Die Landesjustizressorts wollen, dass künftig in jeder Gesetzesvorlage präzise dargelegt wird, warum ein Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf oder nicht. Zur Not müsse dazu die Geschäftsordnung der Bundesministerien geändert werden.
Auf ihrer bevorstehenden Frühjahrskonferenz Anfang Juni in Hannover (JuMiKo) werden die Justizministerinnen und -minister der Länder wohl einen Beschluss fassen, der der Bundesregierung so ganz und gar nicht schmecken dürfte. Es geht um die Frage der Beteiligung des Bundesrates in Gesetzgebungsverfahren.
Laut einem von Nordrhein-Westfalen (NRW) und Sachsen initiierten Beschlussvorschlag, der LTO vorliegt, halten es die Justizministerinnen und Justizminister zur Verbesserung der Transparenz für geboten, "dass Gesetzesvorlagen der Bundesregierung oder aus der Mitte des Bundestages oder des Bundesrates in der Begründung darlegen, ob und aus welchen Gründen das Gesetz einer Zustimmung des Bundesrates bedarf bzw. nicht bedarf".
Aus Sicht der Länder sei derzeit im Bundesratsverfahren oder bei der vorausgehenden Länderbeteiligung nach § 47 Abs.1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) "vielfach nicht oder nicht klar genug erkennbar, mit welchen Erwägungen die Bundesregierung in ihrem Entwurf eine Zustimmungspflicht bejaht oder verneint hat". Die aktuelle Praxis sei, so heißt es in der JuMiKo-Vorlage, auch wegen der häufig nur kurzen Fristen zur Stellungnahme insgesamt nicht zufriedenstellend.
Appell an Marco Buschmann
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) müsse daher darauf hinwirken, dass bei Gesetzesvorlagen der Bundesregierung die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit regelmäßig in der Gesetzesbegründung dargestellt werde. Zur Not müsse eben auch die GGO entsprechend geändert werden. Dass der Antrag auf der JuMiKo am 5./6. Juni eine Mehrheit bekommen wird, ist wahrscheinlich. Im zuständigen, die Tagesordnung der JuMiKo vorbereitenden Fachausschuss votierten alles 16 Länder für eine entsprechende Änderung.
Nach der derzeitigen Praxis weisen Gesetzentwürfe lediglich in ihrer Eingangsformel aus, ob das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf oder nicht. In der Gesetzesbegründung finden sich dagegen regelmäßig keine näheren Ausführungen dazu, aus welchen Gründen und auf welcher verfassungsrechtlichen Grundlage ein Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf oder eben nicht. Dies gelte insbesondere für Gesetzesvorlagen der Bundesregierung, monieren die Justizressorts.
Aktuell nur Ausführungen zur Gesetzgebungskompetenz
Tatsächlich ist es so, dass Gesetze lediglich im Allgemeinen Begründungsteil Ausführungen zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes enthalten (§ 43 Absatz 2 GGO), nicht aber solche zur Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes. Dies verbietet § 43 Absatz 4 Satz 1 GGO sogar ausdrücklich. Eine Ausnahme gilt nur in den Fällen des Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG, d.h. wenn der Bund im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz Bundesoberbehörden, neue bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten errichtet, sowie in Begründungen zu Vertragstexten. Die maßgeblichen Zustimmungstatbestände, von denen im GG über 60 zu finden sind, werden – ohne weitere Begründung – erst in der abschließenden Beschlussdrucksache des Bundesrates aufgeführt. "Damit bleibt eine wesentliche Vorgabe bzw. Weichenstellung im Gesetzgebungsverfahren weitgehend intransparent", kritisieren nun die Länder.
Um diesem Missstand abzuhelfen, schlagen die Justizressorts aus NRW und Sachsen vor, in jedem Gesetz die Gründe zur Beteiligungsform des Bundesrates präzise dazulegen. "Aus Gründen der Transparenz, der gegenseitigen Rücksichtnahme und der Organtreue", wie es in der Vorlage heißt.
NRW-Justizminister: "Bund sollte für Transparenz sorgen"
Aus Sicht der beiden Ressorts sollten die entsprechenden Ausführungen "vorzugswürdig" im Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung vor oder nach den Ausführungen zur Gesetzgebungskompetenz (§ 43 Abs. 2 GGO) geschehen. "Soweit die Zustimmungsbedürftigkeit bejaht wird, sollte die Begründung die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Zustimmungstatbestände nennen und ggf. erläutern. Wird eine Zustimmungsbedürftigkeit dagegen verneint, sollten – soweit im Einzelfall angezeigt – jedenfalls naheliegende Zustimmungstatbestände genannt und knapp erläutert werden, warum diese nicht eingreifen." Der Bundesminister der Justiz müsse ggf. auch auf eine Änderung von § 43 Abs. 4 GGO hinwirken.
NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Bündnis 90/Die Grünen) erläutert gegenüber LTO: "Die richtige Abgrenzung zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetz liegt häufig nicht klar auf der Hand. Schon eine Vorschrift kann dazu führen, dass das Gesetz zustimmungspflichtig wird. Wird eine Weiche falsch gestellt, entgleist das ganze Gesetz. Der Bund sollte es in seinen Gesetzesvorlagen daher transparent machen, dass er richtigen Weg gewählt hat. Das erleichtert den Ländern nicht nur die Arbeit, sondern sichert am Ende die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes."
Streit u.a. beim Cannabisgesetz
Als Beispiele, in der die Problematik zu Tage trete, nennt Limbachs Haus u.a. das kürzlich beschlossene Cannabisgesetz. Hier kam es bezüglich der Zustimmungsbedürftigkeit zum Konflikt zwischen Bund und Ländern. Die Bundesregierung qualifizierte das Gesetz ohne nähere Begründung als bloßes Einspruchsgesetz. In ihren Empfehlungen sahen die Ausschüsse des Bundesrates das Gesetz jedoch als zustimmungsbedürftig an, denn das CanG habe zuvor zustimmungsbedürftige Gesetze geändert. Am Ende setzte sich die Bundesregierung durch, auch ein Bundestagsgutachten bestätigte ihre Auffassung.
Noch unklar ist derzeit die Lage beim Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz (BT-Drs. 20/9648). Der Entwurf der Bundesregierung geht ausweislich der Eingangsformel nicht von einer Zustimmungsbedürftigkeit aus (BT-Drs. 20/9648, S. 9, Anlage 3). Anders sieht es der Bundesrat. Wie der Streit hier ausgeht, ist noch offen.
Staatsrechtler sind geteilter Meinung
Unterdessen bewerten von LTO befragte Staatsrechtler das Ansinnen der Landesjustizminister unterschiedlich. Aus Sicht des Berliner Verfassungsrechtlers Prof. Alexander Thiele sei der Vorschlag sinnvoll. Die Frage, ob ein Gesetz zustimmungsbedürftig ist, sei oft nicht leicht zu beantworten, sie müsse aber frühzeitig und nicht und unter erheblichem Zeitdruck behandelt werden. "Gerade weil das Gesetzgebungsverfahren – etwa im Hinblick auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses – jeweils anders ausgestaltet ist, wird sich auch die Bundesregierung schon von Anfang an Gedanken dazu machen müssen – nicht zuletzt deshalb, weil diese Frage durchaus umstritten sein kann und in einem möglichen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht die Nichtigerklärung droht, wenn eine Zustimmungsbedürftigkeit übersehen wird."
Thiele weist zudem darauf hin, dass nach der (umstrittenen) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeit bestehe, ein zustimmungsbedürftiges Gesetz in zwei Teile (also in ein Einspruchsgesetz und ein Zustimmungsgesetz) aufzuspalten. "Auch vor diesem Hintergrund sollte die Auffassung der Bundesregierung zur Frage der Zustimmungspflicht möglichst frühzeitig in den Gesetzgebungsprozess eingespeist werden."
Weniger Zuspruch findet die JuMiKo-Initiative hingegen bei Verfassungsrechtler Prof. Ulrich Battis. Aus Sicht der Länder sei das Anliegen zwar verständlich, der Bundesregierung könne er aber nicht empfehlen, es aufzugreifen. Eben wegen der Möglichkeit, ein Gesetz später unter Umständen aufzuspalten, würde die Bundesregierung gleich zu Beginn eines Gesetzgebungsverfahren ihren politischen Gestaltungsprozess unnötig verkürzen, so Battis. Der Staatsrechtler warnte auch vor möglichen Änderungen in der Geschäftsordnung der Bundesministerien. "Ein Machtmittel gibt man nicht fahrlässig aus der Hand."
Zustimmungsbedürftig oder nicht?: . In: Legal Tribune Online, 28.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54642 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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