Hunderte Jurastudierende müssen noch einmal im Strafrecht ran
Wegen einer Prüfungspanne während des Ersten Examens in Konstanz müssen 871 Jurastudenten in ganz Baden-Württemberg die Strafrechtsklausur nachholen. Da nicht zuverlässig ausgeschlossen werden könne, dass Inhalte der Klausur unter Kandidaten im Vorhinein bekannt gewesen waren, sei eine gleichwertige Bewertung der Prüflinge nicht mehr gesichert, teilte das Justizministerium am Dienstag mit. "Eine andere Möglichkeit, die Chancengleichheit wiederherzustellen, besteht leider nicht", sagte ein Behördensprecher. Die Nachklausur soll voraussichtlich Mitte April 2021 stattfinden.
Bei der Panne des örtlichen Prüfungsamtes wurde am 1. März 2021 in einem Prüfungsraum in Konstanz wegen einer Datumsverwechslung nicht der Sachverhalt der vierten Prüfung (Öffentliches Recht) ausgeteilt, sondern der Sachverhalt der sechsten und letzten Prüfung (Strafrecht), die am 4. März 2021 geschrieben werden sollte. Die falsch verteilten Strafrechtssachverhalte wurden eingesammelt und durch die an diesem Tag vorgesehenen Sachverhalte ersetzt. In dem Prüfungsraum waren 50 Prüflinge und drei Prüfungsaufsichten.
Gegen die Entscheidung des Ministeriums, pauschal alle Prüflinge noch einmal im Strafrecht antreten zu lassen, formiert sich derzeit massive Gegenwehr der Studierenden. Eine Petition, die bis Dienstagnachmittag rund 2.600 Jurastudenten unterschrieben, spricht von einem "ungeheuerlichen Vorgang", der durch nichts zu entschuldigen sei. Der Landesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften in Baden-Württemberg wurde eingeschaltet. Dieser arbeitet an einer Stellungnahme an das Justizministerium mit der Bitte, den Vorgang genauer aufzuklären. Ziel ist es laut der der Verbandsvorsitzenden Evelyn Kloos, eine Nachklausur zu vermeiden.
Betroffene kritisieren "doppeltes Versagen" der Behörden
Direkt nach der Panne hatte das örtliche Prüfungsamt dem Landesjustizprüfungsamt in Stuttgart mitgeteilt, dass der Fehler noch vor Beginn der Bearbeitungszeit durch eine Prüfungsaufsicht bemerkt und alle Klausuren wieder eingesammelt worden seien. Dies ist laut dem Justizministerium geschehen, bevor die Bearbeitungszeit begonnen und die Prüflinge die Klausur umgedreht und von dieser Kenntnis genommen hätten. Das örtliche Prüfungsamt habe weiter mitgeteilt, dass dreimal nachgezählt worden sei und keine Kopie des Sachverhalts gefehlt habe. Aufgrund dieser Schilderung habe das Landesjustizprüfungsamt deshalb zunächst entschieden, dass die Klausuren nicht ausgetauscht werden müssten, so der Ministeriumssprecher.
Später habe das Landesjustizprüfungsamt allerdings erfahren, dass beim Einsammeln der Klausuren zunächst ein Exemplar gefehlt habe, welches der Aufsicht erst einige Minuten später durch einen Prüfling übergeben worden sei. "Zu diesem Zeitpunkt hatte die offizielle Bearbeitungszeit bereits begonnen und die Prüflinge hatten die Sachverhalte umgedreht", sagte der Sprecher des Justizministeriums. Entsprechend könne nicht mehr sicher ausgeschlossen werden, dass nicht doch einige Studierende den Sachverhalt der Strafrechtsklausur vorab gekannt haben könnten.
Am Dienstag erreichte LTO eine regelrechte Flut von Zuschriften von Betroffenen, auch das Redaktionstelefon stand nicht still. Die Prüflinge kritisieren vor allem "das doppelte Versagen" der offiziellen Stellen: Nicht nur, dass es in den für angehende Jurist:innen wichtigsten Prüfungen zu so einem Lapsus kommt, dass der falsche Sachverhalt ausgeteilt wird, stößt ihnen auf. Die Examenskandidaten kritisieren vor allem, dass schon aus Sicherheitsgründen keine Ersatzklausur im Strafrecht gestellt wurde.
LTO wird in der Sache weiter berichten.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
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2021 M03 16
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