Den Hörsaal auf den Bildschirm holen
Die meisten Studenten haben es sicher schon einmal auf ihrer Uni-Homepage gesehen: einen Link mit der kryptischen Bezeichnung moodle, Ilias oder WebCT. Hinter diesen Bezeichnungen verbergen sich Lernplattformen. Die Angebote sind, egal ob kommerziell oder frei zugänglich, mittlerweile zahlreich.
Lernplattformen ermöglichen die Bereitstellung von Lerninhalten und dienen der Organisation von Lernvorgängen ebenso wie der Kommunikation zwischen der Lernenden untereinander sowie zum Lehrenden.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Lernen und Kommunizieren wird vom Schreibtisch aus möglich - flexibel und unabhängig von Ort und Zeit. Lernplattformen können die Präsenzlehre ergänzen, das Selbststudium durch das Bereitstellen von Unterlagen und Tests unterstützen oder sogar Distanzkurse anbieten, die ganz ohne Präsenzveranstaltung auskommen.
Dennoch tun sich gerade Juristen schwer, diesen Mehrwert zu nutzen. In den Rechtswissenschaften finden die Lernplattformen - wenn überhaupt - vorlesungs- oder seminarbegleitend statt.
Erfolgreiche Pilotprojekte
Ein Beispiel ist das Pilotprojekt "jurmoodle" von Prof. Ansgar Staudinger an der Universität Bielefeld. Auf jurmoodle werden die Vorlesungsinhalte für die Studenten als pdf-Dateien bereitgestellt und zu jeder Vorlesung lernbegleitende Multiple-Choice-Tests, Fälle und ähnliches angeboten.
An der Goethe-Universität in Frankfurt ist die Lernplattform WebCT zentrale Anlaufstelle für die Teilnehmer des Universitätsrepetitoriums und wird dort sehr gut angenommen. Rund 150 Studenten besuchen täglich die Seite. Im Forum sind alleine in der Rubrik "Verbesserungsvorschläge" mehr als 70 Threads eröffnet worden. "Es hat sich bereits jetzt bewährt", stellt Marc Sänger, Koordinator des Repetitoriums, fest. "Wir kommen weg von der rein auditiven Vermittlung der Lerninhalte." Ein weiterer Vorteil sei, dass das Lernen zeitunabhängig werde: "Die Materialien bleiben im Netz. Man kann den Stoff also jederzeit wiederholen, so dass der persönliche Lernplan flexibler wird."
Von den Universitäten wird hauptsächlich eine der drei Lernplattformen moodle, Ilias oder WebCt verwendet. Letztere kommt – da kostenpflichtig - nur vereinzelt zum Einsatz. Die beiden anderen sind weitaus häufiger anzutreffen. Moodle wird zudem gerne von Schulen genutzt, so dass der ein oder andere Student bereits mit ihnen vertraut ist. Die von der Universität Zürich entwickelte Lernplattform OLAT ist zwar erst in wenigen deutsche Universitäten im Einsatz. Sie wird aber angesichts einiger Auszeichnungen vermutlich immer beliebter werden.
Nicht jeder Student kann jede Lernplattform nutzen. Einloggen kann sich nur derjenige, der an der jeweiligen Universität eingeschrieben ist. Die Anmeldung erfolgt mit den Zugangsdaten des Hochschulaccounts, die die Hochschule bei der Immatrikulation mitteilt.
Alle Lernplattformen bieten umfangreiche Tools zum Kursmanagement, die Möglichkeit, Lerninhalte online abrufen zu können sowie Diskussionsforen und Chaträume zur Kommunikation mit Kommilitonen und Lehrenden. Funktionen wie Tests, Quizfunktionen, Übungen und Abstimmungen sind ebenfalls in allen Programmen abrufbar. Ob sie den Studierenden auch angeboten werden, hängt von dem Engagement des jeweils Lehrenden ab.
Mehraufwand für Lehrende zahlt sich aus
Der Mehrwert für den Lernenden liegt auf der Hand - genauso wie die Mehrarbeit für den Lehrenden, aber auch für ihn sind Erleichterungen nicht von der Hand zu weisen. Die Software vereinfacht die Seminarorganisation und die Versorgung der Studenten mit wichtigen Informationen. Am Ende kann so die eine oder andere Präsenzveranstaltung entfallen.
Das bestätigt Marc Sänger: "Wichtige Bekanntmachungen oder Terminverschiebungen können wir per Pop-up auf den Bildschirm bringen, und sie werden angezeigt, sobald sich ein Teilnehmer das nächste Mal auf der Plattform anmeldet." Außerdem bietet die Plattform den Lehrenden Informationen über die Nutzung, zum Beispiel wie oft ein bestimmtes Dokument heruntergeladen wurde.
Der Mehraufwand für die Professoren an der Universität Frankfurt hält sich in Grenzen, denn die Mitarbeiter des Repetitoriums sammeln die Materialien bei ihren Kollegen ein und befüllen die Plattform zentral. "Das hat zusätzlich den Vorteil, dass wir die Dokumente einheitlich in unserem eigenen Design aufbereiten können", erklärt Marc Sänger.
Für den Studenten ist wichtig, sich diese Möglichkeiten auf den Lernplattformen nutzbar zu machen. So kann ein Stöbern durchaus den ein oder anderen fruchtbaren Download zur Folge haben. In Frankfurt jedenfalls musste man die Studierenden nicht lange überzeugen. Am Universitätsrepetitorium nehmen 150 von ihnen teil – angemeldet auf der Lernplattform haben sich rund sechs Mal mehr: vor allem jüngere Semester, die sich Inhalte bereits vorab anschauen wollen.
Die Autorin Rechtsanwältin Dr. Anja Schiemann ist Lehrbeauftragte der Goethe Universität Frankfurt am Main und Habilitantin am Lehrstuhl für Strafrecht, Kriminologie und Rechtsphilosophie. Für die Legal Tribune ONLINE schreibt sie regelmäßig zum Thema E-Learning.
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2011 M02 12
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