"Das Examen ist kein Hexenwerk"
Ursprünglich wollte Muhammed Yilmaz Politiker werden. Dass man dafür besser Jura als Politologie studiert, empfahl man ihm bei der Studienberatung. Dass am Ende des Jurastudiums das erste Staatsexamen wie ein Damoklesschwert über den Prüflingen schwebt, wusste er schon nach den ersten Vorlesungen. Die Nachricht, dass dieses ihn treffen würde, überbrachte ihm der Postmann: "Wer mal in Hessen Examensprüfungen geschrieben hat, weiß, dass positive Bescheide in kleinen Umschlägen kommen. Ich habe einen großen erhalten." Darin befanden sich seine zurückgesandten Anmeldeunterlagen und der entsprechende Bescheid. Yilmaz spricht von einer "persönlichen Niederlage", wenn er das Gefühl aus dem Sommer 2012 Revue passieren lässt. "Mich plagten starke Selbstzweifel." Zunächst habe er die Situation sogar so sehr geleugnet, dass er über einen Anwalt einen Remonstrationsversuch anstrengen ließ. Als der nach sieben Monaten auf einen Prozess vor dem Verwaltungsgericht hinauslief, ließ Yilmaz es bleiben: "Das hat nur Zeit und Geld gekostet. Danach bin ich erst einmal in ein Loch gefallen."
"Nur Juristen begreifen die Bedeutung eines misslungenen Examens"
Erschwerend kam für den 31-Jährigen hinzu, dass er der erste aus der Familie ist, der eine akademische Laufbahn einschlug. Und so hätten in einer Situation, in der man sich am liebsten Unterstützung aus der Familie holen würde, die Kommilitonen am besten nachempfinden können, was in ihm vorging, sagt Yilmaz. "Nur Juristen begreifen die Bedeutung eines misslungenen Examens". Es brauchte dann noch eine Weile, bis in ihm der Entschluss reifte, den zweiten Versuch zu wagen: "Ich kann absolut nachvollziehen, wenn jemand nach einem solchen Erlebnis aus Angst keinen zweiten Versuch mehr unternimmt. Letztlich hatte ich aber nicht vor, meine Jahre des Jurastudiums zu verschenken." So begann Yilmaz im Frühjahr 2014 mit der Vorbereitung auf den zweiten Versuch. Zunächst analysierte er, was beim ersten Mal schief gelaufen war. Im Wesentlichen haperte es an zwei Stellen: Auf der einen Seite habe ihm die Routine gefehlt, auf der anderen habe es in bestimmten Rechtsgebieten zu große Lücken gegeben. Danach legte er sich einen Lernplan zurecht, der alle Klischees erfüllt: "Soziale Kontakte habe ich auf ein Minimum heruntergefahren. Nur durch kleinere Pausen unterbrochen lernte ich acht bis zehn Stunden am Tag." Das sei eine sehr harte Zeit gewesen, in der ihn seine langjährige Freundin zum Glück permanent unterstützt habe. So etwas wie "Urlaub" gab es für Yilmaz nur während der Weltmeisterschaft, als er abends auch mal ausging und sich die Spiele ansah.2/2: Lernen mit "kleinen" und "großen" Klausuren
Wie schon beim ersten Versuch gehörte zu Yilmaz' zweiter Vorbereitung auch der Besuch von Repetitorien. Er nennt es einen Vorteil, "alles zumindest schon einmal gehört zu haben". Gleichzeitig stellte er aber fest, dass verschiedene Anbieter qualitativ unterschiedliche Ansätze verfolgen: "Manche Angebote enthalten im Prinzip nur das Auswendiglernen von Schemata, bei anderen wird hingegen der Umgang mit dem Gesetz geschult. Letzteres ist für die Examenssituation, in der man auch fremde Rechtsgebiete handhaben muss, sehr viel besser." Ein gutes Repetitorium zeichne sich auch dadurch aus, dass Lösungen besprochen würden und gegebenenfalls Fragen gestellt werden könnten, so der zukünftige Referendar. Um seine beiden Fehler vom ersten Mal nicht zu wiederholen, entwickelte er zusätzlich sein eigenes Lernsystem. "Im Nachhinein betrachtet kann ich nur bestätigen, was man schon in den ersten Semestern zu hören bekommt: Klausuren zu schreiben ist das A und O. Man muss aber auch realisieren, dass die gesamte Menge der 'Materie Recht' viel zu umfangreich ist, um sie gleichmäßig intensiv zu lernen." Deshalb schrieb und löste Yilmaz "große" und "kleine" Probeklausuren. Die großen enthielten jede Menge Basics und bekannte Problemstellungen in den gängigen Rechtsgebieten, die er wie in einer echten Prüfung in einem festen Zeitrahmen vollständig ausformulierte. Seine kleinen Klausuren befassten sich mit Stoff, der eher zu den rechtlichen Randgebieten gehört. Diese löste er stichpunktartig, bereitete sie aber wie die großen bis ins letzte Detail nach. Wie er auf die Idee gekommen ist? "Man muss herausfinden, an welchen Stellen die Kenntnisse zu dünn sind und diese dann auch angehen", beschreibt Yilmaz seine Erfahrung. Beim ersten Mal habe er das Lernen "ungeliebter Rechtsgebiete" vor sich hergeschoben oder bewusst auf die sprichwörtliche Lücke gelernt. Am Ende seiner zweiten Vorbereitungsphase kann er die geschriebenen Klausuren ordnerweise stapeln."Den Lücken und Gebieten stellen, zu denen man keine Affinität hat"
Ursprünglich hatte Yilmaz geplant, den zweiten Versuch nach einem Jahr Vorbereitung anzutreten, also im Frühjahr 2015. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich aber noch etwas zu unsicher gefühlt und deshalb längere Zeit schlecht geschlafen. So zog er seine Anmeldung zurück und trat den Zweitversuch erst im Sommer 2015 an. "Drei Monate später habe ich mich sehr gut vorbereitet gefühlt und bin entsprechend selbstbewusst ins Examen gegangen. Dass ich bestehen würde, stand für mich außer Frage." Dass es dann sogar ein Vollbefriedigend geworden ist, zeigt, dass es die richtige Entscheidung war. Rückblickend betrachtet, empfiehlt er allen Examenskandidaten, "sich den Wissenslücken und Rechtsgebieten, zu denen man keine Affinität hat, zu stellen. Dann ist das Examen auch kein Hexenwerk." Eine allgemein gültige Mustermethode, sich auf die Prüfungen vorzubereiten, existiere natürlich nicht. Sich kleine Ziele zu setzen und diese nach und nach anzugehen, sei aber sinnvoll, egal, für welche Herangehensweise man sich entscheide. Zusammen mit seiner Einstellung hat sich auch der Berufswunsch gewandelt: Angesichts des bevorstehenden Referendariats kann sich Yilmaz mittlerweile auch vorstellen, Rechtsanwalt anstatt Politiker zu werden.Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2016 M02 18
Studium
Verwandte Themen:- Studium
- Jurastudium
- Staatsexamen
- Repetitorium
- Examen
- Auszeichnungen
Teilen