"Dann müssten Sie klagen!"
"Dann müssten Sie klagen", sagte ein Mitarbeiter aus der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, als Lukas Czeszak und Sören Danielowski dort ihr zu gering berechnetes Weihnachtsgeld beanstanden. Die beiden Jurastudenten nahmen die Herausforderung an – und obsiegten kürzlich vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Hannover. Die Vorgehensweise des Bundeslandes, gegen die sie sich die beiden wehrten, betrifft alle studentischen Hilfskräfte in Niedersachsen, die mehr als einen Arbeitsvertrag mit einer niedersächsischen Hochschule haben: Nach einem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (NMWK) ist § 20 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) entsprechend auf die Arbeitsverträge der regionalen studentischen Hilfskräfte anwendbar. Danach haben diese einen Anspruch auf Jahressonderzahlung – das Weihnachtsgeld - in Höhe von 80 Prozent eines monatlichen Nettogehalts. Die zuständige Oberfinanzdirektion zahlte diese 80 Prozent aber nur auf den am höchsten vergüteten von mehreren Arbeitsverträgen. Für die übrigen überwies sie nur 25 Prozent eines Monatsnettogehalts als Weihnachtsgeld. So auch an Danielowski und Czeszak, die sowohl beim rechtswissenschaftlichen Dekanat als auch dem Institut für Rechtsinformatik (IRI) der Universität Hannover angestellt sind.
Jahrelange Intransparenz bei Weihnachtsgeldzahlung
"Die Berechnung der Jahressonderzahlung war undurchsichtig, weil sie sich nicht direkt aus dem Arbeitsvertrag ergab, sondern aus dem Erlass im Zusammenspiel mit dem TV-L", sagt Czeszak, der an beiden Einrichtungen schon mehrere Jahre tätig ist. Als in einer Rundmail im Sommer 2015 alle Beschäftigten auf die Berechnung des Weihnachtsgeldes hingewiesen wurden, nahmen er und Danielowski dies zum Anlass, die erhaltenen Zahlungen nachzurechnen. Ergebnis: Das Land überwies ihnen zu wenig. "Erst vermuteten wir einen Verwaltungsfehler, immerhin ist die Konstellation mehrerer Arbeitsverträge kein Einzelfall. Da würde die Behörde sicherlich Erfahrung haben und uns schnell weiterhelfen können", glaubte Danielowski. Die aber begründete die Höhe der Zahlung mit einer Anweisung des NMWK, nach der das Weihnachtsgeld für alle übrigen Arbeitsverträge ausdrücklich nur 25 Prozent des monatlichen Nettogehalts betragen sollte. Die beiden Jurastudenten wurden stutzig. Nicht nur widersprach diese Anweisung dem Erlass über die Anwendbarkeit des § 20 TV-L. Ebenso wollten sie nicht akzeptieren, dass die Oberfinanzdirektion weitere Nachfragen beharrlich abwimmelte. Als dann auch noch der "freundliche Hinweis" erfolgte, man könne ja klagen, begannen die beiden zu recherchieren. Nach kurzer Zeit stand für sie fest: "Die geringere Weihnachtsgeldzahlung entbehrt jeglicher Grundlage."2/2: Land zahlt plötzlich auch ohne Urteil
Für Czeszak ging es um Weihnachtsgeldnachzahlungen in Höhe von etwa 270 Euro aus den letzten drei Jahren, Danielowski stritt um rund 150 Euro Nachzahlung für 2015. Das ist Geld, aber nicht so viel, dass ein jeder viele Stunden Arbeit und Lebenszeit in eine juristische Auseinandersetzung stecken würde. Ganz im Gegenteil: "Obwohl viele von diesem Missstand betroffen waren und es noch sind, waren wir tatsächlich die Ersten, die sich dagegen gerichtlich wehrten", so Czeszak. Dieses Pionierdasein war eine zusätzliche Motivation, wirklich ernst zu machen. Danielowski verfügte über Erfahrungen aus einem Moot Court, das Kostenrisiko wäre im Falle einer Niederlage überschaubar gewesen: "Vor dem Arbeitsgericht kann man sich selbst vertreten. Da war die Hemmschwelle gering, ein Verfahren in der Praxis zu führen." Die Beiden reichten separate Klagen beim Arbeitsgericht Hannover ein, da jeder seine Ansprüche für sich geltend machen musste und sich ihre Fälle in einigen Details unterschieden. Die Argumentation aber war im Wesentlichen dieselbe: Die interne Anweisung des NMWK an die Oberfinanzdirektion, auf alle Arbeitsverträge außer dem am besten vergüteten nur 25 Prozent eines Monatsnettogehalts als Jahressonderzahlung zu berechnen, entfalte als Verwaltungsvorschrift keine Außenwirkung, zumal keine Einbeziehung in die Arbeitsverträge stattgefunden habe. Zudem verstoße es gegen das Gleichheitsgebot aus Art. 3 I Grundgesetz, dass Hilfskräfte, die über einen einzigen Arbeitsvertrag verfügen, besser gestellt würden als solche, die in der Summe mehrerer Verträge die gleiche Stundenzahl ableisten. In beiden Verfahren platzte der Gütetermin. Das Land ließ sich auf keinen Vergleich ein, Danielowski und Czeszak waren sich weiterhin "sehr sicher, Recht zu haben". So war es dann auch, zumindest dem Verhalten des Bundeslandes nach zu urteilen: Noch vor den mündlichen Verhandlungen entschied das NMWK in beiden Fällen, dass die umstrittene Verwaltungsvorschrift für 2015 nicht anzuwenden sei. Somit ging es im Fall Danielowski nur noch um die anzuwendende Berechnungsgrundlage, während das Land im Fall Czeszak nach einem Hinweis des Gerichts überraschend für die noch offenen Jahre zahlte – und ihn so klaglos stellte. Nur hinsichtlich der streitigen Bemessungsgrundlage im Einzelfall entschied das Gericht durch Urteil zugunsten von Danielowski.Zweite Streitrunde bei der nächsten Jahressonderzahlung?
"Der Personalbereich der Universität reagierte von Anfang an mit Unverständnis auf das Verhalten der Oberfinanzdirektion. Deshalb gab man uns die Möglichkeit, alle anderen studentischen Hilfskräfte regelmäßig durch den offiziellen E-Mail-Verteiler über den Verlauf unserer Verfahren zu informieren", so Danielowski. Dass sich die Sache vorerst erledigt hat, kommt ihm sehr gelegen: Er schreibt im Juli Examen. Doch ohne eine eindeutige Gerichtsentscheidung könnte der Streit über die Weihnachtsgeldzahlungen 2016 erneut beginnen, einer der beiden zuständigen Arbeitsrichter habe ein mögliches Wiedersehen schon angedeutet. Vielleicht werden Czeszak und Danielowski dann wieder die Ersten sein.Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2016 M06 2
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