Der Trend geht zu Kuschelnoten. Nur nicht bei Juristen.
LTO: Was hat Ihre Untersuchung im Allgemeinen über die Benotungspraxis an deutschen Hochschulen zu Tage gefördert?
Stucke: Der Durchschnitt der Prüfungsnoten an deutschen Hochschulen weist je nach Studienfach, Hochschule und Abschluss nach wie vor große Unterschiede auf. Mit welcher Note ein Studium abgeschlossen wird, hängt in Deutschland nicht nur von der Prüfungsleistung ab, sondern auch davon, was und wo man studiert. Erhebliche Unterschiede zeigen sich auch innerhalb der einzelnen Fachbereiche. So können die durchschnittlich vergebenen Abschlussnoten je nach Standort um mehr als einen ganzen Notenschritt voneinander abweichen.
Generell setzt sich die Tendenz zur Vergabe besserer Noten im Vergleich zu früheren Jahren weiterhin fort. In den Bachelorprüfungen, die 2010 ein knappes Drittel der bestandenen Prüfungen ausmachten, wurde in vier von fünf Fällen die Abschlussnote sehr gut oder gut vergeben.
LTO: Unter Juristen wird generell angenommen, dass man keine "Kuschelnoten" verteile: Wie steht es um die Benotung in den Rechtswissenschaften tatsächlich?
Stucke: Es ist nach wie vor richtig, dass in den Rechtswissenschaften keine "Kuschelnoten" verteilt werden, sondern im Vergleich zu anderen Studiengängen am strengsten bewertet wird.
Beispielsweise schnitten im Jahr 2010 im Diplomstudiengang Biologie 98 Prozent und im Diplomstudiengang Psychologie 97 Prozent mit "gut" oder "sehr gut" ab, in der Ersten Juristischen Staatsprüfung dagegen nur 7 Prozent der Universitätsabsolventen. In den entsprechenden Bachelorstudiengängen waren es 84 Prozent (Biologie), 95 Prozent (Psychologie) bzw. 37 Prozent (Jura).
Jedoch haben sich die Noten der Prüfungsgruppe "Diplom (Universität) und entsprechende Abschlüsse", zu der auch Staatsexamen und Magister zählen, in den Rechtswissenschaften in den letzten 15 Jahren geringfügig verbessert. So würde sich nach unserer Berechnung für 1995 ein Durchschnitt von 3,3 ergeben, für 2000 ein Durchschnitt von 3,2, für 2005 ein Durchschnitt von 3,1 und für 2010 ein Durchschnitt von 3,0. Allerdings liegt dies auch an der Einführung der universitären Schwerpunktprüfung.
Schwerpunktprüfungen sorgen für besseren Schnitt
LTO: Wie verhält es sich denn mit der Benotung in der universitären Schwerpunktbereichsprüfung?
Stucke: Die universitären Schwerpunktprüfungen wurden 2010 im Schnitt um eine halbe Note besser bewertet als die staatlichen Pflichtfachprüfungen. Die Durchschnittsnote in den universitären Schwerpunktprüfungen entsprach 2010 der Durchschnittsnote der Bachelor-Prüfungen an Universitäten (2,6). Der Durchschnitt im Magister und Master ist mit 2,1 bzw. 2,0 noch besser.
LTO: Wie steht der Wissenschaftsrat zu den festgestellten Missständen in der Benotungspraxis?
Stucke: Generell bemängeln wir die eingeschränkte Vergleichbarkeit von Prüfungsnoten. Durch die starken Unterschiede in der Notengebung zwischen einzelnen Fächern und zwischen einzelnen Hochschulstandorten wird die Aussagekraft der einzelnen Note erheblich geschwächt.
Von diesem Problem sind mit der Stufung der Studiengänge und der Zulassungspraxis zum Master nun nicht mehr nur die Arbeitgeber, sondern auch die Hochschulen selbst betroffen. Denn bei der Auswahl der Kandidaten für Master-Programme sind die Hochschulen nun erstmals selber auf standortübergreifend vergleichbare Prüfungsnoten angewiesen.
Vielleicht gibt dies den Anstoß, die Benotungspraxis an Hochschulen einmal gründlich zu reflektieren. Langfristig muss auf Bewertungsmaßstäbe hingewirkt werden, die eine weitgehende Vergleichbarkeit der Bachelor-Prüfungsnoten zumindest im gleichen Fach und in verwandten Fächern gewährleisten.
LTO: Sehr geehrter Herr Dr. Stucke, vielen Dank für die aufschlussreichen Informationen.
Mehr im Internet:
Bericht des Wissenschaftsrats "Prüfungsnoten an Hochschulen"
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