Wie Studierende ihr Jurastudium entschlacken
Kaum zu bewältigender Prüfungsstoff, unverhältnismäßig hohe Bedeutung von sechs Examensklausuren am Ende eines mehrjährigen Studiums und der damit verbundene psychische Druck: Das sind nur einige der Gründe, wieso Studierende seit Jahren eine Reform des Jurastudiums fordern. Passiert ist bislang wenig.
Doch neben den bereits bekannten Vorschlägen, wie der Einführung eines integrierten Jura-Bachelors, gibt es andere Möglichkeiten, das Jurastudium zu verbessern.
Die Grundregeln der juristischen Ausbildung sind im Deutschen Richtergesetz (DRiG) verankert, so etwa der allgemeine Studieninhalt und die Dauer. Außerdem legt das DRiG grundlegende Prüfungsmodalitäten fest, wie zum Beispiel Freischuss und Notenverbesserungsversuch sowie die Aufteilung des ersten Staatsexamens in Pflichtfach- und Schwerpunktbereichsprüfung. Änderungen des DRiG kann allein der Bundesgesetzgeber treffen, wie zuletzt 2021 mit der Einführung des E-Examens.
Die konkrete Planung des Studiums, wie die Festlegung des genauen Prüfungsstoffs und der Prüfungsmodalitäten, liegt dagegen bei den Landesgesetzgebern. Über die Umsetzung landes- und bundesgesetzlicher Mindestvorgaben hinaus haben die Universitäten eigenen Gestaltungsspielraum. Auch Studierende können sich vor Ort für Änderungen einsetzen. Genau das haben Studierende aus Freiburg und Heidelberg an ihren jeweiligen Fakultäten getan.
Universitäten haben unterschiedliche Voraussetzungen für die Zwischenprüfung
Alle Länder haben eigene Landeshochschul- und Ausbildungsgesetze sowie Prüfungsordnungen. Um eine Zersplitterung des Ausbildungsstandards zu vermeiden, sollen die Länder die Ausbildung untereinander anpassen.
§ 4 der Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung Baden-Württemberg (JAPrO BW) legt fest, dass die Zwischenprüfung einen bürgerlich-rechtlichen, einen strafrechtlichen und einen öffentlich-rechtlichen Prüfungsteil umfasst und bis zum vierten Semester abgelegt werden muss. In jedem Teil müssen Studierende mindestens eine Aufsichtsarbeit bestehen.
Wie unterschiedlich die Umsetzung des § 4 JAPrO BW aussehen kann, zeigt ein Vergleich der Universitäten in Konstanz und Heidelberg. Konstanz verlangt für eine erfolgreich absolvierte Zwischenprüfung insgesamt neun bestandene Klausuren, davon vier im Zivil-, drei im öffentlichen und zwei im Strafrecht, sowie eine Hausarbeit.
Heidelberg: Erst zwei Hausarbeiten, dann vier Klausuren in einem Semester
Die Universität Heidelberg setzt die Anforderungen des § 4 JAPrO BW anders um. Für die Zwischenprüfung ist dort die erfolgreiche Teilnahme an drei Anfängerübungen in den Pflichtfächern erforderlich. Eine Anfängerübung umfasst eine Hausarbeit und zwei Klausuren, von denen Studierende mindestens eine bestehen müssen.
Hausarbeit und Klausuren sind dabei gekoppelt. Das heißt: Grundsätzlich müssen die Studierenden in den Semesterferien eine Hausarbeit anfertigen und in der unmittelbar darauffolgenden Vorlesungszeit eine Übungsklausur bestehen. Diese Koppelung gibt es bundesweit vereinzelt auch an anderen Universitäten, etwa in Tübingen und Marburg.
Da die Zwischenprüfung in Baden-Württemberg bis zum vierten Semester abgelegt werden muss und Studierende des ersten Semesters noch nicht über ausreichend Wissen verfügen, sind die Anfängerübungen im zweiten und dritten Semester angesiedelt. In Heidelberg resultierte das in einem sehr vollgepackten dritten Semester mit zwei Anfängerübungen.
Uni Heidelberg änderte den Studienplan
Im Sommersemester 2024 änderte die Fakultät daher auf Initiative des damaligen Studiendekans Professor Jan C. Schuhr den Studienplan. Der Studienplan ist eine Empfehlung für Studierende, wann sie welche Lehrveranstaltungen besuchen und Prüfungen absolvieren sollen. "Die Studierenden sollen in zu vollen Semestern entlastet und somit ein interessengeleitetes Studium gefördert werden", erklärt er. Anlass zur Änderung war die Verlängerung der Regelstudienzeit auf zehn Semester. Die Lehrveranstaltungen sollten daran angepasst, besser aufgeteilt und die Studierenden so entlastet werden.
Nachdem fakultätsintern ein Änderungsentwurf ausgearbeitet wurde, bezog man auch die Studierenden ein. Der Entwurf sieht ein übungsfreies viertes Semester vor. Die ursprünglich ab diesem Semester stattfindenden Fortgeschrittenenübungen wurden um ein Semester nach hinten verschoben. Das sollte die Vorbereitung auf die Übungen ermöglichen oder die Wiederholung einer Anfängerübung erleichtern. Die zwei Anfängerübungen im dritten Semester bleiben jedoch.
"Wir waren erstmal nicht überzeugt", berichtet Henry Wilkens, der als studentischer Vertreter in Studienkommission und Fakultätsrat dabei war. "Der Studiendekan hat sich jedoch Zeit genommen und seinen Vorschlag erklärt. Dabei wurde klar, dass der Entwurf eine sinnvolle Verbesserung ist und andere Änderungen schwer umzusetzen wären", sagt Wilkens. Die teilweise gewünschte Verschiebung einer Anfängerübung aus dem dritten in ein späteres Semester erscheint nur auf den ersten Blick als gute Änderungsmöglichkeit. So würde nämlich die Gefahr bestehen, dass die Studierenden die Ablegung der Zwischenprüfung nicht mehr fristgemäß bis zum vierten Semester schaffen, falls sie zu einem späten Termin durchfallen sollten und deshalb keine Zeit mehr für eine Nachholung der Prüfungsleistung bis zum vierten Semester hätten.
Der neue Studienplan wurde im Sommersemester 2024 beschlossen. "Der gesamte Prozess bis dahin verlief sehr gut. Es fand ein konstruktiver Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden statt, sowohl in als auch außerhalb der Gremien," fasst Wilkens zusammen.
Freiburg: Gespräch zwischen Studierenden und Professoren
In Freiburg war man mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Auch dort gilt das oben erklärte Übungssystem, sodass die Studierenden im dritten Semester mit zwei Anfängerübungen stark ausgelastet waren. Die vier Übungsklausuren fanden während der Vorlesungszeit statt, was sich negativ auf Klausurvorbereitung und Vorlesungsnachbereitung auswirkte. Hinzu kamen andere Vorfälle. LTO berichtete über die Zivilrechtshausarbeit in der Anfängerübung 2022, die nach drei Wochen Bearbeitungszeit zurückgezogen wurde, weil die Lösung bereits im Internet kursierte.
Es herrschte Unmut bei den Studierenden, woraufhin die Fachschaft an den Studiendekan Professor Jan Henrik Klement herantrat und mit ihm zusammen ein Fakultätsgespräch organisierte. "Uns war es wichtig, die Studierenden über die Vertretung in den Gremien hinaus miteinzubeziehen", berichtet Klement gegenüber LTO.
Das Fakultätsgespräch wurde sowohl von Studierenden als auch von Professor:innen gut besucht. Diskutiert wurde vor allem über den Studienverlaufsplan. Professor:innen beklagten sich über leere Vorlesungen; Studierende wiederum über die fehlende Zeit für den Besuch von Vorlesungen neben der Klausurvorbereitung. "Der direkte Austausch zwischen Studis und Professor:innen war besonders wertvoll für die weitere Entwicklung der Änderung der Studienordnung", sagt Florentia Spiecker gen. Döhmann, ehemaliges Mitglied in Fachschaft und Studienkommission, rückblickend.
Ergebnis: Änderung der Studienordnung
Im Anschluss an das Gespräch entwickelte die Fachschaft konkrete Forderungen, die unter Mitwirkung der Studienkommission dem Fakultätsrat vorgelegt wurden. Solche Gremien gibt es an jeder Fakultät. Ihnen gehören Professor:innen und Studierende an, wobei im Fakultätsrat auch akademische Mitarbeitende mitwirken. Anders als der Fakultätsrat, der über alle grundlegenden Belange der Fakultät berät, konzentriert sich die Studienkommission auf Studium und Lehre.
Anschließend erarbeiteten die Professor:innen einen Änderungsentwurf, der einen Großteil dieser Forderungen umsetzt. So sind Hausarbeiten und Klausuren in den Anfängerübungen nicht mehr gekoppelt. Die Klausuren finden ab dem Wintersemester 2024/25 am Ende der Vorlesungszeit statt. Letztlich erteilte auch der Senat der Universität Freiburg seine erforderliche Zustimmung.
Studierende sollten konkrete Änderungen vorschlagen
Diese Fälle zeigen: Studierende können sich selbst schon jetzt für eine kleine "Reform" des Jurastudiums an ihrer Universität einsetzen, selbst wenn grundlegende Veränderungen wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen werden. Sie sollten sich fragen, ob es realistische Möglichkeiten gibt, das Studium und den Lernprozess an ihrer Fakultät zu verbessern.
"Für eine erfolgreiche Interessenvertretung sollten Studierende bestenfalls konkrete Änderungsvorschläge präsentieren können", betont der ehemalige Studiendekan Schuhr. Darüber hinaus dürfen weitere studentische Einflussmöglichkeiten nicht außer Acht gelassen werden, sei es die Besetzung universitärer Gremien oder das Feedback am Ende einer Vorlesung.
Schlussendlich sollte man sich vor Augen führen, dass alle – Bund, Länder, Studierende und Professor:innen – dasselbe Ziel verfolgen: gute Jurist:innen auszubilden.
Michelle Sieburg studiert Jura an der Universität Heidelberg. An der Studienplanänderung war sie nicht beteiligt.
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2024 M11 18
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