In einigen Branchen gehen die Aufträge zurück, damit nimmt die Anzahl der Anträge auf Kurzarbeit zu – mit steigender Tendenz. Das bringt Gehaltsverluste für die Arbeitnehmer und in der Regel die Rettung ihrer Jobs, erklärt Sebastian Ritz.
Ob Automobil- oder Industriezulieferer, Metall- oder Stahlindustrie – die Aufträge in diesen Branchen gehen zurück. Deshalb mehren sich Meldungen über Unternehmen, die durch Kurzarbeit Personalkosten einsparen müssen. Während der Finanzkrise konnten so in Deutschland - anders als in anderen europäischen Ländern - Massenentlassungen häufig verhindert werden. Die Bundesagentur für Arbeit zählte im Jahr 2009 bis zu 1,4 Millionen Kurzarbeiter. Die meisten behielten dank der finanziellen Unterstützung durch die Arbeitslosenversicherung ihren Job bis die Konjunktur wieder anzog.
Weil derzeit wieder immer mehr Unternehmen die weltweit schwächelnde Konjunktur zu spüren bekommen, lohnt sich ein Blick auf die Chancen und Risiken dieses Instruments zur Bewältigung konjunktureller Krisen. Wesentlicher Vorteil: Statt das Arbeitsverhältnis zu beenden, wird die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers zeitweise suspendiert. Im Gegenzug entfällt die Pflicht des Arbeitgebers, Entgelt zu bezahlen.
Auch eine sogenannte "Kurzarbeit Null" ist möglich. Das heißt: Die Arbeitszeit lässt sich auf bis zu null Stunden und ein Arbeitsentgelt von null Euro senken. So kann der Arbeitgeber die Personalkosten vorübergehend drastisch reduzieren und dennoch weiter seine bewährten Mitarbeiter behalten, bis die Konjunktur wieder anzieht. Angesichts des Fachkräftemangels ist dies eine besonders gewichtiger Vorteil.
Mitsprache des Betriebsrats oder "Gruppendruck"
Doch es gilt, bei der Anordnung von Kurzarbeit einige Stolpersteine im Arbeitsrecht zu überwinden: So ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, Kurzarbeit einseitig anzuordnen. Es bedarf stattdessen einer arbeitsrechtlichen Grundlage. In Betracht kommen Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder eine Individualvereinbarung mit dem Arbeitnehmer. Der Betriebsrat bestimmt grundsätzlich mit. Wichtig für die Praxis ist deshalb: Da das Thema meist unter enormem Zeitdruck steht, ist die frühzeitige Information der Arbeitnehmervertreter ein entscheidender Erfolgsfaktor.
Gibt es keinen Betriebsrat im Unternehmen, hängt die Einführung der Kurzarbeit allein von der Zustimmung der Arbeitnehmer ab. Doch erfahrungsgemäß befürworten nur wenige Mitarbeiter eine solche Maßnahme. Ratsam ist daher, die Kurzarbeit von einer Mindest-Zustimmungsquote seitens der Arbeitnehmer abhängig zu machen, also beispielsweise 95 Prozent an Zustimmungen. Dieser "Gruppendruck" kann dann helfen, das erforderliche Quorum zusammenzubekommen. Zugleich sollten Arbeitgeber auf die ansonsten drohenden Konsequenzen wie den möglichen Personalabbau für den Fall hinweisen, dass die Mindestquote nicht erreicht werden sollte.
Klausel schon im Arbeitsvertrag
Um nicht erst unmittelbar vor der Kurzarbeit die Zustimmung einholen zu müssen, kann eine Klausel im Arbeitsvertrag sinnvoll sein, die dem Unternehmen die Anordnung dieser Maßnahme gestattet. Das Bundesarbeitsgericht hält solche Vereinbarungen für zulässig, wenn sie beispielsweise Angaben zum möglichen Umfang und zur Dauer der Kurzarbeit enthalten. Auch muss die Ankündigungsfrist ausreichend lange bemessen sein. Sie sollte mindestens drei Wochen betragen.
Fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die Anordnung von Kurzarbeit, behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf Gehalt in voller Höhe. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber das Nichterscheinen der Mitarbeiter zur Arbeit angeordnet hat. In diesem Fall befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug nach § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Arbeitsagentur bezahlt Teil des Gehalts weiter
Hat der Arbeitgeber die Kurzarbeit arbeitsrechtlich wirksam eingeführt, steht den Mitarbeitern das sogenannte Kurzarbeitergeld aus der gesetzlichen Sozialversicherung zu, das die Bundesagentur für Arbeit (BA) bezahlt.
Wesentliche Voraussetzungen dafür sind, dass der Arbeitgeber die Kurzarbeit sowie den Arbeits- und Entgeltausfall bei der BA angezeigt und die wirtschaftlichen Gründe dafür erläutert hat. Gemäß § 95 S. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) III muss der Arbeits- und Entgeltausfall beim Arbeitnehmer erheblich sein. Weit auszulegen ist der Begriff der wirtschaftlichen Gründe: dazu zählen etwa wegbrechende Aufträge oder sinkende Absatzmöglichkeiten, sofern sie vorübergehend und nicht vermeidbar sind. Grundsätzlich erhalten nur sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Kurzarbeitergeld.
Für die Anzeige durch den Arbeitgeber gibt es auf der Internetseite der BA Formulare. Zudem sind beispielsweise die Betriebsvereinbarung oder eine Stellungnahme des Betriebsrats zu übersenden. Zugleich muss der Arbeitgeber die konkrete wirtschaftliche Situation darlegen, die zur Einführung der Kurzarbeit geführt hat.
Die BA erlässt auf die Anzeige hin einen schriftlichen Anerkennungsbescheid darüber, ob ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind. Danach hat der Arbeitgeber in einem zweiten Schritt für jeden betroffenen Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld zu beantragen. Wichtig ist dabei, der Antrag auf Kurzarbeitergeld innerhalb von drei Monaten nach dem Monat zu stellen, für den die Leistung beantragt wird. Ansonsten verfällt der Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Der Antrag hat zudem die Berechnungen des jeweiligen Kurzarbeitergeldes zu enthalten.
Kurzarbeitergeld bringt keinen vollen Gehaltsausgleich
Im zweiten Schritt bestätigt die BA in einem sogenannten Leistungsbescheid die jeweiligen Ansprüche auf Kurzarbeitergeld. Sie überweist das Geld an den Arbeitgeber, der dieses in der Regel im Voraus an die Arbeitnehmer zusammen mit dem verbleibenden Gehalt für die geleistete Arbeitszeit auszahlt. Das Kurzarbeitergeld gleicht allerdings nicht die volle Entgeltdifferenz aus, die durch die Kurzarbeit entsteht. Vielmehr beträgt das Kurzarbeitergeld für kinderlose Arbeitnehmer 60 Prozent und für Arbeitnehmer mit Kindern 67 Prozent der Netto-Vergütungsdifferenz zwischen dem pauschalierten Netto-Soll-Entgelt und Netto-Ist-Entgelt. Maximal steht die BA zwölf Monate für die Gehälter ein.
Erhält etwa ein Arbeitnehmer der Steuerklasse I monatlich 4.000 Euro brutto, beträgt das pauschalierte Nettoentgelt laut Tabelle etwa 2.470 Euro Netto-Soll-Entgelt. Führt der Arbeitgeber wegen einer wirtschaftlichen Notlage für die Monate Oktober bis Dezember 2019 wirksam Kurzarbeit ein, der ein Arbeitsausfall von 50 Prozent zugrunde liegt, sinkt der Netto-Lohn erheblich: Für die Monate Oktober bis Dezember 2019 soll der Arbeitnehmer also nur 2.000 Euro brutto erhalten, das pauschalierte Nettoentgelt beträgt rund 1.410 Euro. Die Netto-Vergütungsdifferenz beträgt daher 1.060 Euro. Das Kurzarbeitergeld, das zusätzlich zum gekürzten Nettogehalt gezahlt wird, beträgt 60 Prozent dieser Differenz, also 636 Euro. Der Arbeitnehmer erhält für die Monate Oktober bis Dezember 2019 also nicht mehr ein Netto-Entgelt von 2.470 Euro, sondern von 2.046 Euro. Der Arbeitnehmer erleidet also einen Netto-Entgeltverlust von ca. 20%. Der Arbeitgeber hingegen spart in diesem Fall hingegen ca. 50% der Personalkosten.
Noch liegen die Anzeigen zur Kurzarbeit mit rund 57.000 im Oktober dieses Jahres weit unter denen der Finanzkrise. Doch die Tendenz ist steigend. Tatsächlich bietet das Kurzarbeitergeld über die kurzfristige Kosteneinsparung hinaus auch langfristige Vorteile: Denn ein Verzicht auf Personalabbau vermeidet nach der Krise Aufwendungen, um neue Mitarbeiter zu gewinnen, oder für den Einsatz von Zeitarbeitern. Solche Kosten sind vor allem bei einer hohen Spezialisierung häufig hoch. Vor allem im Mittelstand ist zudem die Bereitschaft vieler Mitarbeiter recht groß, die Kurzarbeit mitzutragen.
Der Autor Sebastian Ritz ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Ebner Stolz in Köln sowie Lehrbeauftragter und Prüfer an der Frankfurt School of Management & Finance.
Einführung von Kurzarbeit: . In: Legal Tribune Online, 01.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38465 (abgerufen am: 23.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag