Wenn sich Katarina Barley im Mai nach Europa verabschiedet, dürfte das Ministerium wohl auch wieder von einer Frau übernommen werden. Drei Kandidatinnen stehen in der engeren Auswahl. Beste Karten hat eine Ministerin aus Rheinland-Pfalz.
Über die Frage, wer Katarina Barley als Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz nachfolgt, wird spekuliert, seitdem die 50-jährige SPD-Politikerin im vergangenen Oktober angekündigte hatte, ihre Partei in den Europawahlkampf zu führen. Und wie so oft wird für die Neubesetzung des Kabinettpostens in der Berliner Mohrenstraße wohl nicht nur die fachliche Qualifikation auschlaggebend sein – es geht nämlich auch um Proporz und die Frage, welchem SPD-Landesverband die (oder der) Neue angehört.
Der erste Filter, der für die engere Auswahl für die Nachfolge von Barley wohl zur Anwendung kommen dürfte, ist das Geschlecht. Politische Beobachter sind sich einig: Sollte Bundeskanzlerin Merkel keine Rundumerneuerung ihres Kabinetts vornehmen, wird die SPD für das Ministeramt für Justiz- und Verbraucherschutz wieder eine Frau vorschlagen.
Wäre das Geschlecht hingegen als Kriterium irrelevant, könnte man durchaus auch an den früheren Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann als Kandidaten denken. Oppermann, als Prädikatsjurist mit einigen Jahren Erfahrung als Verwaltungsrichter ausgestattet, war immer wieder als Bundesminister gehandelt worden, ging bislang allerdings immer leer aus. Seit Oktober 2017 ist der 64-Jährige Vizepräsident des Deutschen Bundestages.
Eva Högl
Der erste Name einer Frau, der fiel, als Barley im vergangenen Oktober das vorgezogene Ende ihrer Amtsperiode bekannt gab, war der der langjährigen Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten Eva Högl. Die 49-jährige Juristin, die drei Mal in Folge als Direktkandidatin den Wahlkreis Berlin-Mitte gewann und seit 2009 im Bundestag sitzt, wird in der Fraktion für ihren Sachverstand in der Innen-und Rechtspolitik geschätzt. Ihr Vorteil, so sagt es ein Fraktionskollege, der im Rechtsausschuss des Bundestages sitzt, sei, dass sie ohne große Einarbeitung im BMJV "sofort loslegen" könnte.
Högl äußert sich auch gegenüber den Medien immer wieder zu aktuellen Rechtsthemen, zuletzt etwa zur Mietpreisbremse. Einen für den Koalitionspartner allerdings nicht hinnehmbaren Fauxpas beging die SPD-Politikerin, die auch Mitglied im Deutschen Juristinnenbund ist, als sie sich per Twitter im vergangenen März in die Debatte zum Thema Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche (§ 219a StGB) einbrachte: Es sei ja "so schön einfach und billig" auf die SPD zu schimpfen, schrieb sie damals. Und weiter: "Wie wär's damit, mal die widerlichen 'Lebensschützer*innen' in der Union in den Blick zu nehmen und zu kritisieren?" Nachdem mehrere Unionspolitiker – unter anderem auch die CDU-Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer – ob dieser Äußerungen äußerst empört reagierten, löschte Högl den Tweet wieder und entschuldigte sich: "Ich habe heute einen sehr emotionalen Tweet gelöscht, dessen Aussage ich damit zurücknehme. Es liegt mir fern mit pauschalen Zuweisungen Einzelne persönlich zu beleidigen."
Ob die Union vor diesem Hintergrund Högl als Justizministerin akzeptieren würde? Mit LTO möchte die Berliner SPD-Frau jedenfalls kein Hintergrundgespräch über die bald anstehende Neubesetzung des Justizministerpostens führen. Verwundern mag das nicht, denn Högl gilt in Sachen Ministerposten gewissermaßen als gebranntes Kind: So verkündete die Berliner Morgenpost im Februar 2018 schon einmal in dicken Buchtstaben den freudigen "Karrieresprung für Eva Högl" ins Bundeskabinett. Die Redaktion wusste angeblich aus gut informierter Quelle, dass Högl neue Bundesministerin für Arbeit und Soziales werden sollte. "Nach 16 Jahren die erste Bundesministerin aus Berlin", jubelte das Blatt. Doch es kam – wohl auch zur Enttäuschung Högls – anders: Erste Bundesministerin aus Berlin nach langer Zeit wurde nicht sie, sondern die damalige Bezirksbürgermeisterin aus Neu-Kölln, Franziska Giffey. Und Arbeitsminister wurde für die SPD ein Mann, Hubertus Heil.
Nancy Faeser
Und auch diesmal könnte es wieder nicht für ein Bundesministeramt für die Berlinerin reichen: Grund dafür dürften aber weniger Högls Haltung oder manchmal überschäumende Emotionen bei ihr persönlich wichtigen Themen sein. Vielmehr kommt hier der Partei-Proporz ins Spiel: Zwei Ministerinnen aus Berlin dürften in der Partei wohl kaum durchsetzbar sein.
In den Fokus rücken daher zwei andere Juristinnen aus südlicheren Landesverbänden. Eine von ihnen ist die hessische Rechtsanwältin Nancy Faeser. Die 48-Jährige ist seit 2014 Generalsekretärin der SPD in Hessen und innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion. Die Juristin gilt als fleißige und umgängliche Politikerin. Dem Vernehmen nach wird sie auch von Politikern anderer Parteien als sachkundige und faire Ansprechpartnerin geschätzt. Hätte es die SPD im vergangenen Oktober in die Regierung Hessens geschafft, wäre Faeser sicher Innenministerin geworden.
Ihr Manko im Kandidaten-Reigen für das Amt in Berlin dürfte aber ihre mangelnde bundespolitische Erfahrung sein. Dabei hätte sie die schon sammeln können, wenn es für sie 2013 anders gelaufen wäre, als ihr beinahe der Wechsel in die Bundeshauptstadt gelungen wäre. Sie war in der engeren Auswahl der Kandidaten für den Posten als Generalsekretärin, als die Bundes-SPD nach der verlorenen Wahl eine neue suchte. Sigmar Gabriel entscheid sich letztlich jedoch für Jasmin Fahimi aus Niedersachsen.
Stefanie Hubig
Als aussichtsreichste Kandidatin für das Amt als neue Chefin des BMJV gilt daher die aktuelle Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz, Stefanie Hubig. Die 50-jährige frühere Staatsanwältin und Richterin hat gegenüber allen Mitbewerberinnen einen klaren Vorteil: Sie kennt das BMJV so gut wie kaum eine andere.
Bereits im Jahr 2000 begann Hubig dort als Referentin erst in der Abteilung für Zivilrecht und dann im Büro der damaligen Bundesjustizministerin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin. Später arbeitete sie als stellvertretende Leiterin des Büros von Justizministerin Brigitte Zypries. Im Jahr 2005 wurde ihr die Leitung des Referats "Kabinett- und Parlamentsangelegenheiten, Grundsatzfragen des Gesetzgebungsprogramms, Planung und Koordinierung" im BMJV übertragen. Und nachdem sie ab 2008 für einige Jahre im Mainzer Justizministerium unter anderem die Abteilung Strafrecht leitete, holte sie Barleys Vorgänger, Heiko Maas, im Jahr 2013 als Staatssekretärin zurück ins BMJV – bis sie dann im Mai 2016 von der rheinländischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer zur Ministerin für Bildung ernannt wurde.
Einige Wochen nach Amtsantritt in Mainz musste sich Hubig allerdings gegen Verdächtigungen verwahren, sie habe 2015 in ihrer Zeit als Staatssekretärin im BMJV im Zusammenhang mit der Entlassung von Generalbundesanwalt Harald Range gelogen. Range war von Bundesjustizminister Maas geschasst worden, weil er von einem "unerträglichen Eingriff in die Justiz" gesprochen hatte.
Wie man hört, erfüllt Hubig in Mainz ihre Aufgabe als Ministerin zwar mit Engagement – aber doch eher ohne die ganz großen Akzente, wie Bildungsexperten aus Rheinland-Pfalz berichten. "Sie macht ihren Job sehr solide, aber man merkt ihr doch auch immer wieder an, dass sie nicht aus der Bildungspolitik kommt", sagt ein Vorstandsmitglied der rheinland-pfälzischen Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Gespräch mit LTO. Und auch wenn Hubig von jedem, mit dem man in Mainz spricht, als Bildungsministerin großer Fleiß und vorbildliche Dialogbereitschaft attestiert wird – durchaus möglich, dass für die promovierte Juristin bald die Arbeit mit Kitas und Grundschulen der Vergangenheit angehört. Der Wechsel ins BMJV dürfte ihr jedenfalls schnell gelingen.
Nachfolge von Katarina Barley: . In: Legal Tribune Online, 04.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33011 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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