Ab dem 1. August müssen Beschäftigte ihre Arbeitsbedingungen in Papierform erhalten. Kritiker sehen einen Rückschritt bei der Digitalisierung. Das BMAS erklärt die Gründe.
Mit den Stimmen der Koalition hat der Bundestag Änderungen im Nachweisgesetz (NachwG) beschlossen. Zum 1. August werden damit die Pflichten der Arbeitgeber:innen ausgeweitet, welche Informationen über die Arbeitsbedingungen sie ihren Beschäftigten aushändigen müssen.
Das Gesetz ist seit 1995 in Kraft und setzt eine EU-Richtlinie um, nach der Beschäftigte seit dem Jahr 1991 einen Anspruch auf schriftliche Unterrichtung über wesentliche Aspekte ihres Beschäftigungsverhältnisses haben, also u.a. über die Vertragsparteien samt Anschrift, Arbeitsort und -zeit und eine kurze Beschreibung der Tätigkeit. Diese, in § 2 des Gesetzes konkret bekannten Informationen, müssen Arbeitgebende spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich festzuhalten, unterzeichnen und dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin aushändigen.
Die aktuelle Neufassung geht auf die Aktualisierung dieser Richtlinie zurück. Der Umfang der Informationspflichten für die Arbeitgebenden ist noch einmal deutlich ausgeweitet und betrifft künftig u.a. auch z.B. das einzuhaltende Verfahren bei einer Kündigung, die Dauer der Probezeit und das Enddatum bei befristeten Arbeitsverträgen.
"Digitalisierung verschlafen"?
Diese Informationen müssen auch mit der Neufassung des NachweisG den Beschäftigten schriftlich ausgehändigt werden, so ist es in § 2 NachwG nach wie vor festgeschrieben.
Dabei hätte die Richtlinie auch eine elektronische Form erlaubt. Für diese hatte sich im Gesetzgebungsverfahren beispielsweise der Bundesverband der Arbeitsrechtler in Unternehmen eingesetzt. Der wollte die Möglichkeit, die Übermittlung der Arbeitsbedingungen in elektronischer oder einfach ausdruckbarer Form zuzulassen, und fand für diesen Vorstoß viele Unterstützer.
Und die sind nach der Verabschiedung des Gesetzes mit ihrer Kritik deutlich: "Digitalisierung unter Strafe verboten", "Digitalisierung verschlafen", "Vorwärts nimmer, rückwärts immer!", "Bedenken first, digital second".
Befürworter: Verhinderung von Missbrauch
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DEGB) hingegen hat die Beibehaltung der Schriftform im Gesetzentwurf ausdrücklich begrüßt: "Dass der Entwurf die Pflicht zur schriftlichen Information für alle Arbeitsverhältnisse einführt – das ist ein wichtiger Beitrag zur Verhinderung von Missbrauch und Umgehung von Arbeitnehmer:innenrechten", heißt es in der Stellungnahme des DGB.
Auch der Bund der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit (BRA) und die Einzelsachverständigen für Arbeitsrecht hätten sich im Rahmen der öffentlichen Sachverständigenanhörung für ein vorläufiges Beibehalten der Schriftform für den arbeitgeberseitigen Nachweis ausgesprochen, sagte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) gegenüber LTO.
In der schriftlichen Stellungnahme schrieb ein Sprecher aus der Arbeitsgerichtsbarkeit, der Nachweis in elektronischer Form könne z.B. "dann als ausreichend angesehen werden, wenn sich der Arbeitnehmer mit einem solchen Nachweis zuvor schriftlich / in Textform einverstanden erklärt hat." Er schreibt aber auch: "Gerade in modernen Unternehmen gibt es aber keine Personalakte aus Papier mehr. Die Arbeitnehmer sind heute nahezu vollständig mit Möglichkeiten zur E-Mail- und Internetnutzung vertraut."
BMAS: Bleibt alles beim Alten
Allerdings hat die Richtlinie – und damit auch die nationale Umsetzung – laut Mitteilung der Europäischen Kommission einen breiten persönlichen Anwendungsbereich. Der solle sicherstellen, dass alle Arbeitnehmer:innen "in allen Beschäftigungsverhältnissen – selbst in den flexibelsten atypischen und neuen Formen wie Null-Stunden-Verträge, Gelegenheitsarbeit, Hausarbeit, Arbeit auf der Grundlage von Gutscheinen oder Arbeit über Plattformen – in den Genuss dieser Rechte kommen", heißt es dort.
"Beim Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen ist die Schriftform derzeit noch nicht verzichtbar", äußert das BMAS gegenüber LTO. "Denn der Nachweis muss für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die gerade keinen schriftlichen Arbeitsvertrag haben, einfach zu handhaben, beweiskräftig und zur Not auch ohne Anwalt in gerichtliche Verfahren einzubringen sein. Dies ist bei Nutzung der elektronischen Form durch den Arbeitgeber derzeit noch nicht gegeben. Es bleibt daher bei der derzeitigen Rechtslage."
Das BMAS macht aber Hoffnung für die Zukunft, wenn es mitteilt: "Sobald ein für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichermaßen einfach handhabbares elektronisches Äquivalent zur Schriftform mit gleich hohem Beweiswert nach der Zivilprozessordnung zur Verfügung steht, wird das BMAS eine Anpassung der Formvorgaben im Nachweisgesetz prüfen."
Bis dahin aber, so sagt es ein Arbeitsrechtsexperte, sei dies "ein wenig überraschendes, da sozialdemokratische Gesetz". Vielleicht seien es wenige, aber es gebe immer noch Menschen ohne mobile Endgeräte. Und manchmal gehe es um die.
BMAS bleibt bei Schriftform im NachwG: . In: Legal Tribune Online, 05.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48929 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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