Verfahren im Kartellrecht können schnell zur Reputationskrise werden: Hausdurchsuchungen, Bußgeld, mediale Berichterstattung. Worauf es dann für die Rechtskommunikation ankommt, erklären Patrick Krauskopf und Seraina Gut.
Was nützt es, im Gerichtssaal Recht zu bekommen, wenn die Öffentlichkeit davon nicht überzeugt ist und den Klienten dennoch verurteilt? Und noch wichtiger ist die öffentliche Meinung in jenen Fällen, in denen der Klient vor Gericht das Nachsehen hatte und deshalb als Schuldiger dasteht. Vor allem im Bereich des Kartellrechts können Verfahren schnell eine große mediale Aufmerksamkeit erreichen.
Der Klient hat ein Interesse daran einen Reputationsschaden zu verhindern oder zumindest zu begrenzen. Das ist das Aufgabenfeld der Litigation-PR, also Rechtskommunikation.
Die Durchsetzung des Kartellrechts obliegt Kartellämtern und Kartellgerichten. Sie beurteilen Kartelle, den Missbrauch von Marktmacht sowie Unternehmenszusammenschlüsse. Dabei kommt den Kartellwächtern ein grosser Ermessensspielraum zu, die Untersuchungsmethoden und Sanktionen im Kartellrecht sind drastisch: Sie reichen von Hausdurchsuchungen über Bussgelder, Schadenersatzforderungen bis hin zu Gefängnisstrafen.
Litigation-PR richtet sich auch an Richter und Behörden
Litigation-PR hat hier auch eine weitere Aufgabe: Das Ermessen des Richters oder einer Behörde soll nicht zu Lasten des Klienten ausgeübt werden. Vor, während und nach dem Verfahren wird die Öffentlichkeit regelmässig über das Verfahren informiert und die Entwicklungen auch in Medien debattiert. So bilden sich Aussenstehende eine Meinung, auch Beamte bei den Kartellämtern und Richter bleiben von der Berichterstattung nicht unberührt. Eine massgeschneiderte Litigation-PR kann helfen, die oft einschneidenden Folgen, die eine Untersuchung der Kartellbehörde mit sich bringen kann, zu schmälern, im besten Fall ganz zu verhindern.
Rechtsanwälte sind daher gut beraten, einen Klienten nicht nur "technisch-rechtlich" zu betreuen, sondern diesem auch eine zielführende Litigation-PR zu empfehlen. Je nachdem, an wen sich die Litigation-PR richtet, beginnt eine Litigation-PR-Strategie lange vor dem "Fall" und dauert auch nach dem Urteil weiter an.
Zunächst ist, und das ist für RechtsanwältInnen Alltag, der relevante Sachverhalt zu ermitteln. Alsdann, und das ist für viele Neuland, sind alle Stakeholder bzw. Stakeholdergruppen und deren Interessen und Positionen systematisch zu erfassen. Hierzu gehört es auch die verschiedenen Ansichten in der Öffentlichkeit, die möglichen Standpunkte des Kartellamts bzw. Richters, den aktuellen sowie den weiteren Verfahrensgang zu kennen.
Wann eine defensive Kommunikationsstrategie hilft
Ist das Kartellamt bereits aktiv geworden, ist eine kurzfristige Kommunikationsstrategie festzulegen. Dort, wo die Behörden noch nicht tätig geworden ist, kann das "Terrain" mittels einer langfristigen Kommunikationsstrategie vorbereitet werden.
Ziele sind sowohl in rechtlicher als auch in kommunikativer Hinsicht zu formulieren. In langfristigen Kommunikationsstrategien oder in komplexen Fällen können auch Zwischenziele helfen, die vorhandenen oft begrenzten Ressourcen gezielt einzusetzen.
Es kann zwischen einer offensiven und defensiven Kommunikationsstrategie unterschieden werden. Bei der offensiven Strategie werden die Zielgruppen - meist aktiv - direkt angesprochen und es wird unmissverständlich kommuniziert. Es können auch kritische Punkte offen angesprochen worden. Hingegen werden bei einer defensiven Strategie nur ausgewählte Informationen veröffentlicht und dies oft auch nur auf Anfrage. Die Wahl der geeigneten Strategie ist abhängig vom Sachverhalt, dem Verfahrensstand und den Interessen der Stakeholder sowie den definierten Zielen. In vielen Fällen ist eine eher defensive Strategie, die aber mehr ist als eine reine "no comment"-Strategie, erfolgsversprechender, weil so das Risiko vermindert wird, dass vorschnell getätigte Aussagen in der Öffentlichkeit den weiteren Verfahrensgang negativ beeinflussen.
Die Massnahmen sind je nach Kartellrechts-Fall und -Strategie sehr unterschiedlich. Sie haben sich an den jeweiligen Zielgruppen zu orientieren. Für die Zusammensetzung des idealen Massnahmen-Mix kommen namentlich Zeitungsberichte, Gutachten, Veranstaltungen, rechtlich-ökonomische Studien in Betracht, aber auch Allianzen mit anderen Unternehmen oder Verbänden. Da Litigation-PR vor allem im Kartellrecht eng mit Politik, Wirtschaft und subjekten Wertungen zusammenhängt, sind sämtliche Vor- und Nachteile der Massnahmen vorab sorgfältig abzuwägen.
Meilensteine: Fusionsmeldung, Hausdurchsuchung, Bussgeldbescheid
Litigation-PR Massnahmen sind nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich aufeinander abzustimmen. Der Zeitplan der geplanten kommunikativen Massnahmen enthält die Meilensteine des Verfahrens, etwa die Fusionsmeldung an das Kartellamt, das öffentliche Bekanntwerden einer Hausdurchsuchung oder den Zeitpunkt des Erlasses eines Bussgeldentscheides.
Gerade bei einer langfristig entwickelten Kommunikationsstrategie hilft ein Zeitplan, um die verschiedenen Massnahmen sinnvoll einzusetzen. Doch auch bei kurzfristigen Kommunikationsmassnahmen kanalisiert ein Zeitplan Emotionen und verhindert übereilte Reaktionen namentlich von Führungspersonen in Unternehmen, welche für den weiteren Verfahrensgang meist kontraproduktiv sind.
Eine Litigation-PR Strategie sollte nicht ohne Not geändert werden. Da Litigation-PR darauf abzielt, künftige Entwicklungen und Entscheidungen zu beeinflussen, stützt sie sich auf eine reine Prognose künftigen menschlichen Verhaltens der Stakeholder. Menschliches Verhalten verändert sich jedoch aufgrund namentlich veränderter sozialer und ökonomischer Umstände, was eine Anpassung der gewählten Litigation-PR Strategie nach sich ziehen kann.
Psychologisches Fingerspitzengefühl gefragt
Jede Litigation-PR muss deshalb so entwickelt und umgesetzt werden, dass auch kurzfristige Anpassungen der Massnahmen möglich sind. Eine sorgfältige Evaluierung und Beobachtung des Verfahrens und des Stakeholder-Umfeldes gehört deshalb zu einer erfolgreichen Litigation-PR immer mit dazu.
Mit den erwähnten Schritten ist der Grundstein für eine erfolgreiche Litigation-PR gelegt. In komplexen Fällen ist jedoch der Einsatz eines Spezialisten zu empfehlen, damit sich RechtsanwältInnen auf ihr Kerngeschäft, nämlich die rechtliche Beratung des Klienten, konzentrieren können. Eine Litigation-PR steht und fällt aber mit der Zusammenarbeit "Rechtsanwalt - Kommunikationsspezialist – Klient". Ausserdem braucht es in den kartellrechtlichen Auseinandersetzungen viel psychologische Erfahrung im Umgang mit Klienten, Behörden und anderen Stakeholdern.
Prof. Dr. iur. Patrick L. Krauskopf (LL.M.) ist Chairman der auf Kartellrecht spezialisierten Anwaltskanzlei AGON PARTNERS und Leiter des Zentrums für Wettbewerbsrecht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
Seraina Gut arbeitet als juristische Mitarbeiterin bei AGON PARTNERS und im Zentrum für Wettbewerbsrecht der ZHAW. Sie begleitet regelmässig Mandate im Zusammenhang mit Compliance und Litigation-PR.
Nachhaltige Litigation-PR im Kartellrecht: . In: Legal Tribune Online, 10.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30279 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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