Automatische Lösungsskizzen statt abgefilmter Präsenzvorlesungen
Andrea ist 33 Jahre alt, das Älteste ihrer drei Kinder kam nach Ende des Jurastudiums, das Jüngste geht seit diesem Jahr in den Kindergarten. Oft sitzt die junge Mutter mit einer Tasse Kaffee am Küchentisch und fragt sich, ob sie nicht noch einmal an ihr Studium anknüpfen sollte, auch um den beruflichen Einstieg zu finden – aber wer sollte dann zu Hause das Chaos organisieren? Stefan ist Ende 30 und seit 20 Jahren in einem Versicherungsunternehmen beschäftigt. Unter der Woche sieht er oft aus seinem Bürofenster, denkt darüber nach, wie es wäre, sich noch einmal weiterzubilden. Aber dafür die gut bezahlte Arbeitsstelle aufgeben? Andrea und Stefan haben eins gemeinsam: Sie liebäugeln mit einem Studium. Zeit dafür hätten sie jedoch nur abends oder am Wochenende.
"Verfassungsrichter können Sie damit nicht werden"
Eine Lösung für dieses Problem will der Lehrbeauftragte Prof. Dr. Gustav Real mit der Online-Lernplattform T@keLaw seines Teach-Audio-Verlages gefunden haben. "Uns ging es um eine Verbesserung der juristischen Ausbildung, vor allem im Bereich Wirtschaftsrecht. Und das Konzept sollte vollständig online funktionieren", sagt Real, der auch als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätig ist. Herausgekommen ist ein Format namens "Teach-Audio", das an der Hochschule* Wismar im Online-Studiengang Wirtschaftsrecht Anwendung findet. Auch eine der größten privaten Fernhochschulen in Deutschland, die Hamburger Fern-Hochschule, setzt auf das Online-Konzept des Verlages. Angeboten werden den Studenten neben Hörfilmen auch Online-Klausuren, die in Gutachtenform geschrieben werden müssen. Bereits bei der während der Klausur erstellten Lösungsskizze wird automatisch kenntlich gemacht, ob der Bearbeiter Fehler macht. Nach der Abgabe wird die Übungsklausur analysiert und sprachlich ausgewertet. Auch wenn sich das im Vergleich mit anderen Online-Studiengängen nicht besonders revolutionär anhört - bei den Wismarer Studenten scheint die Lernmethode anzukommen. "Es gibt nur zwei Alternativen zum Online-Studium: Wer nicht online studiert, muss sich selbst komplett freistellen für ein Präsenzstudium", sagt Prof. Dr. Tony Möller vom Institut für Online-Lehre der Hamburger Fernhochschule. "Oder er muss seine Wochenenden reservieren für ein Fernstudium mit Präsenzveranstaltungen. Wer also Beruf und Familie zu organisieren hat, studiert am besten online." Mit dem Abschluss des Studiengangs Wirtschaftsrecht soll vor allem der Berufseinstieg oder Aufstieg gelingen. "Verfassungsrichter können Sie aber auch mit dem Masterstudium nicht werden", sagt Möller, der ebenfalls zu den Dozenten des Teach-Audio Verlags gehört und an der Entwicklung des T@keLaw-Konzepts beteiligt war. "Wirtschaftsrecht zielt eindeutig auf eine Karriere von Juristen in der Wirtschaft ab."Offen für Rechtsanwälte und Manager wie auch Piloten
Ob diese Abschlüsse und die Flexibilität eines Onlinestudiums geeignet sind, sollte jeder selbst entscheiden. Das Schnupperstudium ist ebenso wie das Onlinestudium vierundzwanzig Stunden am Tag verfügbar und kann von jedem kostenlos getestet werden. Auch als Zweitstudium, parallel zum Präsenzstudium, soll sich die virtuelle Fortbildungsmöglichkeit eignen. "Es sind Manager, Rechtsanwälte oder sogar Lufthansapiloten, die etwas für ihren Kopf tun möchten", sagt Real. "Das Angebot steht aber auch der Rechtsanwaltsgehilfin offen, die einen Karrieresprung anstrebt. Die meisten Menschen sind leistungsfähiger, als sie sich einschätzen. Die Hochschule muss ihnen nur den Raum gewähren, das unter Beweis stellen zu dürfen." Der Studiengang spricht damit vor allem Juristen an, die Bilanzen lesen können und etwas von Kosten- und Leistungsrechnung verstehen. "Juristen kommen damit normalerweise nicht in Kontakt", sagt Möller. "Da bisherige Studienleistungen anerkannt werden, ist das Studienangebot an der Hamburger Fernhochschule als eine Art Doppelabsicherung auch für die traditionellen Juristen hilfreich, etwa wenn sie auf das Referendariat warten." Durch die Zusatzqualifikation könne man aus der Masse herausstechen – was besonders in den Personalabteilungen großer Unternehmen gerne gesehen wird.Mehr als bequemer an die Unterlagen kommen
Das Online-Studium Wirtschaftsrecht an der Hamburger Fernhochschule gibt es als Bachelor- und Masterstudium für 99 bzw. 195 Euro pro Monat. Jede Prüfung im Rahmen des Studiums kostet 59 Euro. Für das zweijährige Masterstudium fallen mindestens Gesamtkosten in Höhe von 6.200 Euro an. Das Bachelorstudium dauert doppelt so lange und kostet 7.012 Euro. Geprüft wird meist mit Klausuren an 19 Prüfungsorten. Präsenzveranstaltungen gibt es nicht, Vorlesungen und Übungen erfolgen online. "Durch den Zugriff auf Online-Rechtsdatenbanken kann man von überall auf umfangreiche Literatur und Rechtsprechung zugreifen", sagt Möller. "Manche lieben aber auch das gedruckte Buch. Das darf jeder gerne durcharbeiten oder sich unter das Kopfkissen legen." Die persönliche Betreuung sei im Online-Studium am intensivsten, sagt der Hamburger Professor. "Zu jeder Zeit kann jeder Studierende zu jeder Vorlesung Fragen stellen oder eigene Bemerkungen anfügen. Außerdem gibt es Online-Sprechstunden und ständige Foren für die einzelnen Fächer, bei denen die Dozenten eingreifen, wenn es erforderlich ist." Das Online-Studium sei vor dem T@keLaw-Konzept oft nur eine Möglichkeit gewesen, Unterlagen in bequemer Weise zu den Studenten zu tragen, meint Real. "Nicht selten werden mit dem Online-Studium deshalb Sofa-Bilder assoziiert nach dem Motto: Darf es noch etwas bequemer sein? Diese Betrachtung trifft nicht den Kern. Lediglich abgefilmte und über das Netz verteilte Präsenzvorlesungen anzubieten stellt kein ernsthaftes Online-Lehr-Konzept dar." Teach-Audio sei das Einzige, das wirklich funktioniere, behauptet Real. "Alles andere ist nur Augenwischerei mit aberwitzigem Aufwand für die Dozenten." Dabei verweist der Professor auf seine Website an der FH Düsseldorf. Ein vorheriges Online-Konzept sei dort auch gescheitert, weil die Umsetzung von Vorlesungsvideos keinen befriedigenden Erfolg brachte. "Es gab bis jetzt keine nachweisbaren Verbesserungen des Lernerfolgs bei den Studenten. Wohl aus gutem Grund gibt es keine einzige vergleichende Studie." Andrea und Stefan jedenfalls wollen sich überlegen, ob sie das kostenlose Schnupperangebot wahrnehmen – und ob ihnen Wirtschaftsrecht überhaupt liegt. Trotz allem hat das virtuelle Studium immer noch einen realen Nachteil: Während der Arbeitszeit kann man nicht lernen und Kindergeschrei lässt sich auch am Wochenende nicht abschalten. * Anm. d. Red.: Zunächst wurde die Hochschule Wismar ungenau als Universität bezeichnet. wir danken für den Leser-Hinweis, die Änderung haben wir vorgenommen am 05.06.2013.Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2013 M06 4
Weiterbildung
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