Spezialist oder Schmalspurjurist?
"Jura light". Der englische Zusatz, der sonst für zuckerfreie Limonaden reserviert ist, zeigt: So richtig ernst nehmen viele Juristen die neuen Bachelor-Studiengänge ihres Fachs nicht. Ohne volle Konzentration auf Gesetzestexte und schwere Abschlussprüfungen kein echtes Jurastudium? Die Bewerberzahlen an juristischen Fakultäten mit interdisziplinären Angeboten lassen anderes erahnen: In Hamburg gingen 2009 für die beiden neuen Studiengänge "Arbeits- und Sozialmanagement" und "Finanzen und Versicherung" schon im ersten Jahr des Bestehens fast fünfmal so viele Bewerbungen ein wie Plätze zur Verfügung standen. In Mannheim steigen sie seit der Einführung des Studiengangs "Unternehmensjurist" im Jahr 2008, einer Kombination aus Jura, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, jedes Jahr um bis zu 30 Prozent an.
Kürzeres Studium, größere Spezialisierungsmöglichkeiten
Die Studierenden, die für den großen Andrang sorgen, versprechen sich von der neuartigen Ausbildung vor allem einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Kommilitonen, die "nur" Jura studieren. Martin Berner, der seit zwei Semestern in Mannheim studiert, entschied sich nach der Bankausbildung für den Unternehmensjuristen. Er sagt: "Die Vorzüge meines Studiums liegen eindeutig in der Verquickung der Lerninhalte. Juristen fehlt oft die entsprechende Kenntnis von wirtschaftlichen Vorgängen im Unternehmen." Auch die Verkürzung der Studienzeit – klassisch acht bis neun Regelsemester bis zum Staatsexamen, aber nur sechs bis zum Bachelor-Abschluss – spielt für viele Studierenden eine Rolle. Christian Jaeger, der an der Technischen Universität Dresden im seit 2007 bestehenden Studiengang "Law in Context" eingeschrieben ist, wollte nach dem Wehrdienst keine Zeit verlieren. Sein Studiengang kombiniert Jura mit Modulen aus Politik, Wirtschaft oder Technik. "Diese spezielle Ausrichtung hat mich gelockt", sagt Jaeger.Die Wirtschaft ist gespannt, die Wissenschaft skeptisch
Auch für die Arbeitgeber, besonders die in kleineren und mittelständischen Unternehmen, hat ein verkürztes und speziell ausgerichtetes Studium seinen Reiz: "Anders als klassische Juristen müssen unsere Absolventen nicht erst in die wirtschaftliche Materie eingearbeitet werden", sagt Dennis Basler, Referent der Hamburger Studiengänge. Von den potentiellen Chefs seiner Studierenden bekam er bereits positives Feedback. Sollten die Studierenden nach dem Bachelor alle Qualifikationen, die sie auf dem Papier erworben haben, auch in der Praxis aufweisen, wären sie für die Unternehmen etwa in der Versicherungs- oder Personalbranche durchaus attraktiv.Am Ende doch noch fürs Staatsexamen entschieden
Solange man jedoch für die klassischen juristischen Berufe Staatsexamina braucht, würden viele Studierende sich wohl weiterhin für diese Option entscheiden, schätzt Georg Bitter. In Mannheim kann das Examen in einem Aufbaustudiengang nachgeholt werden, in Dresden und Hamburg ist für die Studenten dagegen nur der Weg zum Master of Laws (LL.M.) vorgesehen. "Momentan tendiere ich eher zum Staatsexamen, denn ich könnte mir die Arbeit in einer Großkanzlei vorstellen", sagt Martin Berner. Christian Jaeger will sich dagegen im Master weiter in Richtung Urheber- und Markenrecht spezialisieren. Ob das Staatsexamen als Zugangskriterium für den Anwaltsberuf in Deutschland auf Dauer Bestand haben wird, darüber sind sich die Professoren uneinig. Die Politik habe den Wandel angestoßen, also sei die Wahrscheinlichkeit einer Umstellung groß, schätzt Detlev Sternberg-Lieben. Georg Bitter allerdings glaubt: "In Zukunft wird es beides geben: das klassische Jurastudium und interdisziplinäre Studiengänge." Ein Bundesverfas-sungsrichter muss schließlich andere Dinge wissen als ein Jurist in einem Unternehmen. Mehr auf LTO.de: Wirtschaftsjuristen vs. Volljuristen: Konkurrenz oder Kooperation? Juristenausbildung: Vier gewinnt nicht Bachelor-Studiengang "Good Governance": Jura, aber andersAuf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2011 M07 14
Jurastudium
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