Mannheim ergänzt Uni-Rep

"1.566 Pro­b­leme allein im Zivil­recht"

Interview von Marcel SchneiderLesedauer: 4 Minuten

Die Uni Mannheim ergänzt ihr Uni-Rep. Dazu hat Friedemann Kainer den Pflichtfachststoff zergliedert – und allein für das Zivilrecht 1.566 Examensprobleme ausgemacht. Wie lernt man diese? Und ist das Examen nicht längst überfrachtet?

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LTO: Herr Professor Kainer, Sie verantworten seit gut fünf Jahren das rechtswissenschaftliche Uni-Rep "Rep2" in Mannheim, das Sie und Ihr Lehrstuhl-Team nun um die Variante "Rep2plus" ergänzen. Kurz und knapp zusammengefasst: Was ist die Idee dahinter?

Prof. Dr. Friedemann Kainer: Im Prinzip wollen wir den Kandidaten helfen, selbst effizienter zu lernen. Es ist Aufgabe der Universität, die Leute aufs Examen vorzubereiten und diese Vorbereitung hört ja nicht einfach nach der Vorlesung auf.

Zur Ergänzung der bisherigen Rep2-Veranstaltungen setzen wir mit diesem Extraprogramm deshalb auf Lerngruppen. In diesen eignen sich die Studierenden anhand eines von uns entwickelten 40-wöchigen Lernprogramms gemeinsam und häppchenweise das Wissen im Zivilrecht an. Hierfür arbeitet die Lerngruppe jede Woche mindestens zwei Examensfälle durch und vertieft das Wissen anhand von Literatur, die wir zur Verfügung stellen.

In der Gemeinschaft lernen hat einen echten Mehrwert, wenn man juristische Themen durchdringen will. On top gibt es eine gehörige Portion Hilfe und Motivation dazu, die sich die Gruppenmitglieder gegenseitig spenden. "Einzelkämpfer", so wie wir sie nennen, können auch mitmachen. Aber den vollen Lerneffekt hat man unseres Erachtens erst in der Lerngruppe, wenn man die Lerneinheiten mit Kommilitonen absolviert.

Für die besagten Häppchen haben Sie erst einmal über ein halbes Jahr lang den Pflichtfachstoff zergliedert - und dabei satte 1.566 Probleme gezählt, die Examenskandidaten aus Ihrer Sicht allein im Zivilrecht auf dem Kasten haben müssen.

Genau. Die Probleme erst einmal zu identifizieren, diente uns als Basis für den Aufbau des Programms. Sie sind in die von uns zusammengestellten Lernpläne sinnvoll eingeflossen. Wir sammeln sie in einem zentralen Lernpool, wo die Teilnehmer dann zum Beispiel auch entsprechende Literatur und Fälle finden.

Was haben Sie denn als ein "Problem" definiert? Oder anders gefragt: Wie haben Sie die Probleme gezählt, die es letztlich auf Ihre Liste geschafft haben?

Die aufgelisteten Probleme sind eigentlich Problemfelder, teils auch größere zusammenhängende Fragekomplexe. Als Beispiel nenne ich jetzt mal den Wettlauf der Sicherungsgeber: Bürgschaft, Gesamtschuld, Hypothek, Akzessorietät und so weiter – das ist ja alles ein großes Zusammenspiel, das wir auf unserer Liste als ein einzelnes Problemfeld definiert haben.

Sie sammeln eine umfangreiche Problemliste für die Examenskandidaten zum Lernen. Andererseits wird von angehenden Juristen gefordert, dass sie das System hinter den Problemen verstehen und nicht bloß Fälle und Probleme auswendig lernen. Wie passt das zusammen?

Über das Problem stellen wir letztlich den Systembezug her. Nehmen wir noch einmal das Beispiel vom Wettlauf der Sicherungsgeber: Man kann den Ausgleich insbesondere im Zusammentreffen von akzessorischen mit nichtakzessorischen Sicherheiten nicht einfach isoliert betrachten, also drei, vier, fünf Theorien dazu auswendig lernen, diese in der Klausur herunterbeten und den Klausurschwerpunkt damit abhaken. Die Idee ist vielmehr, die einzelnen Problemfelder, von denen sich im Examen ja nicht nur immer genau eins im Sachverhalt versteckt, miteinander zu verknüpfen, hier also Bürgschaft, Grundschuld, Hypothek, Gesamtschuld und Sicherungsvertrag.

Das geschieht auch, indem die Problemfelder in unserem Programm immer wieder auftauchen, während man sich gerade ein anderes Häppchen Stoff aneignet. Wenn man sich in der Gruppe zum Beispiel daran erinnert oder im Rahmen der Lehreinheit merkt, dass man Problemfeld A schon einmal behandelt hat, und dann sieht, wie das mit Problemfeld B zusammenhängt, stellt sich der Aha-Effekt ein. Das Programm hilft damit gegen den größten Feind des Examenskandidaten: das Vergessen. Deshalb stellen wir in den Lerneinheiten auch Wiederholungsfragen zur vorherigen oder einer früheren Woche.

1.566 Probleme allein im Zivilrecht, die Examenskandidaten kennen sollten - ist das nicht ein Indiz, dass die Juristischen Staatsprüfungen einfach zu umfangreich sind?

Das ist eine gute Frage. Die Staatsprüfungen müssen anspruchsvoll sein, weil wir die Qualität der zukünftigen Berufsträger sichern müssen, aber die Stofffülle ist natürlich schon bedrückend.

Im Vergleich zu früher geht die Tendenz meines Erachtens immer mehr weg vom Kern des Zivilrechts hin zu Spezialgebieten, wie etwa Bezügen zu speziellen arbeitsrechtlichen Fragen, die sehr viel Detailwissen erfordern – wo wir wieder bei unserer Liste wären. Man könnte den Stoff durchaus eindampfen, ohne das Niveau zu senken.

Ich würde es im Übrigen begrüßen, wenn Prüfer die Notenskala mehr ausnutzen.

Bisher steht das Rep2plus nur Mannheimer Studierenden offen. Werden Sie die Liste irgendwann für alle zugänglich machen?

Wir werden das Konzept nach der Evaluierung veröffentlichen, die wir für Ende Juli 2021 geplant haben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Der Gesprächspartner Prof. Dr. Friedemann Kainer hat den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Wirtschafts- und Arbeitsrecht an der Universität Mannheim inne. Er verantwortet dort mit seinem Team das Uni-Rep.

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