Im Januar 2015 ist das MiLoG in Kraft getreten, die Probleme für die Praxis zeichnen sich deutlich ab. Alexander Bork und Britta Fischer zur Krux mit den Praktikanten, ehrenamtlich Tätigen und der Aufzeichnungspflicht.
Nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) gelten Praktikanten "grundsätzlich" als Arbeitnehmer. Sie sind damit mindestlohnberechtigt. Als Faustformel kann man sich merken, dass insbesondere Praktikanten nach dem Abschluss ihres Studiums oder ihrer Ausbildung ein Mindestlohnanspruch zusteht. Handelt es sich nicht um ein Pflichtpraktikum, haben auch alle anderen Praktikanten einen Anspruch auf den Mindestlohn, sofern die Praktikumslänge drei Monate übersteigt.
Der Gesetzgeber hat unter anderem das sogenannte Pflichtpraktikum von der gesetzlichen Mindestlohnpflicht ausgenommen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die richtige Einordnung entweder als ein Pflichtpraktikum oder als ein freiwilliges Praktikum oftmals nicht gelingt.
Das Pflichtpraktikum zeichnet sich dadurch aus, dass es durch eine Schul-, Studien- oder Ausbildungsordnung verbindlich vorgeschrieben ist. Es muss nach den schul- oder hochschulrechtlichen Bestimmungen oder nach der Ausbildungsordnung als praktischer Teil der Ausbildung für das Erreichen des angestrebten Abschlusses zwingende Voraussetzung sein. Der Bewerber muss sich in einem Schüler-, Studenten- oder Auszubildendenstatus befinden.
Das Risiko, ein Praktikum falsch einzuordnen, können Arbeitgeber dadurch minimieren, dass sie sich von dem Bewerber einen Nachweis über dessen Ausbildungsstatus, zum Beispiel einen Studienausweis, sowie die Schul-, Studien- oder Ausbildungsordnung, aus der die Praktikumspflicht hervorgeht, vorlegen lassen und aufbewahren. Arbeitgeber können auch direkt mit den Hochschulen, Berufsakademien oder mit der IHK Kontakt aufnehmen, um sich dort den Pflichtcharakter des Praktikums bestätigen zu lassen. Zugleich empfiehlt es sich, eine schriftliche Erklärung des Bewerbers einzuholen, dass er das Pflichtpraktikum nicht bereits anderweitig absolviert hat.
Fehlende Definition des Ehrenamts
Ehrenamtliche Tätigkeiten hat der Gesetzgeber bewusst aus dem Anwendungsbereich des MiLoG herausgenommen. Im Gegenzug hat er es allerdings versäumt, eine Definition des Ehrenamtsbegriffs in das MiLoG aufzunehmen. Dies führte zum Beispiel bei Vereinen und Institutionen zu der teilweise existenzbedrohenden Befürchtung, dass all diejenigen, die für ihre ehrenamtliche Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung erhalten, nunmehr den gesetzlichen Mindestlohn für sich beanspruchen können.
Das gegenüber den Spitzenfunktionären des deutschen Sports abgegebene Minister-Versprechen, im Amateursport auf Kontrollen und Ahndungen von Verstößen gegen das MiLoG zu verzichten, konnte die in der Praxis vorherrschende Unsicherheit über die Einordnung einer Tätigkeit als Ehrenamt allenfalls für den Amateursportbereich beseitigen.
In anderen Bereichen ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Von einem Ehrenamt ist nur dann auszugehen, wenn die Tätigkeit nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt ist, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Ein ideeller Tätigkeitszweck muss dominieren.
Ob dies auch für ideell ausgerichtete Tätigkeiten gilt, für die zum Beispiel eine Aufwandsentschädigung in Höhe von EUR 3000 gezahlt wird, werden die Gerichte oder der Gesetzgeber noch zu klären haben. Zum Teil wird vertreten, dass eine ehrenamtliche Tätigkeit dann nicht mehr vorliegen kann, wenn die betroffene Person als geringfügig Beschäftigte angemeldet wurde
2/2: Aufzeichnungspflicht als einziges Kontrollmittel
Um die Einhaltung der Mindestlohnpflicht zu kontrollieren, sieht das MiLoG Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten für den Arbeitgeber vor. Diese gelten für geringfügig Beschäftigte und für sämtliche Arbeitnehmer, die in den in § 2a Schwarzarbeitsgesetz genannten Wirtschaftssektoren tätig sind. Sie verpflichten den Arbeitgeber, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen und die Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
Offensichtlich ist, dass die Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit zur Kontrolle der Zahlung des Mindestlohns für Gutverdienende nicht notwendig ist. Die Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoGDokV) schränkt deshalb die Aufzeichnungs- und Dokumentationspflicht ein. Arbeitgeber müssen nicht die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer aufzeichnen, deren verstetigtes Einkommen mehr als EUR 2.958 beträgt. Diese völlig willkürlich gesetzte Lohnschwelle wurde im Sommer 2015 auf EUR 2.000 abgesenkt. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitnehmer in den letzten vollen zwölf Monaten nachweislich ein Bruttoentgelt von mehr als EUR 2.000 erhalten hat. Erhält er auch nur einen Monat genau EUR 2.000 oder weniger, beginnt der 12-monatige Zeitraum erneut zu laufen.
Lieber zu viel als zu wenig aufzeichnen
Weder in den Verordnungen noch im MiLoG ist erläutert, welche (Arbeits-)Zeiten konkret aufzuzeichnen sind. So werden etwa Bereitschaftsdienste oder Wartezeiten von Taxifahrern in der Praxis häufig nicht als Arbeitszeit dokumentiert und dementsprechend nicht nach dem MiLoG vergütet. Dies verwundert, schließt doch das MiLoG an schon bestehende Aufzeichnungspflichten nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) an. Nach dem ArbZG sind grundsätzlich sämtliche Arbeitszeiten aufzuzeichnen. Solange nicht gerichtlich entschieden ist, ob auch Bereitschaftsdienste mit dem Mindestlohn zu vergüten sind, sind Arbeitgeber gut beraten, auch diese Zeiten nach den Vorgaben des MiLoG aufzuzeichnen.
Bei ausschließlich mobilen Tätigkeiten hat das Ministerium reagiert. Nach der Mindestlohnaufzeichnungsverordnung (MiLoAufzV) hat der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht bereits erfüllt, wenn er nur die Dauer der tatsächlichen Arbeitszeit aufzeichnet. Dies gilt in Bezug auf solche Arbeitnehmer, die ihre tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich einteilen. Während der täglichen Arbeitszeit nehmen sie regelmäßig nicht durch ihren Arbeitgeber oder Dritte Arbeitsaufträge entgegen.
MiLoG widerspricht dem Modell der Vertrauensarbeitszeit
In der Praxis stellt sich ferner die Frage, inwieweit das in Unternehmen zunehmend vorzufindende Arbeitszeitmodell der Vertrauensarbeitszeit mit den Aufzeichnungspflichten nach dem MiLoG vereinbar ist. Keinesfalls wird sich der Arbeitgeber mit der Einführung von Vertrauensarbeitszeit seinen Aufzeichnungspflichten entziehen können.
Zulässig ist es jedoch, die Aufzeichnungspflicht auf den Arbeitnehmer zu übertragen (sogenannte Delegation). Dies sollte im Arbeitsvertrag ebenso festgeschrieben werden wie die Verpflichtung des Arbeitnehmers, seine Aufzeichnungen dem Arbeitgeber in regelmäßigen Zeitabständen vorzulegen. Hierfür ist schon der handschriftliche Vermerk auf einem Stundenzettel ausreichend. Der Arbeitgeber bleibt trotz einer entsprechenden Delegation verpflichtet, die Aufzeichnung zu kontrollieren
Verstößt ein Arbeitgeber gegen die ihm obliegenden Aufzeichnungs- oder Kontrollpflichten, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Die hier drohenden Ordnungsgelder haben bislang allerdings nicht dazu beigetragen, das in den Betrieben erforderliche Bewusstsein für die Aufzeichnungspflichten zu schärfen.
Die Autoren Dr. Alexander Bork und Britta Fischer sind im Düsseldorfer Büro der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek in der Praxisgruppe Arbeitsrecht tätig. Sie beraten Unternehmen zu allen Fragen des Arbeitsrechts. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Beratung von Organmitgliedern.
Dr. Alexander Bork und Britta Fischer, Das MiLoG in der Praxis: Unklarheiten erfordern doppelte Vorsicht . In: Legal Tribune Online, 01.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18921/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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