Gründung von Klimarechtsinitiativen

Mehr Kli­ma­schutz­recht an den Unis!

Gastbeitrag von Paula Schindler und Martje Köppen, LL.B.Lesedauer: 5 Minuten

Das Klimaschutzrecht spielt eine entscheidende Rolle beim Engagement im Klimaschutz – aber an den Universitäten ist es noch nicht überall angekommen. Paula Schindler und Martje Köppen zeigen auf, wie Studierende das ändern können.

Innerhalb der nächsten acht Jahre müssen wir unsere Treibhausgasemissionen um 65 Prozent senken (§ 3 I Nr. 1 KSG). Es muss also schnell gehen und das Recht spielt eine entscheidende Rolle dabei. Aber was können Jurastudierende da tun? Bleibt ihnen nur, weniger Lehrbücher kaufen, um Bäume zu retten? Im Gegenteil, da gibt es mehr Möglichkeiten.

Damit die juristische Ausbildung “future proof” ist, brauchen wir Lehrangebote im Klimaschutzrecht. Diese gibt es bisher allerdings kaum. Um das zu ändern, können Jurastudierende sich in Klimarechtsinitiativen für die Errichtung solcher Lehrangebote einsetzen - und so zum Systemwandel im und durch Recht direkt beitragen.

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Warum brauchen wir mehr Klimarechtsinitiativen?

Es ist Aufgabe von Jurist:innen den bevorstehenden Transformationsprozess in Gesetz und Recht umzusetzen. Vermeidung von und Anpassung an Klimawandelfolgen müssen juristisch begleitet werden. Der Arbeitsmarkt für Klimajurist:innen wächst rasant: Kanzleien, öffentliche und internationale Institutionen, Finanzinstitute und Unternehmen suchen qualifizierte Arbeitskräfte in den Bereichen Energierecht, Taxonomieverordnung und Compliance.

Umso erstaunlicher ist der ernüchternde Status Quo der Lehre: Umweltrecht ist nur in drei Bundesländern im Pflichtstoff verankert (Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein), Klimaschutzrecht in keinem einzigen. An vielen Universitäten besteht nicht einmal eine überobligatorische Option dazu. Daher brauchen wir auf hochschulpolitischer Ebene Klimarechtsinitiativen, um Klimaschutzrecht auf die akademische Tagesordnung zu bringen (vgl. Gundert/Köppen/Krüßmann/Menzel, Klimarecht in der Lehre, NJW-aktuell 31/2022, S. 19).

In München und Hamburg ist es Studierenden bereits gelungen, das Thema an ihren Universitäten zu etablieren. Konkreter: Neben Publikationskreisen, Karriereveranstaltungen und Vortragsreihen konnten Lehrveranstaltungen im Wert von mehr als 15 ECTS (450 Semesterwochenstunden) etabliert und Klimaschutzbezüge in bestehenden Vorlesungen verankert werden.

Anhand der Initiativen Recht und Nachhaltigkeit e.V. der Ludwig-Maximilians-Universität (RuN) sowie der Hochschulgruppe Klima und Nachhaltigkeit der Bucerius Law School (Klima HSG) werden Best- Practice-Beispiele geteilt, wie Studierende auch an anderen Universitäten einen Wandel in der Lehre hin zu mehr Klimaschutz bewirken können.

Mangels Ausbildungsangebot ist das Engagement in einer Klimarechtsinitiative für Studierende oft der einzige Weg, sich im Bereich Klimarecht zu profilieren: Man kann sich inhaltlich weiterbilden, mit Gleichgesinnten vernetzen und Kontakte für Promotionsstellen, Praktikums- und Referendariatsplätze im Bereich Klima, Nachhaltigkeit und Recht knüpfen. Das ist gleichzeitig eine Motivation auf dem langen Weg zum Staatsexamen.

Wie gründet man eine Klimarechtsinitiative?

Schritt 1: Gleichgesinnte finden

In der Gründungsphase steht an erster Stelle die Suche nach Gleichgesinnten. Mittlerweile gibt es viele Jurastudierende, die sich für das Thema Klima und Nachhaltigkeit begeistern und sich im Studium damit beschäftigen wollen. Ob beim Mittagessen in der Mensa, in der WhatsApp-Gruppe oder der AG: Rumfragen lohnt sich!

Schritt 2: Konzept definieren

Als Konzept kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht: So kann sich die Initiative inhaltlich mit einem Thema, z.B. Nachhaltigkeit, befassen und wissenschaftliche Arbeit und Vernetzung an der Universität fördern (Konzept von RuN). Alternativ oder zusätzlich hat sich bewährt, konkrete Vorschläge für Lehrveranstaltungen (Umfang, Dozent:innen, Art der Prüfungsleistung) zu erarbeiten und diese schon mit Finanzierungsvorschlägen an die Hochschule heranzutragen (Konzept der Klima HSG).

Eine weitere Option ist, sich in der deutschlandweit aktiven Climate Clinic zu engagieren und die Gründung einer Regionalgruppe voranzutreiben. Die Climate Clinic e.V. verfolgt das Ziel, Recht für Klimaschutzaktive aus Zivilgesellschaft und Politik zugänglich zu machen. Sie bietet Gelegenheit, sich praxisnah mit klimaschutz- bzw. umweltschutzrechtlichen Konstellationen auseinanderzusetzen.

Als Organisationsstruktur der Initiative kommt eine Hochschulgruppe oder ein eingetragener Verein in Betracht. Eine Hochschulgruppe ist etwas agiler, wohingegen ein Verein mehr Kontinuität bietet. Teilweise knüpfen Universitäten die Förderung studentischer Initiativen auch an eine bestimmte Organisationsstruktur.

Schritt 3: Kick-Off-Event

Es bietet sich an, früh ein Kick-Off-Event zu veranstalten (z.B. zu einem Thema wie Klimaschutz und Menschenrechte, Klimastrafrecht oder dem Klimabeschluss des BVerfG). Das Event sollte möglichst an bekannte Lehrinhalte anschließen, damit es auch ein Anknüpfungspunkt für Studierende ist, die noch keinen direkten Bezug zur Thematik haben.

Wie arbeitet eine Klimarechtsinitiative?

Als studentische Initiative steht man vor allem vor zwei Herausforderungen: 1. Die ohnehin hohe Belastung durch das Jurastudium und 2. Die Fluktuation von Mitgliedern.

Eine interne Organisationsstruktur, die auf Arbeitsteilung ausgelegt ist, wie Ressorts oder Arbeitsgruppen bietet sich daher an. Ein paar weitere Tipps: Haltet Arbeitstreffen möglichst kurz und effizient. Kommuniziert Zuständigkeiten, Arbeitsvorgänge und Arbeitsergebnisse so klar wie möglich. Nutzt digitale Arbeitstools und Workspaces wie Slack, Miro oder Google Calendar.

Teambuilding-Maßnahmen und die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Klima und Recht motivieren Studierende zur Mitarbeit in der Initiative. Die Mitglieder profitieren insbesondere vom Austausch mit Studierenden aus höheren Semestern sowie Promovierenden, Berufsanfänger:innen, Kanzleien und Professor:innen. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt: Von Stammtischen über Buchclubs, interne Diskussionsrunden und Workshops mit Kanzleien – alles ist möglich. Eine Corporate Identity führt ebenfalls dazu, dass sich Studierende nachhaltig mit der Initiative identifizieren.

Über die Zeit scheiden immer wieder Mitglieder vor allem aufgrund der Examensvorbereitung aus. Daher ist es wichtig, sich um neue Mitglieder zu bemühen. Mit einem guten Social-Media-Kanal kann man die Reichweite der Initiative unter Studierenden deutlich erhöhen. Denn mal ehrlich: Eine Verlinkung auf der Fakultätshomepage ist hilfreich, aber im Zweifel verbringen Studierende mehr Zeit auf Instagram als auf der Uni-Homepage.

Auch eine eigene Website unterstützt die Wahrnehmung durch einen größeren Personenkreis. Das hilft bei der Suche nach Sponsor:innen und der Kontaktaufnahme mit Kanzleien und signalisiert Professionalität.

Und was, wenn man mal nicht weiter weiß? Dann kann die Klimakommission des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. eine erste Anlaufstelle sein. Die Klimakommission engagiert sich auf Bundesebene für mehr Klimarecht in der juristischen Ausbildung. Einzelne Klimarechtsinitiativen können sich dort vernetzen.

Was sollte man vermeiden?

Sowohl RuN als auch HSG vermeiden eine parteipolitische oder aktivistische Positionierung, da Universitäten als staatliche Institutionen zur Neutralität verpflichtet sind und Kooperationen dadurch erschwert werden können. Außerdem gilt es, Zweifel an der eigenen Glaubwürdigkeit z.B. durch "klimaschädliche" Sponsoringpartner (Stichwort: Greenwashing) und die Konkurrenz zu anderen Initiativen an der eigenen Hochschule zu vermeiden.

Die Erfahrungen von RuN und HSG haben vor allem zweierlei gezeigt: Erstens gibt es sehr viele Jurastudierende, die sich für Recht, Nachhaltigkeit und Klima interessieren. Zweitens freuen sich die Universitäten über Engagement, denn sie sind auf Feedback der Studierenden angewiesen.

Klimarechtsinitiativen sind also ein Sprachrohr für Studierende, um konstruktiv den Wunsch nach Lehrangeboten zu äußern. Dadurch entsteht eine neue Form des Klimaengagements: Das Klimaengagement 2.0. Nach den Freitagsdemonstrationen setzen sich junge Menschen auch für einen systematischen Wandel im Rahmen ihres Studienfachs und in der Lehre ein.

Mehr zu Klimaschutz und Jurastudium sowie andere Themen zu Klima und Karriere gibt es zum Nachhören in der dritten Folge des LTO-Minipodcasts Klimaparagrafen. Unter anderem: Was tun Kanzleien für ihre Klimabilanz? Weitere Artikel zum Thema außerdem im LTO-Dossier Klima & Recht.

Paula Schindler studiert Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der University of Oxford und hat Recht und Nachhaltigkeit e.V. mitgegründet.

Martje Köppe, LL.B., studiert zum einen Rechtswissenschaft an der Bucerius Law School und der Stockholm Universitet und zum anderen Umwelt- und Energietechnologie am Imperial College London. Sie hat die Hochschulgruppe Klima und Nachhaltigkeit der Bucerius Law School und die Kommission für Klima im Recht des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften mitgegründet. Sie ist ein Climate Pact Ambassador der Europäischen Kommission.

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Thema:

Dossier Klima & Recht

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