Ein Vermieter kann seinem Mieter unter Umständen schnell fristlos kündigen, wenn dieser den Zutritt für dringend notwendige Instandsetzungsmaßnahmen in seiner Wohnung verweigert. Der BGH entschied am Mittwoch, dass er nicht zuerst auf Zutrittsgewährung klagen muss. Das spart viel Zeit, erklärt Dominik Schüller.
Eine Vermieterin stellte im Dachstuhl des u.a. von den beklagten Mietern bewohnten Berliner Mehrfamilienhauses den gefürchteten Hausschwamm fest. Das Dach drohte einzustürzen. Der Pilz kann ganze Häuser vernichten und gilt als gesundheitsschädlich.
Damit Notmaßnahmen durchgeführt werden konnten, zogen die Mieter in ein Hotel. Nachdem die Arbeiten beendet waren, konnten sie die Wohnung – vorläufig – wieder nutzen. Als die vermietende Gesellschaft weitere Schwammbeseitigungsmaßnahmen vornehmen wollte, verweigerten die Mieter den Zutritt.
Die Vermieterin kündigte daraufhin das Mietverhältnis und beantragte erfolgreich den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Zutritt zur Wohnung. Auch in der Hauptsache gab das Amtsgericht ihr Recht. Erst daraufhin gewährten die Mieter Zutritt, wobei es weiteren Streit um den Zutritt zum mitvermietetem Keller gab. Im Rahmen dessen sprach die Vermieterin eine weitere fristlose Kündigung aus.
BGH: schnelle Instandsetzung kann wirtschaftlich erheblich sein
Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht (LG) verneinten die Richter einen Räumungsanspruch der Vermieterin. Sie waren der Ansicht, diese hätte die Mieter zunächst gerichtlich auf Duldung in Anspruch nehmen müssen. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zutrittsgewährung hätten die Mieter nicht mit einer Kündigung rechnen müssen. Anders sei dies nur ausnahmsweise bei querulatorischem Verhalten – welches die Kammer nicht feststellte.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) beurteilt die Rechtslage anders. Der Vermieter müsse nicht erst abwarten, bis er einen Duldungstitel erstritten habe, bevor er wegen Zutrittsverweigerung kündigen könne, entschieden die Karlsruher Richter (Urt. v. 15.04.2015, Az. VIII ZR 281/13).
Der für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat wirft der Vorinstanz eine zu schematische Betrachtung vor. Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten könnten für die Mietsache und deren Wert sehr wichtig sein. Das nachvollziehbare wirtschaftliche Interesse der Vermieterin an einer schnellen Durchführung solcher Maßnahmen habe das LG nicht ausreichend berücksichtigt.
Wie wichtig und dringend ist die Instandsetzung?
Zudem sei mit dem Berufungsurteil der gesetzliche Maßstab des § 543 Abs. 1 BGB überschritten. Nach dieser Norm müssen im Einzelfall die beiderseitigen Interessen abgewogen werden. Ist es für den Vermieter unzumutbar, das Mietverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, ist er zur Kündigung berechtigt. Dies müsse, so die Bundesrichter, grundsätzlich auch für - unberechtigte - Zutrittsverweigerungen gelten.
Der BGH hat die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurück verwiesen. Eine andere Kammer des LG muss nun feststellen, welche Arbeiten erforderlich waren, wie dringend sie hätten ausgeführt werden müssen und welcher Schaden der Gesellschaft entstanden ist. Zudem muss das Gericht die beiderseitigen Interessen, Risiken und Beeinträchtigungen gegeneinander abwägen.
Es ist recht wahrscheinlich, dass die Kammer bei dieser weiteren Aufklärung zu dem Ergebnis gelangt, dass Maßnahmen gegen den Hausschwamm so wichtig und dringend waren, dass die Vermieterin berechtigt war, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen.
Weiterhin gilt: Es kommt drauf an
Die Entscheidung des BGH macht eine noch genauere Prüfung nötig, ob Mieter berechtigt sind, dem Vermieter den Zutritt zu verweigern. Grundlose Blockierer werden es nach der Entscheidung des BGH schwer haben. Die Grenze zum von den Karlsruher Richtern besonders bewerteten Querulantentum ist zudem fließend und schwer zu prognostizieren.
Ein Freifahrtschein für jede Kündigung bei mieterseitiger Zutrittsverweigerung ist die Entscheidung aber nicht. Der BGH verlangt vielmehr eine Interessenabwägung im Einzelfall.
Immerhin prozessual klärt das Urteil, dass Vermieter vor einer Kündigung und Räumungsklage nicht erst auf Duldung klagen muss. Allein das kann einen Zeitgewinn von einigen Jahren bedeuten. Der vom BGH entschiedene Fall hat jedenfalls bereits 5 Jahre gedauert - und ist noch nicht beendet.
Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Immobilienrechtskanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin. Er twittert zu immobilienrechtlichen Fragen unter https://twitter.com/ra_schueller.
Dominik Schüller, Zutritt für Hausschwamm-Beseitigung verweigert: . In: Legal Tribune Online, 16.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15258 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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