Soll die "Juristenfakultät" umbenannt werden?
Als einzige rechtswissenschaftliche Fakultät deutschlandweit trägt die Leipziger seit ihrer Gründung im Jahr 1446 den Namen "Juristenfakultät". Alle anderen Fakultäten Deutschlands hingegen tragen die Bezeichnung "Juristische Fakultät". Ob sich die Leipziger auch in Anbetracht einer gendergerechten Sprache daran anpassen und einen neuen Namen vergeben sollten, ist nun Gegenstand einer hitzigen Debatte.
Der Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät Prof. Dr. Tim Drygala erklärt gegenüber LTO, dass die Gleichstellungsbeauftragte bereits eine Umfrage zur Änderung des Fakultätsnamens durchgeführt habe. Daran hätten sich auch rund ein Drittel der Fakultätsangehörigen beteiligt. 42 Prozent haben sich danach für eine Umbenennung ausgesprochen, 58** Prozent dagegen. "Die Fakultät hat daraufhin in ihrem Entwicklungskonzept für die Jahre 2020-2025 festgelegt, es bis auf Weiteres bei dem traditionellen Namen zu belassen und in der Gleichstellungsarbeit anderen Dingen den Vorrang zu geben", erläutert Drygala. Das Entwicklungskonzept sei zudem im Fakultätsrat einstimmig angenommen worden.
"Umbenennung ist eine Chance für symbolischen Schritt"
Prof. Dr. Elisa Hoven, Lehrstuhlinhaberin an der rechtswissenschaftlichen Fakultät in Leipzig, sieht mit dem Umfrageergebnis die Debatte jedoch als noch nicht beendet an. Die Umfrage habe gezeigt, dass sich über 40 Prozent durch die aktuelle Bezeichnung der Fakultät nicht angesprochen fühlen. "Der Name der Fakultät stammt aus einer Zeit, in der Frauen nicht 'mitgemeint', sondern ganz ausdrücklich ausgeschlossen waren. Heute ist das Bild ein anderes", so Hoven gegenüber LTO. Sie ergänzt, dass inzwischen unter den 24 Professorinnen und Professoren fünf Frauen seien - mit steigender Tendenz. Bei den wissenschaftlichen Mitarbeitenden liege der Anteil sogar bei 40 Prozent, ebenso sei die Mehrzahl der Studierenden weiblich.
Auch der Fachschaftsrat Leipzig ist der Auffassung, dass Tradition in der Debatte um den Namen ein wertloses Argument ist. "Der Name stammt aus einer Zeit, in der Frauen nicht studieren durften. Statt den erfolgreichen Kampf der Frauenbewegung für das Recht, studieren zu dürfen, sprachlich zu würdigen, wird an einem antiquierten Begriff festgehalten", so ein Sprecher des Fachschaftsrats gegenüber LTO. Ihm zufolge stellt eine Umbenennung der Fakultät eine Chance für den symbolischen Schritt dar, alle anzusprechen, die nicht männlichen Geschlechts sind.
Der Ring christlich-demokratischer Studenten (RCDS) Leipzig hingegen spricht sich gegenüber LTO gegen eine Umbenennung aus. "Die Umbenennung selbst führt nicht zu den von ihren Befürwortern angestrebtem Ziel der Gleichstellung zwischen den Geschlechtern", so die Hochschulgruppe. Sie argumentiert, dass das generische Maskulinum ein grammatikalisches Charakteristikum darstelle und eben nicht mit dem Sexus gleichgestellt werde. Daher könne der Name "Juristenfakultät" nicht nur die männlichen Fakultätsangehörigen erfassen.
Dass gendergerechte Sprache ein aktuelles Reizthema ist, über das sich heftig diskutieren lässt, sieht auch Hoven so. "Aber die Bezeichnung als 'Juristische Fakultät' ist sprachlich völlig unangreifbar, es wird ja keine Umbenennung in 'Jurist:innenfakultät' gefordert", meint die Strafrechtlerin gegenüber LTO. Sie ergänzt, dass "die Verwendung des generischen Maskulinums gerade im progressiven Umfeld der Universitäten nicht mehr zeitgemäß ist".
Ist der Name ein Alleinstellungsmerkmal der Fakultät?
Ein weiterer Punkt, über den man in Leipzig viel debattiert, ist die Frage, ob der traditionelle Name nicht ein Alleinstellungsmerkmal der Fakultät darstellen könnte. Dem RCDS zufolge ist der Bekanntheitsgrad des Namens nicht zu unterschätzen und Absolventinnen und Absolventen könnten davon profitieren. "Eine Fakultät sollte sich durch Qualität und Innovation hervorheben, nicht durch antiquierte Sprache", hält Hoven diesem Argument entgegen.
Dekan Drygala kann "beide Seiten persönlich gut verstehen", wie er auf Nachfrage der LTO erläutert. Eine Umbenennung liege schließlich im Trend der Zeit. Rein praktisch allerdings würde er es begrüßen, wenn die Fakultät an dem Beschluss des Fakultätsrats festhielte. Erst kürzlich getätigte Investitionen zur Anpassung an das neue Corporate Design der Universität Leipzig, allerdings mit der Bezeichnung "Juristenfakultät", würden entwertet werden.
Der Fachschaftsrat hofft derweil, dass trotz der fehlenden Mehrheit in der Umfrage für eine Umbenennung das Projekt noch nicht endgültig vom Tisch ist. "Wir sehen aber neben der symbolpolitischen Frage den deutlich größeren Handlungsbedarf bei anderen Problemfeldern, wie etwa direkter Diskriminierung und sozialer Benachteiligung", so der Sprecher, der dafür auf eine kürzlich erschienene Gleichstellungsstudie der Fakultät verweist.
* Präzisiert am 21.07.2021 um 11:55 Uhr
**Zahl korrigiert am 21.07.2021 um 11:47 Uhr
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2021 M07 21
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