Bucerius nimmt Technologie in Juristenausbildung auf

Cre­dit­po­ints für Zah­len­f­reunde

von Marcel SchneiderLesedauer: 3 Minuten
An der Bucerius Law School können Jurastudenten neuerdings ein Technologiezertifikat erwerben. Damit dürften erstmals Leistungen für feste Lehrveranstaltungen etwa zur Informatik oder Statistik in einen juristischen Abschluss einfließen.

Technischer Fortschritt wird die juristische Arbeit immer stärker beeinflussen. Das ist Konsens. Wie der juristische Nachwuchs im Rahmen seiner Ausbildung darauf vorbereitet werden soll, weiß allerdings im Moment niemand so recht. Zwar bieten hier und da einzelne Lehrbeauftragte wie etwa der Münchner Privatdozent Martin Fries oder Prof. Stephan Breidenbach aus Frankfurt (Oder) Seminare zu zukunftsorientierten Legal-Tech-Themen an. Fest auf dem Lehrplan der Hochschulen stehen solche Veranstaltungen aber nicht. Das hat sich an der Bucerius Law School (BLS) in Hamburg jetzt geändert. Mit Beschluss von vergangener Woche hat der dortige akademische Senat einem sog. Technologiezertifikat den Weg geebnet. Dieses können Studenten ab dem laufenden Trimester erwerben, wenn sie im Rahmen des hochschulinternen Studium generale vier Lehrveranstaltungen wie beispielsweise "Einführung in die Statistik" oder "Ethische Fragen des Technologieeinsatzes" belegen und die anschließende Prüfung bestehen. Das Besondere: Die Studenten, die das erste Staatsexamen anstreben, absolvieren an der BLS auf dem Weg dorthin parallel dazu ein juristisches Bachelorstudium. Jeder der vier für das Zertifikat benötigten Kurse kann dabei auch einzeln belegt werden, um sich zwei Creditpoints für das Bachelorstudium zu verdienen. Zwar sollen die Kurse nebst ihrer Teilnehmerzahl und Entwicklung in der nächsten Zeit genau beobachtet und evaluiert werden. "Aber sie sind bewusst ad infinitum eingeführt worden - also solange, bis der Rat sie wieder mit Beschluss aufhebt", sagt Dirk Hartung, Executive Director Legal Technology an der BLS. Damit sind sie fester Bestandteil des Lehrplans.

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Mehr "Tech" als "Legal"

Das war Hartung, der während des Umsetzungsprozesses diverse Law Schools in den USA besucht und sich dortige Konzepte angesehen hat, besonders wichtig: "Es geht beim Technologiezertifikat nicht nur um ein Angebot für die Studenten, ein technologisches Grundverständnis zu erwerben und nachzuweisen. Ziel war von Anfang an, diese Inhalte an der Hochschule fest zu etablieren, weil wir glauben, dass die Absolventen das später brauchen werden." Dabei sollen die Kurse den Teilnehmern nicht die für Juristen relevanten Techniken und Entwicklungen, also Legal Tech im weiteren Sinne, häppchenweise vorkauen, so Hartung. "Die vier Veranstaltungen sind technisch sehr allgemein aufgebaut und damit ganz bewusst eher 'Tech' als 'Legal'". So werde etwa bei der Veranstaltung "Einführung in die Programmierung" die Programmiersprache Python unterrichtet und gezeigt, wie man ganz generell Daten sammle, strukturiere und auswerte, anstatt bereits bestehende Legal-Tech-Software im Rückwärtsgang auseinanderzunehmen oder nur auszuprobieren. "Es geht nicht darum, den letzten Stand der Technologie aufzuwärmen. Die Teilnehmer sollen ein Gefühl dafür bekommen, wie ihnen Technologie künftig bei der Ausübung ihrer juristischen Arbeit helfen kann", sagt Hartung. "Alles andere ist angesichts der hohen Entwicklungsgeschwindigkeit auch wenig sinnvoll, da wir unseren Studierenden nicht etwas beibringen wollen, das bei deren Berufseinstieg bereits veraltet ist."

Technologisches: in der Juristenausbildung ein Exot

In dem langwierigen Entwicklungsprozess, der dem Beschluss zum Technologiezertifikat vorausging, stellte sich Hartung häufig die Frage, wie man gleich mehrere Veranstaltungen zu einem Thema rechtfertigt, das in Deutschland im Vergleich beispielsweise zu den USA noch in den Kinderschuhen steckt. Technologisches im Jurastudium? Für die deutsche Juristenausbildung, die sich in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich den meisten der größeren Reformvorhaben widersetzt hat, ist das ein Exot. Hartung dazu: "Wir sind uns absolut bewusst, dass Technologiekompetenz und im weiteren Sinne auch Legal Tech definitiv noch nicht zum Mainstream in der juristischen Ausbildung gehören. Als innovative Hochschule wollen wir diese Entwicklungen aber aktiv begleiten und den Studierenden ein Angebot machen, mit dem wir hierzulande die ersten sein dürften. Ob sie dieses dann auch annehmen, wird sich zeigen." Immerhin: Die Testläufe stießen auf großes Interesse, die vier Veranstaltungen werden nach dem Feedback der Studenten immer wieder angepasst. Und letztlich dürfte auch die Aussicht, durch die Wahl bestimmter Fächer für sowieso benötigte Creditpoints ein zusätzliches Zeugnis einzuheimsen, für Extra-Motivation sorgen. Um vielleicht sogar eine Ausnahme vom Iudex-non-Calculat-Prinzip zu  machen.

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