzahlungen oder aber die Vorverlegung tarifvertraglicher Gehaltserhöhungen aufgrund guter Auftragslage sind durchaus üblich.
Arbeitsrechtlich stellt sich für Unternehmen oft die Frage, wie eine Erwartungshaltung der Arbeitnehmer vermieden werden kann, um nicht für die Zukunft gebunden zu sein. Auch ist relevant, ob man bei der Auszahlung von Sonderzahlungen nach der Anzahl von Krankheitstagen im vergangenen Jahr oder nach Leistung differenzieren kann.
Mitarbeiterbeteiligungsmodelle steigern sowohl die Motivation des Arbeitnehmers als auch dessen Bindung an das Unternehmen. In der Praxis gibt es verschiedene Wege: Mitarbeiteraktien oder GmbH-Anteile, Mitarbeiterdarlehen, Schuldverschreibungen, Genussrechte oder stille Beteiligungen sowie seit dem Jahr 2009 den Mitarbeiterbeteiligungsfonds.
Uhl Ludäscher: Diese Modelle werden auch steuerlich gefördert. Das Steuerrecht sieht eine Steuerbefreiung vor von bis zu 360 Euro pro Jahr für die Vorteile aus einer unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Mitarbeiterbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers. Allerdings nur, wenn das Beteiligungsangebot allen Arbeitnehmern offensteht, die schon länger als ein Jahr im Unternehmen sind. Daneben können Arbeitnehmer mit einem Einkommen von maximal 20.000 Euro (beziehungsweise 40.000 bei Verheirateten) eine Arbeitnehmer-Sparzulage von 20 Prozent (höchstens 80 Euro) erhalten.
Uhl: Ein weiteres, für beide Seiten nützliches Mittel ist die Investition in zusätzliche Fortbildung. Das Unternehmen kann sich die spezifisch notwendigen Qualifikationen so aus der vorhandenen Belegschaft schaffen. In diesem Zusammenhang kann an echte Zuzahlungen wie etwa Stipendien, an Arbeitsbefreiungen für eine eigenfinanzierte Fortbildung oder auch an die arbeitgeberseitige Finanzierung der Fortbildung gedacht werden.
Arbeitsrechtlich sollte darauf geachtet werden, dass mit einer Rückzahlungsklausel eine korrekte vertragliche Grundlage geschaffen wird, die auch den Fall berücksichtigt, dass der betreffende Arbeitnehmer die Ausbildung abbricht oder vorzeitig ausscheidet. Daneben gibt es in geringerem Umfang die Möglichkeit von Geschenken, was arbeitsrechtlich unproblematisch ist.
"Geschenke vom Arbeitgeber sind bis 40 Euro von Steuer und Sozialversicherung befreit"
LTO: Was ist aus steuerlicher Sicht bei Kosten für Fortbildungsmaßnahmen zu beachten?
Uhl-Ludäscher: Wenn Fortbildungskosten betrieblich veranlasst sind, kann der Arbeitgeber sie als Betriebsausgabe geltend machen. Für den Arbeitnehmer kommt es darauf an, wie die Kostenübernahme erfolgt. Übernimmt der Arbeitgeber die Fortbildungskosten des Arbeitnehmers unmittelbar, entstehen für den Arbeitnehmer keine Steuerbelastungen. Anders verhält es sich bei Erstattungen: Dann gehört die Kostenübernahme zum Arbeitslohn, und die Kosten des Arbeitnehmers können als Werbungskosten berücksichtigt werden. Es kommt hier also darauf an, wie die Übernahme der Fortbildungskosten ausgestaltet wird.Verpflegungs- und Fahrtkosten im Zusammenhang mit betrieblich veranlassten Fortbildungen können bis zu den steuerlichen Höchstbeträgen steuerfrei erstattet werden.
LTO: Manche Arbeitnehmer dürfen zum Beispiel ihr Diensthandy privat nutzen. Wie geht das Steuerrecht mit dem entsprechenden Vorteil um?
Uhl-Ludäscher: Für solche Fälle ist eine Steuerbefreiung gesetzlich vorgesehen – im Gegensatz zu der Besteuerung des geldwerten Vorteils, der durch die private Nutzungsmöglichkeit des Firmen-Pkw entsteht. Der Mitarbeiter muss deshalb hier nicht mit steuerlichen Mehrbelastungen rechnen.
Über derartige Leistungen hinaus kann ein Unternehmen die Motivation seiner Mitarbeiter auch durch Geschenke oder sonstige Sachbezüge steigern. Gelegenheitsgeschenke wie Blumen oder Bücher, die der Arbeitgeber zu einem besonderen persönlichen Anlass etwa zum Geburtstag gewährt unterliegen nicht der Steuer oder Sozialversicherung. Der Wert des einzelnen Geschenks darf allerdings 40 Euro nicht übersteigen.
"Politik sollte sich nicht nur mit Kindergartenplätzen befassen"
LTO: Was passiert, wenn der Wert darüber liegt?
Uhl-Ludäscher: Um einen Mitarbeiter nicht mit der zusätzlichen Steuer zu belasten, die auf einen Sachbezug anfallen würde, kann der Arbeitgeber die Steuer auf den steuerpflichtigen geldwerten Vorteil nach § 37b EStG durch eine Pauschale freiwillig übernehmen. Der Pauschsteuersatz beträgt 30 Prozent. Wendet der Arbeitgeber die Pauschalbesteuerung an, ergibt sich für den Arbeitnehmer keine steuerliche Mehrbelastung. Es bleibt allerdings ein Wehrmutstropfen: Die Sozialversicherungspflicht bleibt dennoch bestehen.
LTO: Für welche Bereiche sehen Sie noch politischen und gesetzgeberischen Handlungsbedarf?
Uhl: An sich gibt es im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht genügend Gesetze, und die Judikatur des Bundesarbeitsgerichts trägt ja auch sehr viel zur Normierung von Arbeitsverhältnissen bei. Ich finde es aber ausgesprochen bedauerlich, dass sich die Politik immer nur mit Kindergartenplätzen befasst. Kinder werden älter – und was dann? Ich bin mir auch nicht sicher, wenn ich die Gehaltsentwicklungen beobachte, ob die im Steuerrecht vorgesehenen Einkommensgrenzen realistisch sind oder ob nicht gerade die breite Mittelschicht nicht mehr erfasst wird.
Uhl-Ludäscher: Angesichts der zunehmenden Inflation trifft die so genannte kalte Progression die mittleren Einkommen heftiger. Hier dürfte eine Tarifkorrektur über kurz oder lang nicht mehr zu vermeiden sein. Im Hinblick auf die Kinderbetreuung könnte man auch an steuerliche Vergünstigungen für schulpflichtige Kinder denken, da auch diese noch betreut werden müssen.
LTO: Frau Dr. Uhl, Frau Uhl-Ludäscher, wir danken Ihnen für dieses Interview.
Dr. Antje-Kathrin Uhl ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin der Sozietät CMS Hasche Sigle. Luise Uhl- Ludäscher ist Steuerberaterin bei CMS Hasche Sigle.
Die Fragen stelle Steffen Heidt.
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