Die Staatengemeinschaft kann sich noch nicht auf eine faire Steuer für Internetriesen wie Google oder Facebook einigen. Zuletzt funkten die USA dazwischen. Sebastian Benz mit einem Überblick über den aktuellen Stand der Debatte.
Die G20-Staaten beschäftigen sich - mit fachlicher Hilfe durch die OECD - bereits seit längerem damit, wie multilaterale Konzerne ihre Steuerlasten durch rechtliche Gestaltungen verringern. Ausgangspunkt der zahlreichen Maßnahmen gegen diese Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS), die mittlerweile beschlossen sind, waren künstliche Gestaltungen der US-amerikanischen Digitalunternehmen. Dennoch hat es die US-Regierung in der Vergangenheit geschafft zu vermeiden, dass diese Unternehmen außerhalb der USA besteuert werden.
Aufgrund des Drucks der Europäer, insbesondere der Hartnäckigkeit des vormaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU), wurde das BEPS-Mandat der OECD/G20 fortgeführt, und zwar mit dem Hauptzweck, eine faire Verteilung der Steuereinnahmen von digitalen Unternehmen zu erreichen.
Auch Schwellenländern wollen etwas vom Kuchen abhaben
Sehr schnell sahen sich die Vertreter der nationalen Finanzverwaltungen, die im Rahmen der OECD als "Inclusive Framework on BEPS" tagen, zusätzlichen Herausforderungen ausgesetzt. Die USA auf der einen Seite haben das Interesse, nichts an der bestehenden Steuerrechtsarchitektur zu verändern. Die europäischen Länder auf der anderen Seite wollen an den Steuereinnahmen von Google, Apple, Facebook und Amazon, den sogenannten GAFAs, teilhaben, ohne selbst auf Steuereinnahmen zu verzichten.
Dazu trat nun eine Forderung der Schwellenländer. Diese möchten durchsetzen, dass die Industrieländer Steuereinnahmen an sie abgeben, wenn Unternehmen von dort bei ihnen Umsätze tätigen.
Viele offene Fragen, aber noch keine Entscheidung
Im Laufe des Jahres 2019 entwickelte sich dann ein gemeinsames Verständnis unter den Finanzverwaltungen aus mittlerweile 137 Ländern, die an den Verhandlungen teilnehmen: Die weiteren Arbeiten sollten unter zwei Säulen fortgeführt werden. Unter Säule 1 sollte überlegt werden, wie man ein Unternehmen, das eine physische Präsenz in einem anderen Land hat, überhaupt besteuern kann. Denn bislang gilt das Betriebsstättenprinzip: Soll ein Unternehmen im jeweiligen Land Steuern zahlen, muss es dort auch physisch präsent sein.
Unter Säule 2 wollte man sich darüber hinaus einigen, wie eine gewisse Mindestbesteuerung über die bestehenden BEPS-Maßnahmen hinaus sichergestellt werden kann. Es wurde vorgeschlagen, eine neue Steuer einzuführen, die GloBE (Global Anti-BEPS) Tax.
Eine politische Einigung sollte bis Ende Januar 2020 gefunden werden, detaillierte Regelungen wollte man bis Ende 2020 ausarbeiten. Was hat sich nun bis Ende Januar 2020 tatsächlich getan? Nicht so viel, wie erhofft: Das Inclusive Framework der OECD hat auf seiner Sitzung Ende Januar 2020 lediglich einen weiteren Zwischenbericht verabschiedet. Politische Entscheidungen wurden, anders als geplant, nicht getroffen. Zu viele Fragen sind noch offen.
Staaten sollen sich die Steuer teilen
In dem Zwischenbericht wird zu Säule 1 festgehalten, dass der bereits im vergangenen Jahr diskutierte Unified Approach Grundlage der weiteren Überlegungen sein soll. Dieser Ansatz betrifft multinationale Unternehmen mit einem gewissen Mindestumsatz - z.B. die bereits aus dem BEPS-Projekt bekannten 750 Millionen Euro -, sofern sie entweder automatisierte digitale Dienstleistungen grenzüberschreitend an eine Vielzahl von Nutzern erbringen oder grenzüberschreitende Verkäufe oder Dienstleistungen an Endverbraucher tätigen.
Darunter fallen dem Zwischenbericht zufolge auch Unternehmen, die eine Marke oder andere immaterielle Wirtschaftsgüter entgeltlich überlassen, wenn diese für einen Verkauf oder eine Dienstleistung an Endverbraucher eingesetzt werden. Das könnte etwa der Fall sein, wenn eine Hotelmarke überlassen wird. All diese Unternehmen sollen von einem neuen Steuerzugriff erfasst werden.
Technisch soll der Steuerzugriff erfolgen, indem ein sogenannter Amount A auf die beteiligten Staaten verteilt und besteuert wird. Der Amount A stellt den Residualgewinn dar, also den Gewinn, den ein Unternehmen nach Abzug aller Kosten einschließlich der Vertriebskosten hat. Derzeit wird dieser Residualgewinn noch ungeschmälert durch den Staat besteuert, in dem das Unternehmen ansässig ist. Künftig soll er aber auch in den Staaten der Besteuerung unterliegen, in denen das Unternehmen digital Leistungen erbringt oder in die es liefert bzw. sonstige Leistungen erbringt. Die Aufteilung des Amount A soll nach einer Formel erfolgen.
Pauschale Gewinnermittlung statt Fremdvergleich
Neu ist, dass es neben dem Amount A auch einen Amount B geben soll. Dabei wird einer Betriebsstätte in einem Land, die dort für den Vertrieb zuständig ist, ein Teil des Unternehmensgewinns zugewiesen. Bislang ermittelt man diesen Gewinnanteil auf der Grundlage des Fremdvergleichs, was teilweise streitig ist. Künftig soll dies durch eine pauschale Gewinnermittlung ersetzt werden.
Soweit die Vertriebsbetriebsstätte normale Vertriebstätigkeiten ausübt, also sogenannte Routinefunktionen übernimmt, soll die pauschale Gewinnermittlung ebenfalls auf der Grundlage einer Formel erfolgen. Ziel ist, unnötige Streitigkeiten zwischen den beteiligten Fisci zu vermeiden. Weist das Unternehmen nach, dass der Gewinnanteil seiner Vertriebsbetriebsstätte aufgrund des Fremdvergleichsmaßstabs höher oder niedriger als der pauschalierte Amount B ist, kann der so ermittelte Gewinnanteil als Amount C angesetzt werden.
Zahlreiche Detailfragen sollen nun im ersten Halbjahr 2020 weiter diskutiert werden. Hierzu zählt unter anderem, wie insbesondere bei Verkäufen und Leistungen nicht-digitaler Produkte an Endverbraucher der genaue Anknüpfungspunkt für Steuern aussehen könnte. Ebenfalls ist noch ungeklärt, wie genau die Formeln für den Amount A und den Amount B ausgestaltet werden sollen und wie Doppelbesteuerungen vermieden werden können. Bis zu der Sitzung des Inclusive Framework Anfang Juli in Berlin sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.
US-Vorschlag zum Safe Harbour konterkariert die Pläne
Eine wesentliche offene Frage ist auch der Safe Harbour, den der US-Finanzminister Steven Mnuchin vorgeschlagen hat. Demnach sollen Unternehmen freiwillig das neue Besteuerungssystem wählen dürfen. Eine Freiwilligkeit könnte aber den Sinn des neuen Systems konterkarieren, denn jedes US-Digitalunternehmen wäre wohl bessergestellt, nicht dafür zu optieren. Die US-Regierung argumentiert aber, dass viele GAFAs das neue System wählen würden, da damit nicht nur eine Aufteilung der Steuereinnahmen verbunden sein sollen, sondern eine Doppelbesteuerung garantiert vermieden wird. Denn der Unified Approach soll mit einer verbindlichen Streitschlichtung zwischen den beteiligten Ländern verbunden werden.
Widerstand gegen diese Freiwilligkeit dürfte trotzdem aus den europäischen Staaten kommen, die nationale Digitalsteuern eingeführt haben. Es wird ein großer Punkt in der weiteren Diskussion sein, ob die Länder bereit sind, Unternehmen, die nicht für das neue Besteuerungssystem optieren, von diesen nationalen Steuern auszunehmen.
GloBE Tax mit vier Elementen
Auch für die Säule 2 müssen bis Juli 2020 noch weitere Details besprochen werden, bevor eine politische Einigung erzielt werden kann. Festgehalten wird aber an den vier Elementen der GloBE Tax: Erstens soll es eine erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung für alle niedrig besteuerten Einkünfte geben - unabhängig davon, ob sie aktiv oder passiv im Sinne des deutschen Außensteuergesetzes sind.
Geplant ist zweitens eine sogenannte Switch-over-Regelung für Betriebsstätteneinkünfte, die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen freigestellt sind. Das heißt, dass die Einkünfte künftig im Stammhausland mit einem Mindeststeuersatz besteuert werden - wobei dabei die Steuer angerechnet wird, die das Unternehmen in dem Land zahlt, in der sich die ausländische Betriebsstätte befindet. Vorgesehen ist drittens ein partielles Betriebsausgabenabzugsverbot, nämlich soweit bestimmte Zahlungen an eine ausländische Konzerngesellschaft im Empfängerstaat nicht einer Mindeststeuer unterliegen. Viertens sollen die Staaten mit einer Subject to tax-Regel das Recht erhalten, auf solche Zahlungen eine Quellensteuer zu erheben.
Es bleibt spannend, ob sich die Staatengemeinschaft 2020 auf das neue, weltweit einheitlich geltende Konzept der Besteuerung einigen können, dass dann den - zumindest vorläufigen - Schlusspunkt der BEPS-Bemühungen der Staatengemeinschaft darstellen dürfte.
Der Autor Dr. Sebastian Benz ist Steuerrechtler und Partner bei Linklaters in Düsseldorf.
G20-Pläne zur Besteuerung großer Digitalunternehmen: . In: Legal Tribune Online, 13.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40269 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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