Zusatzausbildung "Journalismus und Recht"

Juristen lernen schönes Schreiben

Janina SeyfertLesedauer: 5 Minuten
Im Studium lernt der Rechtsnachwuchs den Gutachtenstil und verabschiedet sich meist von dem, was man "ein schönes Deutsch" nennt. Umso mehr lohnt daher ein Blick auf das Seminar "Journalismus und Recht", das seit einigen Jahren junge Juristen aus ganz Deutschland an die Uni Münster lockt. Dahinter steckt mehr als bloße Deutschnachhilfe für Juristen.

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Wer meint, das fünftägige Seminar am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht sei eine gute Gelegenheit, das lebenswerte Münster in Westfalen kennen zu lernen, der irrt. Die Teilnehmer erwartet ein straffer Zeitplan, der ihnen bis in die Abendstunden Einiges abverlangt. Dieser sieht nicht nur eine lange Reihe von Vorträgen renommierter Praktiker vor, sondern auch immer wieder praktische Übungen. Abtauchen ist zwecklos und wäre aufgrund des erwählten Teilnehmerkreises auch nicht sinnvoll. Nur knapp zwanzig junge Juristen schaffen es in das jährlich stattfindende Seminar, das Prof. Dr. Thomas Hoeren vor bald zehn Jahren ins Leben rief.

Viel Inhalt, aber vor allem: "Nicht wie Juristen schreiben"

Wer die Hürde des Bewerbungsverfahrens nimmt, den erwartet ein abwechslungsreiches Programm. Vom Online-Journalismus über die Arbeit an einer juristischen Fachzeitschrift bis hin zur Pressearbeit in Großkanzleien reichen die Vortragsinhalte. Eines der Highlights ist das Verfassen einer Gerichtsreportage. Nach einer kurzen Einführung in die Welt der Reportagen besuchen die Teilnehmer Verhandlungen am Landgericht, um im Anschluss zu Papier zu bringen, wie es so war vor Gericht. Was für Schuhe trug der Staatsanwalt? Wer saß unter den Zuschauern? Waren die Fenster geputzt? Die Juristen finden sich dann gerade im Gerichtssaal in einer völlig ungewohnten Perspektive wieder. Sie müssen die Verhandlung einfangen, sie greifbar machen, nicht den Sachverhalt lösen. Für die allermeisten bedeutet dies auch, sich sprachlich zu verändern. "Wie Juristen denken, aber bitte nicht wie Juristen schreiben", ist ein Satz, den die Teilnehmer von fast jedem Dozenten mit auf den Weg bekommen. Wer sich von doppelten Verneinungen, Bandwurmsätzen, Passiv und Konjunktiv nicht trennen kann, der ist in der Juristerei besser aufgehoben. Dort nimmt man sich den lieblosen Umgang mit der Sprache nicht übel – im Gegenteil: Ein langer, unverständlicher Satz wird oft als Indiz für einen bedeutsamen Inhalt gewertet. Um den ambitionierten Juristen das Handwerk zu vermitteln, wartet das münsteraner Programm mit namhaften Unterstützern auf. Die Dozenten sind unter anderem Praktiker vom ZDF, der FAZ oder der bekannten Wirtschaftskanzlei Linklaters.

Mit Biss und Engagement zum Erfolg

Das Seminar bedeutet für viele vor allem die Frage: Kann ich als Jurist auch journalistisch erfolgreich sein? Die Dozenten, die fast alle einen juristischen Hintergrund haben, sind der beste Beweis dafür. Allerdings muss man auch bedenken, so Merle Hilbk, freie Journalistin mit erstem Staatsexamen, dass eine Karriere im Journalismus oft nichts für diejenigen ist, die eine sichere und geregelte Tätigkeit suchen. "Festanstellungen sind die Ausnahme", erzählt die Berliner Autorin im Rahmen ihres Vortrags. Wer allerdings den Biss hat und engagiert ist, hat gute Aussichten auf die Chance, sich journalistisch zu beweisen. Trotz der sprachlichen Eigenheiten der Juristen seien sie aufgrund ihres allgemein bildenden Fachstudiums auf dem Arbeitsmarkt beliebt, beschreibt sie ihre Erfahrungen. Doch nicht nur die Inhalte des Jurastudiums können hilfreich sein, wenn man beispielsweise zu politischen oder wirtschaftlichen Themen schreiben möchte. Den Seminarteilnehmern wird immer wieder verdeutlicht, dass juristisches Denken wertvoll sein kann. Juristen können von Haus aus komplexe Lebenssachverhalte auf das Wesentliche komprimieren. Damit bringen sie bereits eine wichtige Voraussetzung mit. Für den Teil der Teilnehmer, der sich von den Unwegsamkeiten einer Karriere im Journalismus nicht abschrecken lässt, ist die Zusatzausbildung in Münster ein erster Schritt in die richtige Richtung. Auf die Frage, was die schreibwilligen Juristen für die Zukunft mitnehmen, hebt Thomas Hoeren die hohe Vernetzung der Veranstaltung hervor: "Die Teilnehmer können hier wichtige Kontakte knüpfen. Auf einmal kennt man jemanden bei der FAZ". Weiterhin seien die Zertifikate, die am Ende des Programms verliehen werden, durchaus karrierefördernd. Der Leiter der zivilrechtlichen Abteilung des Instituts kann von Ehemaligen berichten, die heute Redakteure sind oder sich im Rahmen von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit etabliert haben.

Wer sollte sich angesprochen fühlen?

"Schreiben ist eine Begabung", so Hoeren. Daher beinhaltet die Bewerbung für das begehrte Programm auch eine Arbeitsprobe, die Aufschluss über das Talent des Verfassers geben soll. Die Bewerber haben die Aufgabe, ein beliebiges juristisches Thema allgemeinverständlich aufzubereiten. Gemeinsam mit den anderen Dozenten nimmt der Zivilrechtler dann die Auswahl vor. "Die Kriterien sind ungewöhnlich", gibt er zu. "In einem ersten Durchlauf sortieren wir die unbrauchbaren Texte aus. Genauso aussortiert werden allerdings auch die richtigen Profis. Die können bei uns schließlich nichts mehr lernen." Bewerben kann sich grundsätzlich jeder, der Jura studiert oder auch bereits einen juristischen Abschluss hat. Bewerbungsschluss für das Seminar, das meist im Februar stattfindet, ist Mitte Dezember. Hoeren will mit der in Deutschland einmaligen Zusatzausbildung Juristen ansprechen, die in ihrer bisherigen Ausbildung nicht den Raum gefunden haben, ihr sprachliches Talent auszubauen. Zum Seminar in Münster findet sich alljährlich ein bunter Strauß aus Studierenden, Referendaren und Doktoranden ein. "Ich würde mich in jedem Fall bewerben", rät Alexander Hoppe, ein ehemaliger Teilnehmer. "Ich habe selbst gezögert, da ich von der hohen Bewerberzahl gehört hatte und mein Lebenslauf auch noch wenig journalistische Erfahrung aufwies. Mit einem guten Text kann man es aber durchaus schaffen." Für den Studenten hat sich die arbeitsintensive Woche gelohnt. "Ich habe Perspektiven kennen gelernt, die mir sonst vielleicht verschlossen geblieben wären. Außerdem war es motivierend, anhand der Dozenten zu sehen, dass eine juristische Ausbildung auch für einen Journalisten ein gutes Fundament sein kann." Obwohl Hoeren auf die Frage, ob Juristen überhaupt schreiben können, augenzwinkernd antwortet, dass man an den Universitäten vielleicht "Deutsch für Juristen" anbieten sollte, ist die Zusatzausbildung "Journalismus und Recht" kein Nachhilfeunterricht. Sie ist eine Chance für diejenigen Juristen, die Spaß an Sprache haben und sich die Fähigkeit, einen verständlichen Satz zu schreiben, durch die Semester der doppelten Verneinungen retten konnten. Mehr auf LTO.de: Referendariat bei der ARD: Wahlstation hinter der Kamera Verabschiedung von Karl-Dieter Möller: Das Ohr auf dem Teppich des Verfassungsgerichts

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