Doppelabschluss Staatsexamen und Bachelor

Stu­dium mit Sicher­heits­netz

von Sabine OlschnerLesedauer: 6 Minuten

Wer nach Jahren des Lernens und Dutzenden von Probeklausuren durchs Examen fällt, steht aus akademischer Sicht mit leeren Händen da. Das spricht für Universitäten, die neben dem Staatsexamen zusätzlich einen Bachelorabschluss anbieten.

Ein Bachelor-Abschluss, der in das Jurastudium integriert ist und den man ohne großen Mehraufwand im Vergleich zum Staatsexamen erhält – dagegen scheint erst mal nichts zu sprechen. Selbst wenn man ihn am Ende nicht "braucht", weil man noch das Staatsexamen absolviert, so nimmt die Sicherheit, schon einen Abschluss in der Tasche zu haben, womöglich einen Teil des  Drucks aus der Staatsprüfung. So argumentieren jedenfalls Befürworter, manch eine hält den JuraBachelor dagegen für einen "Loser Abschluss" – eine Einschätzung, die kürzlich an die Spitze der Jurios Hall of Shame der juristischen Ausbildung gewählt wurde.

Am Ende wird der juristische Arbeitsmarkt entscheiden, welchen Wert der Bachelor hat. Als neuer Abschluss erhöht er jedenfalls die Differenzierungsmöglichkeiten im Rahmen der Ausbildung. Für angehende Jurastudierende, die noch überlegen, in welcher Stadt sie ihre erste WG gründen sollen, ist der Bachelor ein zusätzliches Entscheidungskriterium. Bisher gibt es nur wenige Universitäten in Deutschland, die ihren Jurastudierenden einen integrierten Bachelor of Laws (LL.B.) anbieten. Zu ihnen gehören die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), die Universität Trier und die Freie Universität Berlin.

Wie funktioniert das dort mit den zwei Abschlüssen? Inwiefern werden Bachelor-Prüfungsleistungen zugleich als Voraussetzungen für die Anmeldung zum Staatsexamen gezählt und umgekehrt? Und sind Wechsel von anderen Unis oder Quereinstiege möglich?

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Erstes Kombinationsstudium bundesweit in Frankfurt (Oder)

Die Europa-Universität Viadrina war 2013 bundesweit die erste Universität, die einen Bachelorabschluss in ihr Jurastudium integriert hat. In Potsdam ist es für Jurastudierende zwar ebenfalls seit 2013 möglich, einen Bachelor zu erwerben. Aber während das dort ein eigener Studiengang ist, bietet die Viadrina den Bachelor als integrierten Abschluss an, den alle Jurastudierenden bekommen können.

"Auf dem Weg zum Staatsexamen leisten unsere Studierenden alles, was für den Bachelorabschluss nötig ist", erklärt Michaela Ignatius, Geschäftsführerin der Juristischen Fakultät der Viadrina.

Die Seminararbeit im Schwerpunkt ist zugleich die Bachelorarbeit. Ein 13-wöchiges Praktikum ist Voraussetzung für den berufsqualifizierenden Abschluss, ebenso wie der Besuch von Zusatz- und Schlüsselqualifikations-Veranstaltungen, darunter zwei Semesterwochenstunden zur juristischen Fremdsprachenkompetenz. "Eine Besonderheit an unserer Universität ist der verpflichtende Besuch von Lehrveranstaltungen an einer der beiden Nachbarfakultäten", führt Ignatius weiter aus. Im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften oder Kulturwissenschaften müssen die Studierenden 15 ECTS-Punkte erlangen, in Veranstaltungen ihrer Wahl. Außerdem ist eine Europarechtsklausur verpflichtend.

Sind alle Leistungsvoraussetzungen erfüllt, können Studierende beim Prüfungsamt den Antrag auf Verleihung des Bachelortitels stellen. "Idealerweise sollten sie dies vor der Examensprüfung tun, um beruhigter in die Klausuren zu gehen", erläutert die Fakultätsgeschäftsführerin die Idee hinter dem integrierten Bachelor als psychologisches Auffangnetz. Aber auch nach dem ersten oder sogar nach dem zweiten gescheiterten Versuch ist es noch möglich, den Bachelorabschluss zu beantragen.

Viadrina hilft BAföG-Empfängern bundesweit

Rund 80 Prozent der Jurastudierenden nehmen den Bachelor in Frankfurt (Oder) mit. "Außerdem haben wir viele, die im Laufe ihres Jurastudiums den Studienplatz wechseln, um bei uns den Bachelor zu bekommen", sagt Michaela Ignatius. "Wir hatten schon Studierende aus allen deutschen Jura-Universitäten bei uns."

Wer am Ende das Staatsexamen absolviert, für den ist der Bachelorabschluss weniger bedeutsam. "Er steht halt doch noch im Schatten des Staatsexamens", meint Ignatius. "Aber für alle, die im Ausland einen Master machen wollen, ist er vielleicht doch interessant, weil das deutsche juristische Staatsexamen nicht überall bekannt ist."

Ein finanzielles Problem, das anfangs einige Studierende hatten, ist mittlerweile übrigens aus dem Weg geräumt: Die Europa-Universität Viadrina sorgte dafür, dass das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) mit Wirkung zum August 2016 geändert wurde. Wer sich für das Jurastudium mit integriertem Bachelor-Abschluss entschieden hat und grundsätzlich BAföG-berechtigt ist, erhält nun bis zum Ende des gesamten Studiums – also im Regelfall bis zum Abschluss des Ersten Staatsexamens – die Förderung. Vorher war die Unterstützung nach Erreichen des Bachelors ausgelaufen, weil damit der erste berufsqualifizierende Abschluss erreicht war. Auch aus finanziellen Gründen spricht also nichts mehr gegen einen Doppelabschluss – weder an der Viadrina noch an anderen deutschen Universitäten, die das Modell anbieten.

Ab diesem Wintersemester auch an der Uni Trier

Eine davon ist die Universität Trier. Hier ist der integrierte Jura-Bachelor ganz frisch: Seit dem Wintersemester 2023/24 erwerben Studierende in einem Doppelstudiengang auf dem Weg zum Staatsexamen zusätzlich einen Bachelor-Abschluss in Rechtswissenschaft.

"Unser Ziel bei der Entwicklung des neuartigen Studiengangs war es, das Jurastudium attraktiver zu machen", erklärt Prof. Dr. Antje von Ungern-Sternberg, Dekanin am Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Trier. Studierende sollen "unbelastet und ohne Ängste" in die finalen Prüfungen gehen – mit dem Wissen, dass sie zumindest einen Bachelor-Abschluss in der Tasche haben, falls sie das juristische Examen nicht bestehen. "Das Trierer Modell ist wie ein Sicherheitsnetz im Rücken", sagt die Dekanin. Es soll vor allem sicherheitsorientierte Studierende ansprechen, die vielleicht skeptisch sind, ob sie dem Staatsexamen wirklich gewachsen sind. "Außerdem ist der Bachelor-Abschluss für alle interessant, die im Ausland juristisch arbeiten wollen. Denn dort weiß man mit dem typisch deutschen Staatsexamen oft nichts anzufangen, mit einem international anerkannten Bachelor aber sehr wohl."

Wer sich ab dem Wintersemester 2023/24 in Trier für das Studienfach Jura einschreibt, hat die Wahl, ob er oder sie den Doppelstudiengang oder den klassischen Examensstudiengang belegt. Es spricht aber nichts dagegen, direkt den Doppelstudiengang zu wählen, denn der Studienaufwand ist der gleiche: Als Bachelor-Arbeit gilt die Seminararbeit im Schwerpunktfach, die ohnehin alle
Jurastudierenden schreiben müssen. "Wer sich zunächst für das reine Examensstudium entscheidet, kann seine Meinung später noch ändern", betont von Ungern-Sternberg. Auch Jurastudierende, die schon vor dem Wintersemester 2023/24 in Trier eingeschrieben waren, können sich noch für den Wechsel in den Doppelstudiengang entscheiden.

"Das Interesse an dem Trierer Modell ist sehr groß, sowohl bei den Studierenden als auch bei anderen Universitäten, die ebenfalls eine Umstellung in Erwägung ziehen", beobachtet die Dekanin. Dass es künftig mehr Bewerbungen als Studienplätze geben wird, glaubt von Ungern-Sternberg nicht. "Insgesamt ist in Deutschland das Interesse am Jurastudium ja eher zurückgegangen. Daher hoffen wir, mit unserem doppelten Abschluss wieder mehr angehende Studierende für die Rechtswissenschaften zu begeistern."

FU Berlin: Schwerpunktprüfung an über 50 Partnerunis möglich

Die Grundlage für einen integrierten LL.B.-Abschluss in ihrem rechtswissenschaftlichen Studiengang legte die Freie Universität Berlin bereits 2015: Zu dieser Zeit wurde das Jurastudium modularisiert. Seit dem Wintersemester 2018/19 können Jurastudierende einen Antrag auf den Bachelor-Titel stellen, wenn sie alle Zulassungsvoraussetzungen erfüllt haben, die auch für die Anmeldung zur Staatsprüfung gelten. Zusätzlich zu den fachlichen Modulen müssen sie also auch erfolgreich Schlüsselqualifikationen erwerben, Fremdsprachenfachkompetenzen nachweisen und das Pflichtpraktikum durchlaufen. Die Abschlussnote für den Bachelor setzt sich aus den Prüfungsergebnissen der einzelnen Module der ersten sechs Fachsemester sowie der Note für die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung zusammen.

"Die große Mehrheit unserer Jurastudierenden nimmt das Bachelorangebot in Anspruch", sagt  Simon Roßmann, Referent für Studium und Lehre am Fachbereich Rechtswissenschaft. "Für die meisten ist es eine Rückfalloption, falls sie die erste juristische Prüfung nicht bestehen. Dann haben sie zumindest einen Abschluss in der Hand. Ein kleiner Teil der Studierenden beendet nach Erhalt des LL.B. das Studium, um ein Masterstudium in der Rechtswissenschaft oder in einer verwandten Disziplin anzuschließen."

Wie bei anderen rechtswissenschaftlichen Fakultäten zählt an der FU Berlin die Studienabschlussarbeit im Rahmen der universitären Schwerpunktbereichsprüfung inklusive deren mündlicher Verteidigung als Bachelorarbeit. Das Besondere aber: Die Schwerpunktbereichsprüfung kann an über 50 Partneruniversitäten weltweit zum Teil oder sogar vollständig abgelegt und dann
anerkannt werden. "Das ist für alle, die sich international ausrichten wollen, eine gute Gelegenheit", sagt Roßmann. Der international bekannte und anerkannte Bachelor-Titel macht Bewerbungen im Ausland einfacher. Roßmann ist zufrieden mit dem Modell seiner Universität: "Sowohl für die Studierenden als auch für uns im Fachbereich bedeutet die Ausstellung des Bachelors vergleichsweise wenig administrativen Aufwand."

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