Social Media im Hörsaal
Mit Facebook in die Vorlesung
Rund 200 Millionen Nutzer sind derzeit beim Kurznachrichten-Dienst Twitter angemeldet, im sozialen Netzwerk von Facebook tummeln sich etwa 600 Millionen Mitglieder und gut 700 Milliarden Mal klickten Nutzer im vergangenen Jahr Videos des Online-Portals Youtube an. Der letzte Artikel im Grundgesetz trägt die Nummer 146, im Strafgesetzbuch finden sich 358 Paragraphen und das Bürgerliche Gesetzbuch ist mit 2.385 Paragraphen am umfangreichsten. Ein rein zahlenmäßiger Kontrast oder passen die Rechtswissenschaften tatsächlich nicht in die Welt des Social Media?
André Niedostadek
Für den Prof bei Twitter angemeldet
Dass dieser Gedanke aufgeht, bestätigen seine Studenten. "In den Vorlesungen ist nur wenig Zeit, um sich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Daher nutze ich die Tweets, um mich auch außerhalb der Veranstaltungen zu informieren", sagt Alex Kuhlmann. Um sich parallel zur Vorlesung im Wirtschaftsrecht auf dem Laufenden zu halten, meldete der Student der Öffentlichen Verwaltung sich eigens bei Twitter an. Ginge es nach ihm, sollten sich mehr Professoren in den sozialen Netzwerken tummeln.Christian Wolf
Fälle lösen vor der Filmkamera
Sein Kollege Michael Hassemer ergänzt durch die sozialen Medien seine regulären Vorlesungen: An der Technischen Universität in Kaiserslautern lehrt er Zivil- und Wirtschaftsrecht sowie Geistiges Eigentum und lässt sich dabei filmen.Michael Hassemer
Schnell geklickt, noch schneller vergessen
Der Account, die Plattform, das Profil seien Versuchsballons gewesen, geben die Professoren zu. Versuchsballons, die bereits hoch gestiegen sind und noch höher hinaus könnten. Christian Wolf etwa überlegt, sich an seinen amerikanischen Kollegen zu orientieren. Die würden personenbezogenere Einträge schaffen und individuellere Inhalte hochladen. "So könnte ich meinen Studenten meinen universitären Alltag besser vermitteln und die Lehre transparenter gestalten", sagt er. Doch André Niedostadek warnt auch vor der größten Gefahr der verstärkten Internetpräsenz: Die Informationsflut, mit der die Studenten auf den verschiedenen Kanälen konfroniert würden. Urheberrechtliche Bedenken hat sein Kollege Michael Hassemer dagegen nicht: "Wo der Rechtsinhaber einverstanden ist, sind Open Content-Modelle gut geeignet." Ist der schnelle Klick aufs Facebook-Profil also die Zukunft der juristischen Lehre? Das lehnen die Professoren ab. "Ein Video kann niemals den Besuch der Vorlesung ersetzen", sagt Youtube-Nutzer Hassemer. Die Interaktion zwischen Professor und Student passiere eben nicht am Bildschirm. Auch Christian Wolf will Facebook nicht zu seiner primären Kommunikationsplattform ausbauen. Lernmaterialien und andere juristische Inhalte wird er weiterhin ausschließlich über die Lehrstuhl-Homepage anbieten. Die Vision von einem der Abonnenten auf Hassemers Youtube-Profil wird also in absehbarer Zeit nicht wahr werden: "Wenn alle Profs ihre Sachen online stellen würden, dann könnte ich Jura mit Chips vom Bett aus liegend studieren. Die Welt wäre eindeutig besser!" Mehr auf LTO.de: Juristenausbildung: Vier gewinnt nicht Bachelor-Studiengang "Good Governance": Jura, aber anders Referendariat bei der ARD: Wahlstation hinter der KameraAuf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2011 M06 18
Thema:
Internet
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