Olympia-Gewinner und Jurist Martin Sauer im Interview

"Per­sön­li­cher Druck beim Examen höher als bei Olympia"

Interview von Pauline DietrichLesedauer: 5 Minuten

Der Jurist und Ruderer Martin Sauer beendete mit Olympia 2020 seine Sportlerkarriere. Wie er seine Examensvorbereitung mit dem Profisport vereinbaren konnte und wohin ihn seine Jura-Karriere führen soll, erzählte er Pauline Dietrich.

LTO: Herr Sauer, Sie haben zuletzt bei Olympia 2020 als Steuermann des Deutschland-Achters die Silbermedaille geholt. Das ist bereits Ihre dritte olympische Medaille. Nun beenden Sie Ihre Profikarriere im Rudersport nach 13 Jahren. Wie geht es Ihnen damit?

Ich erhole mich zurzeit ganz ordentlich. Insbesondere, weil zwischen den olympischen Spielen wegen der Corona-Pandemie dieses Mal fünf Jahre lagen, war es zuletzt doch eine sehr anstrengende Zeit.

Bei Ihrem letzten Interview mit LTO im Jahr 2012 waren Sie noch Jurastudent an der Uni Bochum. Haben Sie das Studium inzwischen beendet?

Ja, ich habe 2014 den Staatsteil des ersten Examens absolviert und dann 2018 mit dem Schwerpunktbereich abgeschlossen. Insgesamt habe ich damit ungefähr doppelt so lange studiert wie andere, nämlich 18 Semester. Seit 2018 habe ich dann nur darauf gewartet und hingearbeitet, dass die olympischen Spiele in Tokio stattfinden.

Hat das Studium wegen des Ruderns so lange gedauert?

Ja, das muss man ganz klar sagen. Wegen des Ruderns war ich vermutlich nur die Hälfte der genannten Semester an der Uni anwesend. Ich habe immer blockweise gearbeitet. Mal gab es eine Phase, wo ich mich hauptsächlich auf das Rudern konzentriert habe und mal eine Phase mit Fokus auf dem Studium.

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"Im Leistungssport wird ständig geprüft, das hat mir im Examen geholfen"

Wie lief die Vorbereitung auf das Examen in Anbetracht des Zeitmangels ab?

Zunächst bin ich sehr dankbar dafür, dass das Prüfungsamt mit mir zusammen einen Examenstermin gesucht hat, an dem ich nicht im Ausland sein musste. Für die konkrete Vorbereitung hatte ich dann ein Jahr Zeit. Hier hat mir das Klausurenschreiben extrem geholfen. Dafür habe ich einen privaten Klausurenkurs benutzt. Ich habe mich immer nach der ersten Trainingseinheit am Morgen hingesetzt und an drei Tagen der Woche fünf Stunden lang die Klausuren geschrieben und eingeschickt. An den anderen beiden Tagen habe ich mich auf die Klausuren vorbereitet. Am Wochenende war ich nur mit Training beschäftigt.

Was ist anstrengender: Eine Examensvorbereitung oder die Vorbereitung auf Olympia?

Anstrengend war beides, aber auf eine andere Art und Weise. Körperlich ist natürlich das Rudern anstrengender gewesen. Beim Examen würde ich eher sagen, dass mir der Sport zugutekam. Dadurch, dass man im Leistungssport ständig abgeprüft wird, hat man wenig Probleme damit, dass das beim Examen auch passiert. Das habe ich im Vergleich zu den anderen Prüflingen gemerkt. Obwohl ich im Zweifel eher schlechter vorbereitet war als sie, bin ich mit der Prüfungssituation an sich besser klargekommen.

Ist allerdings ein Wettkampf bei den olympischen Spielen beendet, kommt in vier Jahren im Idealfall schon der nächste. Beim Juraexamen gibt es nicht so viele Möglichkeiten der Wiederholung, was den größten Unterschied ausmacht. Deshalb ist der persönliche Druck beim Examen auch höher gewesen als bei Olympia, zumal es bei sportlichen Wettkämpfen auch immer darauf ankommt, wie gut der Gegner ist.

"Examensvorbereitung für mentale Gesundheit eher angenehm"

Wie konnten Sie diese sehr intensiven Jahre mit Ihrer mentalen Gesundheit in Einklang bringen?

Das war tatsächlich ein großes Thema. Meine zwei eingeschlagenen Laufbahnen haben mir in dieser Hinsicht aber eher geholfen. Wenn beispielsweise beim Rudern mal wieder etwas nicht gut lief, konnte ich mir darüber ab dem Zeitpunkt, wo ich für das Studium lernen musste, keine Gedanken mehr machen. Insbesondere die Examensvorbereitung war für die mentale Gesundheit daher eher eine angenehme Zeit, weil ich zwei Sachen hatte, auf die ich mich voll konzentrieren konnte.

Wie geht ihre juristische Karriere nun weiter?

Das ist noch nicht ganz klar. Ich bin nun einmal seit mehr als einem Jahrzehnt in der Sportwelt verhaftet und auch dort gibt es für Juristinnen und Juristen viel zu tun. Beispielsweise kommen Funktionärsstellen in Betracht. Außerdem fehlt es einigen Sportverbänden am juristischen Fachwissen sehr. So wird man als Sportler bei Konflikten häufig auf den langwidrigen Klageweg verwiesen, welcher in Anbetracht der kurzen Zeit, die man als Leistungssportler nur tätig sein kann, nichts nützt.

Beispielsweise bei der Abtretung von Rechten des Sportlers an Verbände kann es sehr weit gehen. Auch bei der Dopingkontrolle ist das Prinzip "im Zweifel für den Angeklagten" inzwischen leider ausgehöhlt. Man muss als Sportler heutzutage eher beweisen, dass man nicht gedoped ist. Hier sehe ich viel Klärungsbedarf. Ansonsten halte ich mir noch die Möglichkeit offen, das Referendariat zu absolvieren. Daher habe ich auch mit der Profikarriere aufgehört. Anders als im Studium sehe ich beim Referendariat keine Möglichkeit mehr, beides zu vereinbaren.

"Mehr Geld im Rudern hätte mich nicht vom Jurastudium abgehalten"

Hätten Sie die juristische Laufbahn eingeschlagen, wenn man als Profi-Ruderer mehr verdienen würde?

Mehr Geld im Rudern hätte mich nicht vom Jurastudium abgehalten. Ich habe das sehr gerne studiert und bin auch dankbar dafür es gemacht zu haben. Ich saß jedenfalls mit dem Deutschland-Achter schon in einem Boot, wo man als Ruderer noch am meisten verdient. Das aber nur, weil wir so erfolgreich waren - und das kann man schließlich nicht immer erwarten. Zum Beispiel habe ich in diesem olympischen Jahr so 30-35.000 Euro brutto verdient, das zählt zu den richtig guten Jahren. Aber selbst, wenn die finanziellen Bedingungen anders wären, hätte ich auch aufgrund der körperlichen Anstrengungen das Rudern nicht hauptberuflich weiterverfolgt.

Gibt es ein Rechtsgebiet, das Sie besonders interessiert?

Tatsächlich das Steuerrecht, welches auch mein Schwerpunktbereich war. Für mich ist das sowohl rechtlich als auch politisch unglaublich spannend. Ich würde jedem empfehlen sich damit zumindest ein bisschen auseinanderzusetzen.

Was möchten Sie der nachfolgenden Generation junger Profiruderer und -ruderinnen auf den Weg geben in Bezug auf die Vereinbarkeit mit Studium oder Ausbildung?

Ich würde sicherlich Niemandem raten es genauso wie ich zu machen. Im Nachhinein hat es durchaus Momente gegeben, wo ich mich mehr auf das Studium hätte konzentrieren sollen. Das Wichtigste ist am Ende des Tages der zu sein, der man ist. Dann hat man immer die besten Chancen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Sauer!

Die Fragen stellte Pauline Dietrich

Martin Sauer war 13 Jahre lang Steuermann des Deutschland-Achters und gewann in dieser Position unter anderem drei olympische Medaillen, darunter im Jahr 2012 die Gold-Medaille. Mit seinem Jurastudium an der Uni Bochum schloss Herr Sauer im Jahr 2018 erfolgreich mit dem ersten Staatsexamen ab. Sein absolutes Highlight der letzten 13 Jahre sei jedoch die Geburt seines Sohnes gewesen.

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