Ludwig Thoma zählt zu den großen volkstümlichen Schriftstellern der deutschen Literatur. Als gelernter Jurist offenbarte er ein recht gestörtes Verhältnis zur Justiz. Vor allem sein grobes Poltern gegen Richter, Staatsanwälte und kirchliche Würdenträger sorgte zeitlebens für Aufruhr und Prozesse. Thoma starb am 26. August 1921 in seinem Haus in Rottach-Egern an Magenkrebs.
Ludwig Thoma
"Er besitzt ein hohes Maß geistiger Fähigkeiten und verbindet mit diesen sehr viele Kenntnisse sowie eine erhebliche Geschäftsgewandtheit. Sein Plädoyer ist kurz, sachlich und abgerundet, er betreibt die Rechtsanwaltschaft mit anerkennenswerter Noblesse", lautete eine richterliche Begutachtung der juristischen Fähigkeiten Ludwig Thomas. Seine anwaltliche Laufbahn währte trotz der beachtlichen Befähigung für das Fach nur relativ kurz.
Der am 21. Januar 1867 als fünftes von acht Kindern in Oberammergau geborene Förstersohn hatte nach dem frühen Tod des Vaters in seiner Kindheit und Jugendzeit zahlreiche Schulen und Internate durchlaufen. Schon in jenen Jahren zeigte sich sein Hang zur undiplomatischen Kritik an Autoritäten. Die daraus resultierenden permanenten Schwierigkeiten des Heranwachsenden mit Lehrern und Geistlichen, das bescheidene Leben der verwitweten Mutter und die Ausprägung der eigenen Individualität flossen später in die bis heute bekannten "Lausbubengeschichten" (1905) und "Tante Frieda" (1907) ein.
Der Anwaltsberuf als "öde, öde Tätigkeit"
Nach Ablegung seines Abiturs in Landshut studierte Thoma zunächst Forstwissenschaft in Aschaffenburg, dann jedoch Rechtswissenschaften in Erlangen und München. Das erste und zweite Staatsexamen legte er 1890 bzw. 1893 ab. In die Erlanger Studienzeit fällt auch die erfolgreiche Ablegung der mündlichen Prüfung der Doktorprüfung am 6. Dezember 1890.
Am 3. August 1891 wurde er als "Dr. juris" in den Akten der Universität approbiert. Doch die Promotionsurkunde wurde ihm nie ausgehändigt, weil er seine Dissertationsschrift zum Thema "Zur Lehre von der Notwehr" nicht abgeliefert hatte. Dennoch führte Ludwig Thoma den Doktortitel.
Im Anschluss an das Referendariat in München eröffnete er am 18. Oktober 1894 in Dachau eine Anwaltspraxis, die er am 1. April 1897 nach München an den Marienplatz verlegte. Im September 1899 verkaufte er seine Kanzlei und gab den Rechtsanwaltsberuf – dem er nur noch wenig abgewinnen konnte – auf:
"Lieber ein Schifferknecht, Holzknecht usw. als diese öde, öde Tätigkeit", befand er: "Wenn so ein Bursch’ sonnenverbrannt in meine Kanzlei kommt und so dumm, gutmütig die Taler zählt, so denke ich mir oft: der legt dir die Arbeit von Monaten auf den Tisch, und du streichst sie für eine Stunde Federfuchserei ein."
"Ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstande."
Fortan widmete sich Thoma nur noch der Schriftstellerei und der Tätigkeit als Redakteur des Satireblatts "Simplicissimus", für das er bereits seit Jahren zum Teil bissige Glossen verfasste. Immer wieder kam darin sein Vergnügen an plastischen und derben Anfeindungen des Juristenstandes zum Ausdruck. So heißt es in "Der Einser":
"Denn Amesreiter war ein sogenannter glänzender Jurist, hatte das Staatsexamen mit I gemacht und war sohin zeugungsunfähig."
In "Der Vertrag" tauchte die berühmte Redewendung auf:
"Der Königliche Landgerichtsrat Alois Eschenberger war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstande."
Bis zu seinem Tode verfasste Thoma insgesamt 684 Artikel, Geschichten und Gedichte für den "Simplicissimus" und einige seiner rüden Attacken führten zu heftigen Zusammenstößen mit der Justiz.
Zusammenstöße mit der Justiz
Den Anlass zu der bekanntesten juristischen Auseinandersetzung bildete ein Gedicht, dass Thoma unter dem Pseudonym Peter Schlemihl am 25. Oktober 1904 im "Simplicissimus" veröffentlichte und das eine Konferenz der deutschen Sittlichkeitsvereine in Köln, insbesondere deren Generalsekretär Pastor Friedrich Bohn aufs Korn nahm. In dem Gedicht heißt es u.a.:
"Was wissen Sie eigentlich von der Liebe
Mit ihrem Pastoren-Kaninchentriebe,
Sie multiplizierter Kindererzeuger,
Sie gottesseliger Bettbesteuger?"
Diese und ähnliche Passagen veranlassten den Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin dazu, Strafantrag wegen Beleidigung gegen den verantwortlichen Redakteur Julius Linnekogel und den Verfasser Ludwig Thoma zu stellen.
Das Landgericht Stuttgart verurteilte den Dichter am 26. Juni 1905 zu sechs Wochen Gefängnis. Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass Thoma auch nicht in der Form eines satirischen Gedichts Kritik an dem Sittlichkeitskongress hätte üben dürfen, wenn darin ehrenrührige Beschimpfungen durch Verhöhnung anwesender bzw. verantwortlicher Persönlichkeiten zum Ausdruck kamen.
Nachdem das Reichsgericht am 22. Februar 1906 die Revision von Thoma verworfen hatte, blieb diesem nichts anderes übrig, als in der Zeit zwischen dem 16. Oktober bis zum 27. November 1906 im Gefängnis München-Stadelheim seine Haftstrafe abzusitzen.
Die Gefängnisstrafe hielt Thoma keineswegs davon ab, seine autoritätsallergische Grundhaltung auch weiterhin ungefiltert in seinen Schriften zum Ausdruck zu bringen. Der literarische Nachlass des streitsüchtigen Heimatdichters Thoma beinhaltet zahlreiche vor allem gesellschaftskritische Werke wie "Moral" (1907). Hierzu gehören auch die vielen justizkritischen Texte. Zuletzt veröffentlichte der Ullstein-Verlag 2001 die Glossensammlung "Der kleine Assessor und andere Justizgeschichten".
Ludwig Thoma war eben nicht nur der Verfasser einfacher und humoriger Lausbubengeschichten.
Der Autor Jürgen Seul lebt als freier Publizist und Redakteur in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Er verfasste zahlreiche Publikationen u. a. zum Architektenrecht, Arbeitsrecht sowie zu rechtshistorischen Themen.
Jürgen Seul, Ludwig Thoma zum 89. Todestag: . In: Legal Tribune Online, 26.08.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1301 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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