Nur ein weiterer Punkt auf dem Lebenslauf oder doch hilfreich zur persönlichen und fachlichen Fortbildung? Die Meinungen über den Sinngehalt von Auslandsaufenthalten für Jurastudenten gehen weit auseinander. Anna K. Bernzen hat mit drei Studierenden gesprochen, die den Schritt auf unterschiedlichen Wegen gewagt haben.
Wer einem US-amerikanischen Jurastudenten das Trennungs- und Abstraktionsprinzip zu erklären versucht, wird ebenso verwirrte Blicke ernten wie der, der einem Kommilitonen aus China den Unterschied zwischen der Verhältnismäßigkeit im engeren und im weiteren Sinne nahebringen möchte.
Für deutsche Jurastudenten gibt es viele Gründe, die gegen einen Auslandsaufenthalt sprechen: Sie müssen sich nicht nur in ein neues Rechtssystem einarbeiten, sondern auch komplizierte Vokabeln lernen, ohne die altbekannten Prüfungsschemata und manchmal gar ohne geschriebene Gesetze auskommen. Wer sich für ein Auslandssemester entscheidet, bekommt an seiner deutschen Universität oft wenig, manchmal auch gar nichts angerechnet und muss dadurch häufig länger studieren.
Das Auslandssemester: "Je länger, desto besser."
Macht die allerorts geforderte Auslandserfahrung also nur den künftigen Arbeitgeber glücklich? Das sieht die Generalsekretärin des Deutschen Akademischen Auslandsamtes (DAAD), Dorothea Rüland, anders: "Nie lernt man so viel und wird so sehr selbst in Frage gestellt wie während eines Auslandsaufenthalts. Man muss sich mit einer anderen Kultur, anderen Werten auseinandersetzen, Eigenes und Gewohntes hinterfragen." Damit erweitern die Jurastudenten gleichzeitig ihren persönlichen Horizont und ihre Berufsperspektiven. Gerade Deutschland als Exportland sei, so Rüland, auf Themengebie-ten von der Europäischen Union bis zum Klimawandel auf international versierte Juristen angewiesen.
Wo und wie Jurastudenten das Ausland kennenlernen sollten, hängt neben persönlichen Vorlieben auch davon ab, wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorstellen: Wer später an der Universität bleiben und wirtschaftlich arbeiten möchte, für den eignet sich ein Auslandssemester an einer fremden Universität – oder zwei: "Je länger, desto besser", sagt Dorothea Rüland.
Manche Studiengänge belohnen ein oft verpflichtendes sogar Auslandssemester mit einem Doppelabschluss. Wer seine Zukunft dagegen in der Wirtschaft sieht, sollte sich eher nach längeren Praktika umsehen.
Angebote sollten zur Studienplanung passen
Wer am Ende des Aufenthalts nicht nur bunte Souvenirs und gute Erinnerungen mit nach Deutschland bringen will, sollte diesen bereits im Vorfeld durchplanen. "Wer im Ausland studiert, sollte sicherstellen, dass die entsprechenden Angebote ins eigene Curriculum passen und die erbrachten Leistungen anerkannt werden", so Rüland. Ein Learning Agreement zwischen den beteiligten Universitäten hilft dabei. Wer ein Praktikum im Ausland macht, sollte dagegen genau auf den Arbeitgebern achten: Mit einer Feld-Wald-und-Wiesen-Praktikum auf dem Lebenslauf besteht die Gefahr, dass dieses nach einem Bummel-Praktikum aussieht.
Legal Tribune ONLINE stellt drei Jurastudenten und Jurastudentinnen vor, die den Schritt ins Ausland gewagt haben.
Das erste Staatsexamen in der Tasche, wollte Katharina Krämer vor ihrer Promotion am strafrechtlichen Lehrstuhl der Universität Jena etwas Auslandserfahrung sammeln. Für ihr vierwöchiges Auslandspraktikum wählte sie eine mittelständische Kanzlei in Bratislava. "An der Slowakei fand ich spannend, dass sie erst 2010 das Unternehmensstrafrecht eingeführt hat", so begründet sie die ungewöhnliche Länderwahl.
Durch Recherchen, Vertragsentwürfe und Mandantenkontakt arbeitete sie sich rasch in das Gesellschafts-, Miet- und Arbeitsrecht ein. Besonders ihre Deutschkenntnisse wusste ihr Arbeitgeber dabei zu schätzen: Die Korrespondenz mit den grenznahen österreichischen Mandanten lief bald über Krämers Schreibtisch. Fachlich konnte sie so in kurzer Zeit viel mitnehmen: "Ich habe gelernt, mich in komplett fremde Rechtsgebiete einzuarbeiten. Auch meine Englischkenntnisse haben sich verbessert: Der Alltag in einer Kanzlei ist sprachlich fordernder als die Lektüre englischer Fachliteratur." Angehenden Auslandspraktikanten empfiehlt Katharina Krämer aber: "Man sollte offen sein und Angebote vor Ort wahrnehmen. Nicht nur in der Kanzlei, auch in der Freizeit."
Unterstützt durch das Erasmus-Austauschprogramm der Europäischen Union verbringt Jannik Bach derzeit ein Jahr an der Universidad de Burgos. Dort belegt der Unternehmensjura-Student aus Mannheim seit September vier straf- und steuerrechtliche Kurse. "Das spanische Strafrecht ist dem deutschen sehr ähnlich. In Mannheim will ich außerdem vermutlich meine Seminararbeit im Steuerrecht schreiben", erklärt er diese Kurswahl.
Obwohl Jannik Bach sich an seiner deutschen Universität diese Scheine wohl nicht anrechnen lassen kann, würde er ein Auslandssemester weiterempfehlen: "Man reift in der Zeit im Ausland persönlich. Ein Umstand, der den Aufenthalt insbesondere für junge Bachelorstudenten attraktiv macht."
Besonders gut gefällt ihm, dass der Kontakt mit Professoren und Kommilitonen in kleinen Klassen von rund 25 Studenten so eng ist. Fast wöchentlich müssen die angehenden Juristen dort schriftliche Arbeiten abliefern. Schwierigkeiten bereiten ihm derzeit noch die Sprache und dadurch die Paragrafensuche. Eines hat Jannik Bach aber schon nach kurzer Zeit festgestellt: "Wie gut die juristische Ausbildung in Deutschland ist. Der Student wird viel früher gefordert, eigene Lösungen zu erarbeiten."
Nicht nur ein paar Semester, sondern gleich das halbe Studium verbringt Miriam Binger im Ausland: Sie studiert deutsch-englische Rechtswissenschaften an der Universität in Köln und dem University College London. "Ich wollte Auslandserfahrung sammeln, ohne dabei meine Studienzeit zu vergeuden", sagt sie über die Entscheidung, sich um einen der nur zwölf Studienplätze zu bewerben.
Die ersten zwei Jahre ihres Bachelor-Studiengangs verbringt sie derzeit in London. Auf dem Stundenplan stehen dort neben englischem Vertrags- und öffentlichem Recht auch die Grundlagen des deutschen Rechts. Im Anschluss an den Englandaufenthalt wird sie diese ab nächsten Sommer zwei Jahre lang in Köln vertiefen. Zwischen den Rechtssystemen zu springen, findet Miriam Binger nicht schwierig: "Die Strukturen sind zwar ganz unterschiedlich, aber sie ergänzen sich gut." Am deutschen Recht gefällt ihr der logische Aufbau, am englischen mag sie, dass man seine eigene Meinung einfließen lassen kann.
Neben guten Englischkenntnissen und spannenden Erlebnissen, so hat sie bemerkt, stehen mit dieser Kombination auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt gut: "Besonders bei englischen Arbeitgebern kommen die Kenntnisse von gleich zwei europäischen Rechtssystemen gut an."
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