Zur Sprechstunde beim Jura-Doktor
"Die Idee entstand, weil den Lehrenden im Universitätsrepetitorium aufgefallen ist, dass die Benotung der Klausuren nicht selten nicht unbedingt deshalb schlechter ausfällt, weil den Studierenden materiell-rechtliches Wissen fehlt, sondern hnen vielmehr die spezifische Technik des Schreibens einer Examensklausur nicht hinreichend vertraut ist oder sich im Laufe der ersten Semester möglicherweise Fehler eingeschlichen haben, die ihnen gar nicht mehr auffallen, die sich andererseits aber relativ leicht beheben lassen", berichtet Dr. Felix Hanschmann von der Juristischen Fakultät der Universität Frankfurt am Main, die seit Januar 2011 eine Klausurenklinik anbietet. Erstmals wurde ein solches Lehrangebot im Jahre 2004 an der Bucerius Law School in Hamburg geschaffen. "Das Konzept und der Name wurden von Prof. Dr. Erich Samson als ergänzendes Angebot neben dem Examensklausurenkurs entwickelt. Einen besonderen Anlass dafür gab es nicht", erinnert Volker Steffahn, Studienleiter am Zentrum für Juristisches Lernen der Bucerius Law School."Es sollte einfach eine individuelle Serviceleistung für unsere Studierenden sein".
"Fehlerquellen analysieren, um sie abzustellen"
Der Ablauf in der Klausurenklinik ist überall grundsätzlich gleich. Studierende reichen zumeist drei Rückläufer aus dem Klausurenkurs ein, um ein repräsentatives Bild ihres jeweiligen Leistungsprofils zu ermöglichen. Auf deren Grundlage erfolgt eine individuelle Fehleranalyse."Unsere MitarbeiterInnen analysieren die eingereichten Klausuren und sprechen sodann im Rahmen der Klausurenklinik in individuellen Einzelgesprächen mit den Studierenden über ihre Arbeiten und dort zu Tage tretende Fehlerquellen", erklärt Hanschmann. "Das Gespräch soll den Studierenden identifizierte Fehlerquellen vor Augen führen und ihnen so die Möglichkeit geben, diese Fehlerquellen bis zum Eintritt in die Prüfungsphase abzustellen. Zugleich soll durch eine Teilnahme an der Klausurenklinik den Studierenden auch die Sicht der PrüferInnen und deren Anforderungen an eine Klausur in der staatlichen Pflichtfachprüfung transparent gemacht werden". Worin bestehen denn typische Wehwehchen, mit denen Studierende die Sprechstunde in der Klausurenklinik aufsuchen? "Man hat fleißig gelernt, das Wissen sitzt. Aber man kriegt es nicht zu Papier, weil es an Anwendungsmethodik und Anwendungsrhetorik mangelt", beschreibt Volker Steffahn das Grundproblem.
"Das Wissen sitzt. Aber man kriegt es nicht zu Papier."
Aus seiner Beratungspraxis in Frankfurt ergänzt Hanschmann: "Studierende haben sich zwar relativ viel materiell-rechtliches und prozessuales Wissen angeeignet, jedoch Probleme, dieses bei der Bearbeitung einer Klausur umzusetzen. Dabei geht es häufig auch eher um formale Fragen, wie beispielsweise die Strukturierung einer Klausur oder die korrekte Anwendung des so genannten Gutachtenstils. Aber auch um die Schwerpunktsetzung, also die Fähigkeit, Wichtiges auszuführen und Unwichtiges eher kurz zu halten".Dies kann auch Anna von Knebel Doeberitz, die seit dem Sommersemester 2009 eine Klausurenklinik an der Universität Hamburg leitet, bestätigen: "Es bestehen oft Unsicherheiten, wann der Gutachtenstil wie genau befolgt werden muss. Die Studierenden lernen zu Beginn zwar sehr genau, wie der Gutachtenstil aussehen soll. Aber dann wissen sie nicht, wann es angesagt ist, beim Zustandekommen eines Schuldverhältnisses nicht mehr unbedingt und detailliert Angebot und Annahme zu prüfen. Auch ein gutes Beispiel ist die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs. Dies ist selten ein Problem, wird aber trotzdem gerne über ein bis zwei Seiten dargestellt". Auch über die Wirksamkeit der "Heilbehandlung" herrscht unter den Akteuren große Einigkeit. "Ich bekomme viel positives Feedback. Manchmal melden sich Studierende mit guten Noten bei mir zurück. Insbesondere Studierende mit Stilproblemen werden durch meine persönliche Korrektur und Begleitung schnell sehr viel besser", ist sich von Knebel Doeberitz sicher.
"Notenverbesserungen um durchschnittlich 2 Punkte"
"Generell bemühen wir uns, den Lernerfolg durch Feedbackbögen der Studierenden und während Nachberatungen zu evaluieren. So konnten wir im Vorher-Nachher-Vergleich von drei Klausuren schon Notenverbesserungen um durchschnittlich 2 Punkte feststellen", so Steffahn. Angesichts solcher Erfolgsgeschichten mag es verwundern, warum erst relativ wenige Fakultäten Klausurenkliniken anbieten. Zwar verfügen mittlerweile auch Erlangen, Freiburg, Hannover, Passau, Regensburg, Bielefeld und Osnabrück über ein solches Angebot.* "Ich finde es eher beachtlich, wie viele Fakultäten das Konzept bereits übernommen haben. Schließlich ist die Juristerei didaktisch, vorsichtig formuliert, doch eher konservativ ausgerichtet", relativiert Steffahn. Hanschmann wirbt darum, dass noch mehr Fakultäten dem Beispiel folgen: "Zu einer effektiven Vorbereitung auf das erste Staatsexamen gehört nicht nur die Vermittlung von materiell-rechtlichem Wissen. Ganz wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Examensvorbereitung ist auch das Trainieren des Schreibens von Klausuren. Dieses Training in speziellen Klausurenkursen macht aber nur dann Sinn, wenn den Studierenden neben den jeweiligen Korrekturanmerkungen auch in einer individuellen Beratung gesagt wird, was sie falsch machen und noch verbessern können. Letztlich müssen Studierende im ersten Staatsexamen unter anderem Klausuren bearbeiten. Darauf muss sie die Universität gut vorbereiten. Dazu gehört aus unserer Sicht auch die Klausurenklinik". * Anm. der Red: In der ursprünglichen Fassung des Artikels schrieben wir, ein vergleichbares Angebot gebe es in NRW nicht. Das Angebot "Übungen zur Falllösungstechnik" der Uni Bielefeld entspricht jedoch inhaltlich einer Klausurenklinik. Deshalb haben wir den Text am 22.6.2012 korrigiert.Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2012 M05 23
Jurastudium
Verwandte Themen:- Jurastudium
- Staatsexamen
- Studium
Teilen