Diplomat für ein paar Wochen
Das verspiegelte Hochhaus, in dem sich das Hauptquartier der United Nations (UN) in New York City befindet, am 1. März 2010: Draußen flattern die bunten Fahnen der Mitgliedsstaaten im Wind, der vom nahe gelegenen East River aus frostig in Richtung Manhattan bläst. In dem Gebäudekomplex nehmen weniger bunt gekleidete Vertreter dieser Staaten neben den Repräsentanten von Nichtregierungsorganisationen (Non Governmental Organizations, NGOs) im Plenarsaal Platz. Hier wird heute die 54. Sitzung des Komitees zum Status von Frauen in der Welt des Economic and Social Council (ECOSOC) eröffnet. An einer Wand des holzgetäfelten Saals sitzt Tatjana Serbina. Aufmerksam hört sie Meryl Streep zu, als die Schauspielerin am International Women's Day ans Rednerpult tritt. Tatjana hat sich im Morning-Briefing in den Räumen der deutschen Ständigen Vertretung auf die Sitzungen vorbereiten lassen, nimmt nachmittags an einem Treffen der "Lawyers without Borders" teil und brieft abends, nachdem sie Kostüm und Pumps abgestreift hat, noch die übrigen Teilnehmer ihrer Delegation zum Thema "Frauen und Medien".
Beraterstatus bei den Vereinten Nationen, schon als Studentin
Dabei sein, wenn Abkommen entstehen und Recht angewandt wird
"Die Teilnehmer an einer Delegation sind integriert in die Arbeit von hochrangigen Institutionen und unmittelbar dabei, wenn neue Abkommen entstehen, Recht angewandt wird oder grundlegende juristische Probleme diskutiert werden", sagt Janine Lanfermann. Sie ist bei ELSA-Deutschland für die Kooperation mit den Institutionen verantwortlich. Dass dieses Angebot viele Studenten anzieht, zeigen die aktuellen Bewerberzahlen: Im letzten Jahr sandten europaweit über hundert Mitglieder Lebenslauf und Motivationsschreiben für 14 Delegationen ein. Tatjana Serbina motivierte ihre eigene Biografie dazu, sich zu bewerben – sie emigrierte mit neun Jahren aus der Ukraine –, aber auch ihr Berufswunsch: "Ich interessiere mich für die Arbeit auf internationaler Ebene. Im Rahmen der Delegation wollte ich sehen, wie wir Juristen unsere Fähigkeiten anwenden können, um die Welt voranzubringen." Die Wahl der Sitzung kam ihr bei der späteren Teilnahme an den katalanischen Model United Nations während ihres Auslandssemesters in Spanien zugute: Bei diesen Planspielen stellte sie eine malawische Delegierte dar, die sich mit Frauenrechten befasste. "Auch die beste Völkerrecht-Vorlesung kann den Lerneffekt einer Delegation nicht erzielen."Anschaulicher als eine Völkerrechts-Vorlesung, und mindestens so lehrreich
Zum Abendempfang im 13. Stock des WIPO-Gebäudes geladen
Für Claas bedeutete das konkret: An den Plenumssitzungen der Organisation teilzunehmen, in denen alle Mitgliedsstaaten zusammentreffen, sich mit den NGOs in so genannten Lunch Sessions bei Sandwiches und einer Fachpräsentation auszutauschen, aber auch zu einem festlichen Abendempfang in der 13. Etage des WIPO-Gebäudes mit Blick über Genf eingeladen zu werden. "Es ist unglaublich spannend, mit den Spielern auf dem internationalen Parkett zusammenzusitzen. Man lernt, dass wichtige Kompromisse oft gar nicht im Plenum, sondern beim Abendessen geschlossen werden", berichtet Claas. Wer einmal mit einer Delegation unterwegs war, den lässt dieses Erlebnis offenkundig nicht mehr los. Claas Seestädt und Tatjana Serbina etwa sind "Wiederholungstäter": Im März nimmt Tatjana an ihrer zweiten Delegation der United Nations Commission on International Trade Law, der UNCITRAL in New York teil. Dort wird es um "Arbitration und Conciliation" gehen. Und wahrscheinlich wird sie auch von dort neben Fotos und Amerika-Souvenirs wieder eine Menge spannende Erfahrungen mit nach Deutschland bringen. Denn: "So pathetisch es klingt: Wir Delegierten sind an unserer Aufgabe unglaublich gewachsen."Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2012 M02 8
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