Erhalten Banken für die Vermittlung einer Kapitalanlage eine Provision, müssen sie Anleger ab August 2014 hierüber stets aufklären. Andernfalls machen sie sich schadensersatzpflichtig. Für die Vergangenheit gilt die Haftung nicht. Dafür sei die Rechtsprechung zu verworren gewesen, so der BGH. Die Aufklärungspflicht könnte bald auch freie Anlageberater treffen, meint Johannes Pitsch.
Das Anfang der Woche bekannt gewordene Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) spricht eine erfreuliche deutliche Sprache. Zumal die Rechtsprechung zu Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit Innenprovisionen bisher von Unklarheiten geprägt war.
Nun herrscht Rechtssicherheit. Banken haften nicht für eine in der Vergangenheit unterbliebene Aufklärung über ihnen unmittelbar aus dem Anlagekapital zufließende Innenprovisionen. Ab dem 1. August 2014 müssen sie ihre Kunden dagegen über derartige Innenprovisionen aufklären (Urt. v. 03.06.2014, Az. XI ZR 147/12).
Nicht nur Kleinanleger klagen
Ersichtlich um eine Vermeidung künftiger Prozesslawinen bemüht, arbeitet der BGH detailliert heraus, dass das Transparenzgebot – also die Aufklärung der Kunden über die Eigeninteressen der Banken am Abschluss des Geschäfts – im Kapitalanlagerecht nach zahlreichen Gesetzesreformen nahezu flächendeckend verankert ist. Hieraus folge, dass eine beratende Bank ihre Kunden künftig über den Empfang versteckter Innenprovisionen von Seiten Dritter unabhängig von deren Höhe aufklären muss. Diese Pflicht gelte nicht nur bei Wertpapieren und Fonds, sondern komme auch bei Grundstücken in Betracht. Empfehle die Bank wie im vorliegenden Fall einem Anleger Grundstücke zu erwerben, treffe sie die Aufklärungspflicht.
Dem Urteil lag die Klage eines Anlegers zugrunde, der nach Beratung durch sein Kreditinstitut mehrere Grundstücke, auf denen eine Projektgesellschaft ein Einkaufszentrum errichten wollte, mit einem Anlagebetrag von rund 25 Millionen Euro erworben hatte. Die Bank erhielt von den Initiatoren des Projekts eine Innenprovision von rund 700.000 Euro für die Vermittlung, die aus der eingezahlten Summe bezahlt wurde. Hiervon wusste der Kunde nichts.
Es sind also nicht immer nur Kleinanleger, die den Gang zu den Gerichten wählen. Auch vermögende Kunden wehren sich nach fehlgeschlagenen Kapitalanlagen gegen ein mögliches Fehlverhalten ihrer Bank, zumal die Finanzkrise der vergangenen Jahre für den Zusammenbruch zahlreicher geschlossener Fonds aus der Immobilien- und der Schiffsbranche gesorgt hatte.
Provision ist nicht gleich Provision
Bei Anlegerklagen wegen mangelnder Aufklärung über das Eigeninteresse war bislang stets zu prüfen, welche Fallgruppe vorliegt. Soweit es um eine mangelnde Aufklärung über sogenannte Rückvergütungen oder Kick-Backs ging, besteht seit Ende 2006 eine gefestigte Rechtsprechung des BGH zugunsten der Anleger: Sie haben grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz in Form der Rückabwicklung des Vertrags. Rückvergütungen sind nämlich in der Regel Zahlungen der Fondsgesellschaft an die Bank, von denen der Anleger nichts weiß, obwohl er am Ende derjenige ist, der die Rückvergütungen über Ausgabeaufschlägen oder jährliche Verwaltervergütungen finanziert (Urt. v. 19.12.2006, Az. XI ZR 56/05).
Demgegenüber war die Rechtslage bei Innenprovisionen, die direkt aus dem Anlagekapital finanziert werden, unter den Instanzgerichten heillos umstritten und fachte die ohnehin stark ausgeprägte Prozesslust der Deutschen im Kapitalanlagerecht zusätzlich an. Verschiedene unklare Aussagen des BGH selbst seit 2007 verschärften die Rechtsunsicherheit zusätzlich.
Die Karlsruher Richter erkennen deshalb nun ausdrücklich an, dass in der Vergangenheit eine unklare Rechtslage bestand und gestehen den Banken einen unvermeidbaren Rechtsirrtum zu. Für in der Vergangenheit nicht offengelegte Innenprovisionen müssen die Kreditinstitute daher nicht haften. Erst ab August trifft sie die Aufklärungspflicht.
Die neue Aufklärungspflicht trifft die Banken nicht unvorbereitet
Neben den hier in Rede stehenden Immobilienprojekten wird das Urteil auch auf Medien-, Schiffsfonds und Anlagezertifikate anwendbar sein. Freilich ist bei Altfällen stets im Einzelfall zu prüfen, ob eine aufklärungspflichtige Rückvergütung oder eine bloße Innenprovision vorliegt. Im Urteil nicht erwähnt und somit weiterhin nicht aufklärungspflichtig sind dagegen anfallende Gewinnmargen beim Verkauf von Anlageprodukten, die die Bank auf Vorrat eingekauft hat und anschließend nach und nach an Kunden mit Gewinn weiterverkauft.
Mit dem Urteil entscheidet Karlsruhe einen jahrelangen Richtungsstreit, die Entscheidung könnte sich auf zahlreiche noch anhängige Altprozesse auswirken. Zugleich mahnt es die Banken, künftig über alle Formen der Drittprovisionen aufzuklären. Dies dürfte für die Kreditinstitute durchaus praktikabel sein, denn sie haben ihre internen Prozesse ohnehin an das sich wandelnde und verschärfte Aufsichtsrecht angepasst.
Keine ausdrückliche Aussage trifft das Urteil demgegenüber für die künftige Haftung von freien Anlageberatern. Vieles spricht dafür, dass die Gerichte – anders als bislang – künftig auch sie im Fall einer mangelnden Aufklärung über Innenprovisionen zu Schadensersatz verurteilen werden.
Der Autor Johannes Pitsch ist als Rechtsanwalt der Sozietät RellermeyerPartner in Düsseldorf mit einem Schwerpunkt im Bankrecht tätig.
BGH zu Aufklärung über Innenprovisionen: . In: Legal Tribune Online, 18.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12614 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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