QS World University Ranking 2016 – Law

Deut­sche Jura­fa­kul­täten bauen ab

von Marcel SchneiderLesedauer: 5 Minuten
Die aktuellen Zahlen des jährlichen QS World University Rankings sind bekannt: Im Bereich "Law" fallen deutsche Universitäten im Vergleich zu den Vorjahren teils enorm zurück. Ob das nur an den modifizierten Bewertungskriterien liegt?

Der Karriere- und Bildungsdienstleister Quacquarelli Symonds (QS) veröffentlicht seit 2004 einmal jährlich ein weltweites Universitäten-Ranking, das sich auch nach Fachbereichen sortieren lässt. So kann man sich die jeweils 200 besten Hochschulen pro Forschungsgebiet anzeigen lassen. Wer das für die Rechtswissenschaften ("Law and Legal Studies") macht, stellt schnell fest: Gerade einmal fünf deutsche Lehranstalten haben es in die internationale Top 100 des Rankings geschafft. Das sind eine weniger als noch 2015 und zwei weniger als 2014. In die gesondert aufgeführten Top 50 schaffen es mit den Platzierungen 39 beziehungsweise 48 die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und die Ludwig-Maximilians-Universität München so gerade noch. Die Humboldt-Universität zu Berlin, die Universität Frankfurt am Main und die Universität Hamburg gehen in dieser Reihenfolge bereits im gröber zusammengefassten Abschnitt der Plätze 51 bis 100 ein wenig unter. Die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, letztes Jahr noch auf dem jetzigen Platz der Universität Hamburg, ist sogar aus den Top 100 in den ebenfalls nur noch grob sortierten Bereich der Plätze 101 bis 150 abgerutscht. In den Top 10 tut sich hingegen wenig: Dort tauschen lediglich die University of Oxford und die University of Cambridge die Plätze zwei und drei miteinander. Auf dem ersten Platz findet sich wie in den Jahren zuvor die Harvard University. Überhaupt tummeln sich in den oberen 25 Plätzen überwiegend Hochschulen aus Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Australien. Das hat sicherlich damit zu tun, dass deutsches Recht eben sehr speziell und weitaus weniger weit verbreitet ist als das Common Law, das an den Top-Universitäten des Rankings gelehrt wird. Trotzdem erzielte die Heidelberger Universität vor zwei Jahren mit Platz 24 noch einen beachtlichen Spitzenrang. Am mangelnden Fokus auf deutsches Recht im Ranking scheinen die Platzverluste also nicht zu liegen.

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Vernetzen sich deutsche Universitäten international zu wenig?

Ein Grund für das über die Jahre immer schlechtere Abschneiden deutscher Universitäten dürften die überarbeiteten Bewertungskriterien sein. Machten in den ersten Jahren des Rankings auch softe Faktoren wie Ausstattung der Bibliothek, soziales Engagement der Hochschule oder auch behindertengerechte Zugänge einen Teil der Bewertung aus, zählen in den letzten Jahren nur noch harte Faktoren, die mehr oder weniger viel über die Internationalität und die wissenschaftliche Arbeit an einer Fakultät im jeweiligen Fachbereich aussagen. Mit 40 Prozent am meisten zählt dabei der internationale Ruf unter Kollegen. Weltweit sind vom wissenschaftlichen Mitarbeiter bis zum Professor die wissenschaftlich arbeitenden Beschäftigten an Lehrstühlen gefragt worden, welchen anderen Universitäten sie eine hohe akademische Expertise auf dem Fachgebiet zuschreiben, in dem sie selbst tätig sind. Ihre eigene Hochschule durften die Teilnehmer der Befragung dabei nicht nominieren, eine Mehrfachnennung war aber möglich. Für das gesamte Ranking sind nach QS-Angaben über 72.000 Antworten ausgewertet worden. Wie viele Antworten davon für die Rubrik Law and Legal Studies gegeben wurden, lässt sich der Studie nicht entnehmen. Als zweitwichtigste Kriterien mit jeweils 20 Prozent fließen das Lehrkörper-Studenten-Verhältnis sowie die Zitierungen – und damit einhergehend die Veröffentlichungen - pro wissenschaftlichem Lehrstuhlmitarbeiter in die Bewertung ein. Die Macher der Studie schreiben selbst, dass es keine allgemein akzeptierten Standards gibt, ab wann man von einem gesunden Verhältnis von Lehrenden zu Studierenden sprechen kann. Auch die Qualität der Lehre hängt damit nicht zwangsläufig zusammen. Trotzdem behält QS diesen eher groben Indikator bei, weil er etwas über die Ressourcen aussage, die eine Hochschule in die Lehre investiere. Beim Kriterium der Veröffentlichungen und Zitierungen schneiden die deutschen Universitäten naturgemäß schlechter ab: Zwar wird auch in Deutschland fleißig publiziert, aber eben überwiegend in Landessprache. Dass die Anzahl der Zitierungen deshalb niedriger ausfällt, ist nur logisch.

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2/2: Orientierungshilfe für Studenten

Die verbleibenden 20 Prozent setzen sich aus gleich drei Bewertungsmerkmalen zusammen: Es werden ausgewertet die Reputation der Universität bei Arbeitgebern (zehn Prozent), die Anzahl der ausländischen Wissenschaftler am Lehrstuhl und die Quote internationaler Studenten innerhalb der Gesamtstudierendenschaft (je fünf Prozent). Damit spielt jedes dieser Kriterien keine allzu große Rolle mehr für das Endergebnis. Mit diesen Änderungen im Bewertungssystem hat QS vermutlich auf Kritik reagiert, die insbesondere den Faktor des Renommees bei Arbeitgebern anprangerte: Wie will man dieses – und dann auch noch länderspezifisch, wie es die Studie für sich beansprucht - auch nur ansatzweise verlässlich messen? Umfragen unter Studenten, wie zufrieden sie mit ihrer Universität sind, spielen ebenfalls keine Rolle mehr. Es stellt sich die Frage, für wen die Rankings nun am aussagekräftigsten sind. Für Studenten, die ein oder mehrere Auslandssemester planen, sind sie sicherlich ein nützlicher Wegweiser. Immerhin haben  2015/2016 laut QS erstmals mehr als vier Millionen jungen Menschen im Zeitraum von einem Jahr zu Studienzwecken eine ausländische Hochschule besucht. Für die deutschen Jura-Universitäten selbst dürfte das Ranking weniger bedeutend sein. Deutsches Recht braucht man eben vornehmlich in Deutschland, weshalb das Abschneiden in einer weltweiten Bestenliste mit internationalem Kontext erst einmal zweitrangig ist. Bleibt noch die Frage, was es mit der negativen Tendenz auf sich hat, die bereits vor Änderung der Bewertungskriterien einsetzte. Es hat den Anschein, als ob viele rechtswissenschaftliche Fakultäten in Deutschland in einer zunehmend globalisierten Welt zu eigenbrötlerisch arbeiten oder sich international zu wenig zu vernetzen. Dabei ist die Attraktivität einer Fakultät und damit der Universität schon aus finanziellen Gründen interessant. Sollten deutsche Jurafakultäten deshalb umgehend ihre internationale Ausrichtung steigern, zum Beispiel durch zusätzliche Partnerschaften oder Austauschprogramme?

Die negative Tendenz deutscher Jurafakultäten

Prof. Dr. Christian Wolf, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht sowie europäisches und internationales Zivilprozessrecht, sieht die Entwicklung gelassen: "Grundsätzlich ist das Ergebnis nicht besorgniserregend. Man muss bedenken, dass es sich dabei um ein von der angloamerikanischen Welt dominiertes Ranking handelt. Fluktuation abseits der etablierten Plätze der englischsprachigen Universitäten ist da ganz normal. Die Leistungen auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften durch eine Art Impact Factor verlässlich messen zu wollen, wie es dieses Ranking tut, ist insbesondere im Hinblick auf deutsches Recht sehr schwierig." Seiner Erfahrung nach ist das deutsche Recht mit seiner "detaillierten und durchdachten Dogmatik" auf internationalen, wissenschaftlichen Veranstaltungen immer wieder Thema und überhaupt sehr gefragt – und so etwas werde in diesem Ranking ebenso wenig beachtet wie die regelmäßigen Spitzenplätze, die deutsche Studenten in internationalen Wettbewerben wie dem Vis Moot erzielen. Auch Alexandra Kemmerer bestätigt, dass deutsche juristische Fakultäten und ihre Absolventen im Ausland ein hohes Ansehen genießen. Die Wissenschaftliche Koordinatorin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht weiß aber auch, dass es international oft als schwierig empfunden wird, einen Zugang zur deutschen Rechtswissenschaft zu erhalten. Nicht nur die Sprachbarriere, auch die "Orientierung der Ausbildung auf das Staatsexamen hin führt dazu, dass Professorinnen und Professoren mit ganz wenigen Ausnahmen ihre juristische und akademische Ausbildung in Deutschland absolviert haben." Abgesehen von einem Erasmus-Jahr oder LL. M.-Studium blieben die eigenen Erfahrungen in anderen rechtskulturellen Kontexten somit begrenzt – und so auch die transnationalen Kontakte, wenngleich diese heute vielerorts auf Fakultätsebene aktiv ausgebaut würden. So gesehen schnitten deutsche Jurafakultäten mit 12 Vertretern in den Top 200 "gar nicht so schlecht ab", auch wenn "die drei deutschen Spitzenreiter deutlich weiter ins Mittelfeld" gerückt sind. Insofern ist es aus Heidelberger und Münchner Sicht dann doch ganz erfreulich, sich immer noch zu den Top 50 Law-Hochschulen weltweit zählen zu dürfen.

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