In der elektrisch betriebenen Version hat der Smart seine Bestimmung gefunden. Leider ist die Technik noch zu teuer, das Fahrzeug deshalb eine Investition nur für Überzeugungstäter. Ingo Reuss düste mit dem E-Flitzer durch New York und erntete überraschte und bewundernde Blicke.
"Hey boy, what funny car do you drive?", fragt mich der Mann im betagten Oldsmobile neben mir an der Ampel. Einen Smart electric drive, mit Elektroantrieb, rufe ich zurück. Wie schnell er denn sei, will dieser Amerikaner mitten in Manhattan nun wissen. Na, bis zu 65 Meilen pro Stunde, also rund 100 Stundenkilometer, sage ich. Er scheint zufrieden zu sein. Äh, und die Reichweite? Meine Antwort - rund 130 Kilometer, knapp 10"0 Meilen - wird anerkennend aufgenommen. Die Ampel schaltet auf grün. Moment noch, sorry, und der Preis? Geleast, schreie ich hinterher. Aber das hört der Mann wohl nicht mehr, die Energiefrage ist für ihn gelöst: Wenn wir kein Erdöl und keine Verbrennungsmotoren mehr haben, dann fahren wir Amis halt Elektroautos, die funktionieren ganz offensichtlich super.
Auch die Passanten auf dem Broadway lächeln. Hier gibt es genug Aufregendes zu sehen, aber die kleinen lautlos dahingleitenden Smart Fortwo – die begeistern sie alle. Lacht der eine oder andere uns aus? Nein, das war gestern! Heute wissen die Amerikaner um die Endlichkeit der Ölvorräte und sehen täglich die Katastrophe vom nahen Golf von Mexiko im Fernsehen. Der Smart Electric Drive kommt genau richtig.
Ob die Amerikaner jetzt schon zugreifen, ist allerdings fraglich. Für den typischen US-Boy muss es sich erst rechnen. Die vorläufig noch teure Lösung leisten sich wohl nur „passionierte Umweltschoner", meint deshalb Smart-Manager Pitt Moos. Noch sind die Batterien viel zu teuer, denn sie kosten allein etwa so viel wie sonst das ganze Auto. Derzeit verschlingen sie noch deutlich mehr als 500 Euro pro Kilowattstunde. Wie andere Techniker in der Autoindustrie auch, hofft Moos auf eine Absenkung des kWh-Preises bei den Lithium-Ionen-Batterien auf etwa 300 Euro.
Leasingrate: 599 Dollar pro Monat
Solange diese Schwelle nicht unterschritten wird, geht es nur über Leasing. Ein Vier-Jahres-Vertrag kostet 2.500 US-Dollar Anzahlung und 599 Dollar im Monat. Die Steuerermäßigung von bis 7.500 Dollar in den USA ist dabei schon eingerechnet. Nicht gerade billig! Aber die Smart-Truppe ist optimistisch, sie will 350 Fahrzeuge ab Herbst in den USA ausliefern. In fünf Schlüsselregionen, darunter New York, Orlando und Indianapolis, startet das Projekt, später folgen Detroit und Los Angeles. Smart bietet den elektrischen Fortwo Firmen- und Privatkunden an.
Aufgeladen wird mit preiswertem Strom aus der Haushaltssteckdose, die allerdings in den meisten US-Staaten nur 110 Volt hergibt. Besser wäre die sogenannte Wall-Box mit 220 Volt oder öffentliche Ladestationen. Hier gibt es noch einiges zu tun. Alle anderen Aspekte sprechen für Strom – es ist eine heimische Stromquelle, die (günstigen) Preise sind stabil, genug Kapazität ist vorhanden und sauber ist die Energie auch, wenn sie denn aus regenerierbaren Quellen stammt. Am besten wird nachts in etwa acht Stunden aufgeladen, bei besseren Ladeoptionen 3,5 Stunden, für die meisten Nutzer reichen zwei Ladevorgänge pro Woche. Mit einer Ladung kommt der Kunde immerhin 130 Kilometer weit, das entspricht einer Fahrt von vier bis fünf Stunden bei typischer Stadtgeschwindigkeit.
Am Smart-Modell Fortwo selbst gibt es keinerlei Abstriche: Innen- und Gepäckraum des Zweisitzers entsprechen dem konventionellen Coupé und Cabrio. Die Batterien befinden sich unter dem Fahrzeugboden. Schon die ersten Kilometer machen so viel Spaß, dass man sich fragt, ob der E-Motor nicht von vorne herein der beste und harmonischste Antrieb für den Smart gewesen wäre. Der E-Motor leistet 30 kW/41 PS, die volle Leistung beim Ampelstart entfaltet er mit Kickdown, d.h. auf stärkeren Pedaldruck. In nur 6,5 Sekunden schafft er den Sprint von 0 auf Tempo 60, da staunen die Amis in ihren dicken Limousinen und Pick-ups nicht schlecht. Leise und vibrationsarm schnurrt der Smart davon, gibt sich sogar auf den mit Schlaglöchern übersäten New Yorker Straßen recht komfortabel.
Nach zwölf Jahren Produktionszeit hat der Smart seine wahre Bestimmung gefunden: Er hat das Zeug zum E-Trendsetter, erst in Europa und künftig auch in Amerika. Wenn der Strom dann noch aus Sonnenergie kommt, ist der Zweisitzer das ideale Gefährt für die individuelle Mobilität - groß genug für die Stadt und umwelt-freundlich wie kein zweiter. Erst recht, wenn das Mobilitätskonzept stimmt, zum Beispiel im Verbund mit anderen Verkehrsmitteln. Daimler zeigt es hier zu Lande mit dem Projekt „car2go", das heißt, der Großstadtkunde kann an jeder Ecke das Auto übernehmen und irgendwo wieder abstellen. „Es funktioniert", schwärmt Smart Marken-Chef Marc Langenbrinck, selbst mit der Verteilung in den Innenstädten.
Ingo Reuss, Smart Electric-Drive: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/886 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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