Vor gut zwei Jahren hat der Gesetzgeber Anbau und Vermarktung von Cannabis reguliert. Wie weit wir sind und welche Probleme es gibt, erläutern Gunnar Sachs und Ann-Cathrin Bergstedt.
Cannabis ist in Deutschland nicht mehr umfassend verboten: Mit Verabschiedung des sogenannten "Cannabis-Gesetzes" im März 2017 wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vermarktung von Cannabis in Deutschland liberalisiert und die Verwendung der Pflanze zu bestimmten medizinischen Zwecken legalisiert. Auch für Konsumgüter wie Kosmetika und Lebensmittel einschließlich Nahrungsergänzungsmitteln könnte Cannabis theoretisch verwendet werden – doch ist die Vermarktung auch erlaubt?
Ein Blick auf die Cannabispflanze macht deutlich: Aus den diversen Bestandteilen können unterschiedliche Gesundheitsprodukte oder Konsumgüter hergestellt werden – und zwar aus den Stielen, den Samen, den Blättern und den Blüten. Eine eigene Rolle spielen darüber hinaus die rund 100 Cannabinoide, die als psychoaktive Substanzen entweder direkt aus der Pflanze oder synthetisch gewonnen werden können. Dabei sind insbesondere Tetrahydrocannabinol ("THC") und Cannabidiol ("CBD") von Bedeutung. Und je nach genutztem Bestandteil der Pflanze und Ziel der Verwendung ist die Verarbeitung erlaubt – oder eben nicht.
Blüten zur Inhalation direkt vom Apotheker
Im Arzneimittelbereich kann Cannabis grundsätzlich sowohl in Fertigarzneimitteln als auch in Rezeptur- und Defekturarzneimitteln verwendet werden. „Fertig“ ist das, was direkt vom Pharmakonzern in die Apotheken kommt und einer Arzneimittelzulassung bedarf. Rezepturarzneimittel werden nach ärztlicher Verschreibung oder auf Verlangen eines Patienten von Apothekern individuell zubereitet, wohingegen Defekturarzneimittel in Apotheken mit bis zu 100 Packungen täglich hergestellt werden dürfen. Einer Herstellungserlaubnis oder Arzneimittelzulassung bedarf es in beiden Varianten nicht. Voraussetzung ist hier jedoch, dass der wesentliche Herstellungsschritt in der Apotheke vollzogen wird.
Schon den großen Pharmakonzernen fällt es nicht leicht, die für die arzneimittelrechtliche Zulassung von Fertigarzneimitteln notwendigen Wirksamkeitsnachweise zu erbringen. Zurzeit sind in Deutschland daher erst zwei Produkte auf dem Markt, die Cannabinoid-basierte Wirkstoffe enthalten.
Das von der Bundesvereinigung Deutscher Apotheker veröffentlichte Neue Rezeptur Formularium sieht eine Reihe von Zubereitungen mit medizinischem Cannabis für die Apotheker vor, also in Rezeptur- und Defekturarzneimitteln. Dort werden unter anderem Cannabis-Blüten für Präparate zur Inhalation verwendet. Allerdings besteht noch eine gewisse Rechtsunsicherheit, ob der wesentliche Herstellungsschritt bei einigen der Zubereitungen tatsächlich vom Apotheker vorgenommen wird und insofern wirklich ein Rezeptur- oder Defekturarzneimittel vorliegt. Gleichwohl werden entsprechende Zubereitungen in den Apotheken aber schon abgegeben.
Zu berücksichtigen bleibt ferner, dass CBD der Arzneimittelverschreibungsverordnung unterfällt und diese Arzneimittel folglich verschreibungspflichtig sind.
Hanfsamen im Müsli
Bei Cannabis spielt neben den spezifischen regulatorischen Anforderungen der jeweiligen Produktkategorie natürlich immer das Betäubungsmittelrecht eine Rolle – und das gilt auch, wenn man Produkte verkehrsfähig machen möchte.
Kosmetika, die grundsätzlich frei verkäuflich sind, dürfen zum Beispiel keine Betäubungsmittel im Sinne des UN-Einheitsabkommens über Suchtstoffe enthalten. Dieses Abkommen erfasst prinzipiell auch Cannabis, dessen Extrakte und Tinkturen sowie Cannabisharz. Die Samen und Blätter der Cannabispflanze sind jedoch nicht erfasst und können daher grundsätzlich für die Herstellung von Kosmetika wie Cremes oder Seifen verwendet werden.
Auch Lebensmittel sowie Nahrungsergänzungsmittel dürfen für die Konsumenten keine gesundheitlichen Risiken begründen und keine unzulässigen Betäubungsmittel enthalten. In Deutschland wird dies mit dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln ("BtMG") reguliert. Da beispielsweise die Samen der Cannabispflanze jedoch vom BtMG ausgenommen sind - sofern sie nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt sind - dürfen sie grundsätzlich für Lebensmittel genutzt werden. So finden sich in den Supermarktregalen mittlerweile viele Müslis, die mit Hanfsamen angereichert sind.
Rauschzwecke sind ausgeschlossen
Die übrigen Bestandteile der Cannabispflanze, insbesondere die Blüten, unterfallen nur dann nicht dem BtMG, wenn es sich um Nutzhanf handelt. Dafür muss entweder die Cannabispflanze aus dem Anbau mit zertifiziertem Saatgut stammen oder der THC-Gehalt darf 0,2 Prozent nicht übersteigen. Außerdem darf der Verkehr mit diesen Bestandteilen jeweils ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dienen, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen. Für cannabishaltige Lebensmittel hat darüber hinaus das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin THC-Richtwerte verabschiedet.
Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob der für Nutzhanf notwendige gewerbliche oder wissenschaftliche Zweck, der den Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließt, nur beim Verkäufer oder auch beim Käufer und Endverbraucher gegeben sein muss. Die Rechtsprechung vertritt die letztgenannte Ansicht und weist darauf hin, dass die Ausnahmebestimmung im BtMG unter anderem das Marktpotential des Rohstoffes Hanf und dessen Verwendungsmöglichkeiten zur industriellen Nutzung regeln soll. Es geht also nicht darum, die Bevölkerung mit THC-schwachen Zubereitungen zu Konsumzwecken zu versorgen.
Dies steht auch im Einklang mit der Gesetzesbegründung. Danach sollen THC-arme Cannabissorten zwar als Rohstoffe für Textilien, Kosmetika oder Dämmstoffe, nicht aber für die Zubereitung von Lebens- oder Genussmitteln verwendbar sein. Folglich wäre die Verwendung von Nutzhanf in Lebensmitteln einschließlich Nahrungsergänzungsmitteln derzeit wohl nicht von der Ausnahmebestimmung des BtMG gedeckt. Dennoch gibt es bereits Stimmen, die vertreten, auch Lebensmittel unter die Ausnahmeregelung zu subsumieren, wenn das Endprodukt nachweislich ungefährlich ist.
Öle und Cremes mit CBD
Für Produkte, die CBD enthalten, gelten wiederrum andere Regeln. Die Verwendung von CBD in Konsumgütern erfährt derzeit einen wahren Hype, online können Verbraucher zahlreiche CBD-Öle, -Cremes und -Lotionen erwerben. Für die Zulässigkeit der Verwendung in Kosmetika kommt es vor allem darauf an, aus welchem Bestandteil der Pflanze das CBD gewonnen wird.
Bei Lebensmitteln gestaltet sich die rechtliche Bewertung schwieriger. Aus Sicht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sollen CBD-haltige Lebensmittel einschließlich Nahrungsergänzungsmittel derzeit noch nicht verkehrsfähig sein, da entsprechende Produkte der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel unterfielen, die vor dem erstmaligen Inverkehrbringen grundsätzlich einer gesundheitlichen Bewertung unterzogen und zugelassen werden müssten. Bei hohen CBD-Konzentrationen sei – je nach Wirkung oder Aufmachung der Produkte – sogar eine Einordnung als verschreibungspflichtiges Arzneimittel in Betracht zu ziehen. Klar geregelt ist aber auch diese Frage nicht. Zeitnah dürften der Gesetzgeber, Behörden und Gerichte für mehr Klarheit sorgen.
Cannabis-haltige Gesundheitsprodukte und Konsumgüter erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit. Dabei sehen sich die Anbieter aber vielen unterschiedlichen Regularien ebenso wie weiterhin vielen Rechtsunsicherheiten ausgesetzt. Aufgrund der wachsenden Nachfrage und des damit ebenfalls steigenden Angebots Cannabis-haltiger Produktneuentwicklungen wird zeitnah sowohl mit gesetzgeberischen Reaktionen als auch mit behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen zu rechnen sein, die mehr Klarheit bringen dürften.
Die Autoren Dr. Gunnar Sachs und Ann-Cathrin Bergstedt sind Partner und Associate in der Corporate/Healthcare Gruppe von Clifford Chance.
Cannabis in Medizin und Konsumgütern: . In: Legal Tribune Online, 05.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36321 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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