Gerade bei potenziell medienwirksamen Fällen sind rechtliche Argumente nicht immer die wirksamsten. Das erfährt derzeit auch Lego. Wann es sich lohnt, besser auf die kommunikative Offensive zu setzen, erklären Lou Siebert und Martin Wohlrabe.
Riesenwirbel um Lego: Aktuell schießt ein Youtuber dem beliebten Spielsteinhersteller Lego ordentlich vor den Bug. Die Online-Diskussionen schlagen dabei hohe Wellen. Thomas Panke, der sogenannte "Held der Steine", wehrt sich auf seinem Youtube-Kanal gegen ein Anwaltsschreiben des Großkonzerns.
Thomas Panke ist das, was man einen Influencer nennt: Seit Jahren stellt der Inhaber eines kleinen Geschäfts für Klemmbausteine-Produkte in Frankfurt am Main bei Youtube vor allem Lego-Produkte vor. Der Konzern hat nach seinen Angaben bislang nie Kontakt zu ihm aufgenommen. Bis zum Januar 2019. Der Vorwurf unter anderem: Verwechslungsgefahr seines Logos mit dem der Spielsteinkoryphäe, Lego befürchtet eine Verwässerungsgefahr der Marke durch den blauen Baustein mit drei Noppen, der sich neben seinem Namenszug fand. (Anm. d. Red.: Offenbar hat Panke das Logo nicht nur verwendet, sondern auch als Wort-Bild-Marke für Modellbausätze, deren Onlinevertrieb und die Ausstrahlung von Videos im Internet eintragen lassen (Stand: 25.01.2019). Laut Lukas Kurth, Betreiber der Seite "Stonewars.de", hat Panke in einem Telefongespräch mit ihm zwischenzeitlich angegeben, diese wieder löschen zu wollen. Die (beabsichtigte) Eintragung der Marke war offenbar Gegenstand des Schreibens von Lego an Panke. Überprüfen können wir diese Angaben nicht: Die Presseabteilung von Lego war auch auf mehrfache Nachfrage von LTO nicht bereit, Angaben über den Inhalt des Schreibens zu machen, Thomas Panke konnten wir bis Freitag, 25.01.2019 um 11 Uhr nicht erreichen; pl). Doch seine treuen Anhänger, immerhin fast 180.000 Abonnenten bei Youtube,finden das Vorgehen des Spielzeugriesen alles andere als sympathisch. Die Folge: ein Shitstorm wie aus dem Lehrbuch.
Nach vergleichbaren Krisen beim Outdoor-Ausrüster Jack Wolfskin und dem schwedischen Möbelbauer Ikea zeigt sich einmal mehr, wie Abmahnungen und Anwaltsschreiben* innerhalb weniger Augenblicke das Gegenteil einer raschen Lösung erwirken. Denn in Zeiten, in denen Social-Media-Shitstorms diesen rauen Ton vorgeben, gehen die einst so erfolgversprechenden Abmahnschreiben längst nicht mehr als Patentrezept durch.
Wie groß ist die Gefahr – und wie groß das Risiko?
Szenarien wie aktuell bei Lego spielen sich mitunter mehrmals täglich ab – nicht immer nimmt die breite Öffentlichkeit sie so wahr. Ein einzelner Influencer kann dabei eine zuvor nie dagewesene kommunikative Kraft ausüben. Das Dramatische daran: Ist der Shitstorm einmal losgebrochen und hat seine ganz eigene Dynamik entfaltet, ist den Followern kaum noch mit sachlichen Argumenten beizukommen.
Die Massen an treuen Fans handeln häufig erbarmungsloser als jeder Richter. Und ist der Shitstorm erst einmal im Gange, kommt schnell das abmahnende Unternehmen selbst unter die Räder - berechtigt oder nicht. Ein dauerhaftlaufendes Monitoring und damit funktionierendes Frühwarnsystem sowie wirklich schnelle Reaktionen helfen. Auch wichtig: Vermeiden Sie es unter allen Umständen, Kommentare ohne echten Grund zu löschen. Die Community wird es immer so empfinden, als würde man weiteres Öl ins Feuer gießen – und sehr empfindlich reagieren.
Bestenfalls hat man diese Ausmaße jedoch schon vorher im Blick. Ein Rat lautet daher: Vorab durchkalkulieren, wie ein mögliches Abrutschen des Markenwertes im Verhältnis zum juristischen Erfolg steht. Dazu muss man zunächst beantworten, ob tatsächlich die Gefahr besteht, dass durch einen Influencer, der hauseigene Produkte vorstellt, diesen also kostenlose und mitunter ganz erhebliche Bekanntheit und Marketingeffekte verschafft, die eigene Marke verwässert wird. Nimmt man das an, dann ist der nächste Schritt die Frage, ob ein juristischer Erfolg, nämlich das Unterlassen der Benutzung des Zeichens durch den Influencer, tatsächlich das erhebliche Risiko wert ist, das das Unternehmen dadurch eingeht.
Schließlich ist keinem Unternehmen am Ende geholfen, wenn ein Shitstorm das Abmahnschreiben konterkariert. Wie der Fall Lego zeigt, kann der anwaltliche Brief schnell einen Reputationsverlust, zumindest jedoch einen spürbaren Sympathieverlust auslösen. Und die Dinge bleiben häufig auch gar nicht in den sozialen Netzwerken. Es dauert oft nur kurze Zeit, bis die klassischen Medien in ihrer Berichterstattung aufspringen. Nach der Rheinischen Post ("Das sagt der Held der Steine über Lego", über "Wie Lego einen kritischen YouTuber einschüchtert" bis hin zu "Ein völlig unnötiges Desaster für Lego") berichten mittlerweile auch Spiegel Online sowie die Computer Bild. So wird aus dem Shitstorm in den sozialen Netzwerken schnell ein PR-Desaster, das sich massiv herumspricht.
Besser nicht mit dem Anwalt drohen
Die juristische Auseinandersetzung, insbesondere im Markenumfeld, steht heute in einem besonderen Abwägungsverhältnis zum Szenarium, in welchem Einzelpersonen durch ihr weites Follower-Netzwerk den Schaden häufig noch größer machen.
Dabei kann bereits ein emphatisches, aber zielgerichtetes Schreiben ohne Anwaltsbriefkopf Wunder wirken. Thomas Panke, dessen neues Logo ein Erdmännchen mit einem Cape zeigt, ließ nun im Nachklapp mitteilen: "Ich bin mir absolut sicher, dass wir das am Telefon schnell klären können." Zumindest kann dann, was häufig vorkommt, nicht argumentiert werden, man hätte direkt mit dem Anwalt gedroht.
Und ist das Kindlein erst einmal in den Brunnen gefallen, dann sollte man als Unternehmen zumindest zügig reagieren und nah am Fall seine Version erläutern. Anders als Lego: Das Unternehmen hatte nur auf Facebook eine Stellungnahme voller grundsätzlicher Aussagen über den Schutz seiner Marke veröffentlicht, die keinerlei Bezug zum Lego-Blogger herstellt.
Natürlich und das muss abschließend in einem solchen Beitrag auch betont werden: Es gehört auch zur Wahrheit, dass die einzig wirklich durchsetzbare Grundlage das anwaltliche Schreiben ist. Jedenfalls lohnt es aber allemal die Mühe, dass Legal und Communications eng zusammenarbeiten, wenn es um mögliche Reputationsschäden geht. Der Fall Lego zeigt einmal mehr, wie groß die Herausforderungen sind, vor denen Anwälte, Unternehmen und Kommunikatoren stehen. Und auch wenn es wie eine Binsenweisheit daherkommt: Manchmal ist eben doch das einfache Gespräch ein erster guter Schritt.
Der Autor Martin Wohlrabe ist Rechtsanwalt und Inhaber der Agentur Consilium Rechtskommunikation in Berlin. Die Autorin Lou Siebert ist Kommunikationsberaterin ebenda und berät insbesondere in Krisenmandaten.
*Anm. d. Red.: Präzisiert am 24.01.
Shitstorm nach Anwaltsbrief an den "Held der Steine": . In: Legal Tribune Online, 23.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33409 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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