Leicht hat man's nicht als Raucher. In Bars und Restaurants ist die Qualmerei längst verboten, vergangenes Jahr bestätigten die Gerichte gar die Kündigung eines Mieters wegen Zigarettenkonsum in der eigenen Wohnung. Am Freitag hatte der BGH über Mieter zu entscheiden, die extra auf den Balkon gingen, um ihrem Laster zu frönen – doch auch das soll noch nicht unbedingt reichen. Von Dominik Schüller.
Zu entscheiden hatte der Bundesgerichtshof (BGH) einen Streit zwischen Mietern, die in über- bzw. untereinander gelegenen Wohnungen eines Mehrfamilienhauses leben. Da die Mieter der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung Raucher, die über ihnen wohnenden Nachbarn hingegen Nichtraucher sind, wurden die heraufziehenden Rauchschwaden zum Zankapfel zwischen den Parteien.
Die Nichtraucher fühlten sich vom Geruch gestört und befürchteten Gesundheitsschäden durch das Passivrauchen. Sie haben vor den Instanzgerichten verlangt, dass den Nachbarn das Rauchen zu festgelegten Zeiten auf dem unter ihrer Wohnung gelegenen Balkon untersagt wird.
Grundrecht auf Rauchen
Die Kläger hatten sich unter anderem auf Besitzschutz nach § 906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berufen. Dieser kann nach einer früheren Entscheidung des BGH auch zwischen Mietern Anwendung finden (Urt. v. 12.12.2003, Az.: V ZR 180/03).
Sowohl das Amts- als auch das Landgericht waren der Auffassung, dass das verlangte Rauchverbot nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Das Recht auf Rauchen – insbesondere in der eigenen Wohnung – sei Ausdruck der in Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Freiheit der Lebensführung. Staatliche Vorgaben dazu, wann und wo die Beklagten rauchen dürften, seien daher im Bereich ihrer Wohnung nicht möglich. Rauchen in einer Mietwohnung gehöre grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch. Anderes könne nur gelten, wenn die Parteien eine abweichende Regelung im Mietvertrag getroffen hätten.
Auch einen Unterlassungsanspruch auf dem Nachbarbalkon wegen Gefährdung der Gesundheit hat das Landgericht Potsdam verneint. Dasselbe gilt für den Anspruch aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit Treu und Glauben.
BGH auf Seiten der Nichtraucher
Der Grundstückssenat des BGH hat nun in wesentlichen Punkten anders entschieden, den Streit jedoch an das Landgericht zurückverwiesen, da noch tatsächliche Feststellungen zu treffen waren.
Nach dem Urteil des BGH haben Mieter bei besitzstörenden Immissionen, wozu auch Tabakrauch zählt, grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch (Urt. v. 16.01.2015, Az. V ZR 110/14). Dass der Vermieter das Rauchen im Regelfall vertraglich nicht untersagt habe, ändere nichts an den Rechten des beeinträchtigten Nachbarn.
Entscheidend sei jedoch der Grad der Geruchsbelästigung im Einzelfall aus der Sicht eines objektiven Dritten. Wenn die Beeinträchtigung wesentlich sei, müssten die kollidierenden Interessen der Mietparteien gegeneinander abgewogen werden. Ein Ausgleich dieser Interessen ist nach Ansicht des V. Zivilsenats im Regelfall durch eine Gebrauchsregelung nach Zeitabschnitten zu erreichen.
Wenn die Geruchsbelästigungen hingegen unerheblich sind, so ist eine derartige Abwägung nicht geboten und ein Unterlassungsanspruch scheidet aus. Etwas anderes soll nur gelten, wenn der Nichtraucher eine konkrete Gefährdung seiner Gesundheit darlegen kann. Das Nichtraucherschutzgesetz entfalte jedoch Indizwirkung in die gegenteilige Richtung, weil danach das Rauchen im Freien gerade erlaubt sei. Wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung im Einzelfall dennoch nachgewiesen werde, so sei der Konflikt wiederum über eine Gebrauchsregelung nach Zeitabschnitten zu lösen.
Für die Feststellung der Wesentlichkeit und ggf. der Gesundheitsbeeinträchtigung hat der BGH an das Berufungsgericht zurück verwiesen.
Salomonische Entscheidung
Der Streit zwischen den Parteien geht weiter. Der BGH hat jedoch die Weichen für zukünftige Fälle bereits gestellt und vertritt eine salomonische Auffassung. Der Mieter darf auch auf dem Balkon seinem Laster frönen, solange sich andere Mieter nicht – nachvollziehbar – wesentlich gestört fühlen. Kommt es zu wesentlichen Störungen, müssten sich die Nachbarn über bestimmte Raucher-/Nichtraucherzeiten einigen. Die konkrete Ausgestaltung bleibt dabei den Instanzgerichten vorbehalten. Sind die Störungen hingegen unwesentlich, wird auch der Nachweis einer Gesundheitsbeeinträchtigung wohl nur selten gelingen.
Da es sich um zwei divergierende Grundrechte handelt, ist die Entscheidung richtig. Die Abwägung der grundrechtlichen Interessen im Einzelfall kann und muss durch die Amtsgerichte getroffen werden.
Mietrechtliche Konsequenz
Der Streit wurde unmittelbar zwischen den betroffenen Mietern ausgetragen. In ähnlichen Konstellationen wird die Klage jedoch häufig gegen den Vermieter geführt, wenn Mieter wegen rauchender Nachbarn Mietminderung verlangen. Auch diese Situation ist rechtlich umstritten. So sieht die 67. Kammer des Landgerichts Berlin das exzessive Rauchen auf dem Nachbarbalkon als Mietmangel an (Urt. v. 30.04.2013, Az.: 67 S 307/12). Eine andere Kammer desselben Landgerichts vertritt hingegen die Gegenauffassung (Beschl. v. 03.03.2009, Az.: 63 S 470/08).
Und noch in einem weiteren Verfahren muss der BGH sich mit rauchenden Mietern befassen. Der Fall von Friedhelm Adolfs, dem im Alter von 75 Jahren wegen übermäßigen Zigarettenkonsums gekündigt worden war, hatte bereits im vergangenen Jahr Schlagzeilen geschrieben. Der BGH hat sein Urteil – ausgerechnet – für den Aschermittwoch angekündigt.
Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Immobilienrechtskanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin.
Dominik Schüller, BGH stärkt Nichtraucherschutz: . In: Legal Tribune Online, 16.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14404 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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