ICC International Commercial Mediation Competition

Verhandeln in Paris, mon amour

von Jens KahrmannLesedauer: 6 Minuten
Zum dritten Mal haben Jurastudenten der Universität Bonn bei der ICC International Commercial Mediation Competition in Paris ihr Verhandlungsgeschick unter Beweis gestellt. Die LTO hat das vierköpfige Team und ihre Coaches begleitet. Dass es spannend wird, war von Anfang an klar: In diesem Jahr wollten die Bonner endlich zu den besten 16 Teams gehören, die in die Finalrunde einziehen.

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Einen Moot Court vermutet man zunächst nicht im Bereich der Mediation.  Für simulierte Verhandlungen scheinen sich eher kontradiktorische Verfahren zu eignen. Aber auch bei einer Mediation treffen zwei Parteien aufeinander, die beide weitestgehend ihre Interessen wahren wollen. Soweit die Gemeinsamkeiten. Die Unterschiede liegen in der Art und Weise der Konfliktlösung. Entsprechend geht es bei diesem Moot Court nicht primär um das Verhandlungsergebnis und darum, dass man "gewinnt". Die Teilnehmer sollen vor allem beweisen, dass sie verstanden haben, wie der Prozess der Mediation funktioniert. Am Wettbewerb der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris nehmen 66 Universitätsteams aus aller Welt teil. Sie treten in vier Vorrunden gegeneinander an und widmen sich dabei jeweils vier Fallszenarien. Je zwei Studenten eines Teams agieren als Mandant und dessen Rechtsbeistand. Sie verhandeln vor einem praxiserfahrenen Mediator – 85 Minuten lang und ausschließlich in englischer Sprache. Zwei Punktrichter beurteilen anschließend die Leistung. Die 16 besten Teams gelangen in die Finalrunde.

Vier für Paris

In die Finalrunde wollen auch die Bonner Jurastudierenden Michael Fengler, Stephan Ortner, Clara Schröder und Thomas Ackermann. Sie sind ein junges Team – Clara beispielsweise ist erst im dritten Semester und legt gerade die Zwischenprüfung ab, während sich Thomas im sechsten Semester an die Schwerpunktklausuren macht. "Ohne Freisemester muss es gehen – aber ist es halt viel Zeitaufwand", entgegnen sie Nachfragen einmütig. Betreut wird das Quartett von den Coaches Anne Goertz, Marc Ohrendorf und Philipp Warflinger. Sie alle kennen den Wettbewerb bereits aus eigener Erfahrung und geben ihre Erkenntnisse an das Team weiter. Zu Beginn ihrer Vorbereitung haben sie Workshops veranstaltet, "in denen es vor allem um Verhandlungsmanagement und Mediation im Allgemeinen ging. Es folgte ein Workshop zum Thema Körpersprache", erzählt Anne. Schließlich ging es in Probeverhandlungen,  "die wir auf Video aufgezeichnet haben. So konnten wir die Körpersprache, den Ausdruck und die Art der Argumentation besser analysieren.". Die Vorbereitung auf den Wettbewerb bestand aber nicht nur im Einüben von Verhandlungstaktiken. Es ging auch darum, die Kosten für den Wettbewerb zu refinanzieren. Diese Aufgabe fiel dem ganzen Team zu. "Das Problem ist, dass die ICC Mediation Competition weniger bekannt ist als andere Moot Courts. Ich habe daher jeden Tag viel herumtelefoniert", erzählt Stephan, der vor allem für die Telefonakquise zuständig war. Ihre Bemühungen trugen schließlich Früchte: Fünf Kanzleien und drei Verlage haben sie als Unterstützer gewinnen können.

Die Finalrunde fest im Visier

In den beiden vorherigen Jahren verfehlten die Teams der Uni Bonn die Finalrunde. Das mag auch an den unterschiedlichen Ausgangssituationen gelegen haben: "Es gibt Unis, die sogar ein Freisemester dafür zur Verfügung stellen. Und dann ist die Vorbereitungsmöglichkeit natürlich noch eine ganz andere", weiß Coach Marc. Allen Schwierigkeiten zum Trotz - diesmal soll es die Finalrunde sein. "Ich bin nervös", räumt Clara freimütig ein. "Aber vor allem freue ich mich darauf – es ist ein einmaliges Angebot." Michael versucht weiter zu beruhigen: "Alleine dadurch, dass wir dabei sein dürfen, haben wir ja schon gewonnen."

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Startschuss im Hauptquartier von Gide Loyrette Nouel

Mit Vorfreunde und Spannung bricht das Team am 8. Februar nach Paris auf. Die internationale Großkanzlei Gide Loyrette Nouel hat unweit der Champs-Élysées zur offiziellen Eröffnung des Wettbewerbs geladen. Coach Philipp, der im Vorjahr selbst teilgenommen hat, trifft hier auf alte Bekannte: "Viele Coaches aus dem letzten Jahr sind wieder dabei." Und auch viele der Professionals - Punkterichter und Mediatoren - konnten wieder für eine Teilnahme gewonnen werden. Derweil treffen Philipps Schützlinge erstmals auf die gegnerischen Teams. Von Verbissenheit und Konkurrenzdenken fehlt aber jede Spur – die Stimmung ist ausgelassen und herzlich an diesem ersten Abend.

Mit vollem Einsatz in die Vorrunden

Am Samstag, den 9. Februar wird es ernst: Um 14 Uhr machen Thomas und Michael den Auftakt für das Bonner Team bei dessen erster Verhandlung in der Kanzlei von Clifford Chance. Damit alles glatt geht, wird nach dem Frühstück nochmal intensiv der Fall geprobt. Thomas und Michael verhandeln für ein Unternehmen, das unbeabsichtigt unlizenzierte Computerprogramme verwendet hat und dadurch in einen Clinch mit dem Softwarehersteller geraten ist. Dieser hat für die vergangenen Geschehnisse rechtlich zwar keine Handhabe, weil ihm nur widerrechtlich erlangte Beweismittel zur Verfügung stehen – Verscherzen darf es sich das Unternehmen vom Thomas und Michael mit dem Hersteller aber trotzdem nicht. Immerhin ist es auf die Nutzung der Software angewiesen. Man sieht: Hier geht es nicht um Rechtsnormen, sondern um Verhandlungsgeschick. Die beiden Bonner schlagen sich wacker – die Punkterichter geben viel positives Feedback. Und auch der Rest des Teams zeigt sich mit der Leistung sehr zufrieden. Philipp warnt dabei vor Übermut: "Nach dem Feedback denkt man immer, dass man vermutlich das beste Team ist. Tatsächlich aber trennen die einzelnen Teams manchmal nur Zehntelpunkte voneinander. Entschieden ist noch gar nichts."

Die Stunde der Wahrheit

Montag der 11. Februar ist nicht nur der verhandlungsintensivste Tag für das Bonner Team – an ihm schlägt auch die Stunde der Wahrheit. Am Abend werden die Vorrundenergebnisse verkündet. Der dafür auserkorene Ort  bietet noch mehr Prunk als die Kanzleien: Es ist der Hauptsitz des Cercle de l'Union interalliée,  einem 1917 für die Pflege der Beziehungen unter den Alliierten gegründeten Club, in direkter Nachbarschaft der japanischen und der britischen Botschaft. Der Anblick der stuckverzierten Decken und Wandteppiche begeistert die Bonner Studenten – die Verkündung der Vorrundenergebnisse gerät da fast in Vergessenheit und die Enttäuschung hält sich in Grenzen, als sie erfahren, dass es auch dieses Mal leider nicht für die Finalrunde gereicht hat. Während sich die Studenten der Ludwig-Maximilians-Universität in München und der Bucerius Law School in Hamburg schnell vom Empfang verabschieden müssen, weil sie am nächsten Morgen um 8 Uhr im Achtelfinale stehen, kann das Bonner Team Champagner und Schnecken in Weißweinsauce genießen. Lohnen wird sich der frühe Abgang für die Münchener und Hamburger leider nicht: Über die Achtelfinale kommen sie nicht hinaus.

"Unfassbares Privileg, dort zu sein"

Der Schwerpunkt für das Bonner Team ist jetzt Sightseeing und Networking. Endlich können die Studenten die Annehmlichkeiten der zur Competition-Bar erkorenen Kneipe in einer Seitenstraße der Champs Élysées ausnutzen – dem "place to be" für alle Wettbewerbsteilnehmer. Ein Team haben die Bonner aber besonders ins Herz geschlossen – das der Rutgers School of Law aus New Jersey. "Am Samstag waren sie noch unsere Gegner – nun feiern sie ausgelassen mit uns", freut sich Michael. "Da sieht man wieder, dass es hier allen Teilnehmern vor allem darum geht, neue Leute kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen", stellt Clara fest. Dass sich die Teilnahme gelohnt hat, davon sind sie alle überzeugt und appellieren an die anderen Nachwuchsjuristen, sich diese Veranstaltung nicht entgehen zu lassen. "Es ist einfach ein unfassbares Privileg, da zu sein und mit Leuten in Kontakt zu kommen, an die man sonst kaum geraten würde", sagt Philipp. Und Coach Marc ergänzt: "Man muss zwar Englisch können, da die gesamte Veranstaltung in englischer Sprache stattfindet, aber die allgemeinen Noten sind weniger wichtig, weil in dem Bereich ja auch gar keine Klausuren geschrieben werden. Wichtiger ist das eigene Engagement." Und für Zweifler hat Philipp noch einen simplen Rat: "Einfach machen und anmelden!"

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