Nicht nur Paragrafen abhaken
Das Gesetzbuch zugeklappt, die Stifte weggelegt, die Klausurblätter zusammengeheftet und in den bereitgestellten Pappkarton am Hörsaal-Ausgang gelegt: Als Yorck Frese, Christian Süß und Tino Frieling noch Studenten der Bucerius Law School waren, wäre es an diesem Punkt an der Zeit gewesen, sich mehr oder weniger entspannt zurücklehnen. Seit ihnen vor gut zwei Jahren die Idee für "Examiner" kam, beginnt ihre Arbeit mit dieser Klausurabgabe erst so richtig. "Examiner", so heißt das kleine Unternehmen der examinierten Juristen, an das die Hochschule seit 2011 einen Großteil ihrer Korrekturaufträge für studentische Klausuren vergibt. Als Frese, Süß und Frieling noch dort studierten, wurden ihre Gutachten an wissenschaftliche Mitarbeiter der einzelnen Lehrstühle und Doktoranden weitergereicht, die pro korrigierte Klausur sieben, nach Abzug aller Abgaben also noch rund vier Euro erhielten. Wenig Geld für die Korrektoren, viel Verwaltungsarbeit für die Universität. Sprachlicher Stil, Klausurtechnik, juristische Argumentation: Selten gab es zusätzlich zur Punktzahl ausführliche Anmerkungen zu Aspekten wie diesen.
Die Qualität der Klausurenkorrektur "nach oben schrauben"
Nach dem Examen wurden die drei Hamburger wissenschaftliche Mitarbeiter an der Law School. Bald korrigierten sie ihre ersten eigenen Klausuren. Sie stellten fest: "Die Qualität kann man noch nach oben schrauben", so Yorck Frese. Ein halbes Jahr arbeiteten die drei neben den Recherchen für ihre Dissertationen und dem Alltag am Lehrstuhl an dem Konzept. Ihre Idee: Ein externer Dienstleister, der Korrekturen organisiert und schult, die Klausuren umfassend bewertet und von der Universität dafür neben Geld auch inhaltliches Feedback bekommt. Im Dezember 2010 führten sie ihren ersten Auftrag aus. Eineinhalb Jahre später laufen Klausuren fast jeden Lehrstuhls über ihren Schreibtisch. Die Universitätsleitung, bei der die drei ihr Konzept bereits in der Planungsphase vorstellten, zeigte sich begeistert. Sie spart zwar kein Geld, dafür jedoch viel Zeit: "Es müssen nicht mehr nach jeder Klausur, ob Übung oder Pflicht, erneut Korrekturassistenten angeworben werden. Gute Korrektoren werden häufiger eingesetzt, weniger gute in Zukunft nicht mehr mit Korrekturen betraut", sagt Law School-Pressesprecherin Anouk Marie Lunkenheimer. Das habe die Qualität der Korrekturen gesteigert.Premiumkorrektoren mit Premiumgehalt
Die Korrektoren verdienen nun mit 8,50 Euro brutto etwas mehr pro Klausur als zuvor. Doch nur aufs schnelle Geld hin so viele Arbeiten wie möglich zu korrigieren, zahlt sich auf Dauer nicht aus: Haben sich Korrektoren bewährt, eine gewisse Anzahl an Schulungen besucht und entsprechend viele Klausuren zur Zufriedenheit der Professoren bewertet, können sie zu Premiumkorrektoren werden. Bei "Examiner" so etwas wie eine Beförderung, nach der sie pro Klausur ein Aufschlag gezahlt wird. Doch Frese, Süß und Frieling geht es nicht nur darum, die Universität zu entlasten und den Geldbeutel der Korrektoren zu füllen: Aus eigener Erfahrung als Prüflinge und Korrektoren legen sie vor allem Wert auf die Vorteile für ihre Nachfolger an der Bucerius Law School: "Ich dachte im Studium immer, schlechte Noten lägen daran, dass ich mich auf dem Gebiet nicht gut auskannte. Erst in der Examensvorbereitung wurde mir klar, wie viel man mit einer guten Argumentation erreichen kann", sagt Yorck Frese. Wenn er und seine Kollegen eine Klausur auf dem Schreibtisch haben, haken sie daher nicht bloß Paragrafen ab. Auch Sprache, Erklärung und Aufbau werden ausführlich bewertet. Der neue Korrekturstil kommt bei den Studenten gut an, heißt es an der Universität: "Die Anmerkungen und Lösungstipps sind ausführlicher. So können die Studenten eher aus ihren Fehlern lernen. Da die Korrektoren viel Erfahrung sammeln können, werden die Bewertungen standardisierter und damit auch vergleichbarer", sagt Anouk Marie Lunkenheimer. Einen Unterschied bei den Noten sei jedoch nicht zu erkennen, betont "Examiner". Studenten, Korrektoren und Universität sind zufrieden. Frese, Süß und Frieling können sich über mangelnde Aufträge nicht beschweren. Stattdessen überlegen sie zur Zeit, wie man ihre Idee an anderen Universitäten umsetzen könnte: "Es geht uns dabei nicht um ein Geschäftsmodell, sondern darum, unser Konzept bekannt zu machen", sagt Yorck Frese. Irgendwann einmal die Juraklausuren von Konstanz bis Kiel zu korrigieren, das planen die Hamburger also nicht. Lieber möchten sie an wissenschaftliche Mitarbeiter der Fakultäten herantreten und diese von ihrem Plan überzeugen. Das klingt dann vielleicht so: "Es ist unser kleines Projekt, das neben der wissenschaftlichen Arbeit großen Spaß macht."Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2012 M06 6
Jurastudium
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