"Warum auf die Expertise der Studierenden verzichten?"
Seit Juli 2013 pausiert Michelle Mallwitz ihr Studium. In Vollzeit übt sie an der privaten Zeppelin Universität in Friedrichshafen am Bodensee das Amt der studentischen Vizepräsidentin aus. Die 25-Jährige, die im Master 'Communication and Cultural Management' eingeschrieben ist, vertritt die Belange der Studierenden. Jedoch wurde Michelle Mallwitz nicht für ein Ehrenamt gewählt, sondern vom Stiftungsvorstand für eine befristete Festanstellung ins Präsidium berufen. Das Amt wurde vor vier Jahren geschaffen – zunächst nur als Experiment. Dass Studierendenvertreter mit derart vielen Rechten ausgestattet wurden, war damals eine kleine Sensation. Bedingt durch die eingeschränkten Kompetenzen des Bundesgesetzgebers im Hochschulrecht haben sich an deutschen Universitäten verschiedene Formen der Studierendenvertretung herausgebildet – mit völlig unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten. In den meisten Bundesländern wird die Studierendenschaft durch den Allgemeinen Studierenden Ausschuss, kurz AStA, vertreten. An der laut Kathrin Müller-Rees "grünsten Hochschule Deutschlands", der 1992 gegründeten Fachhochschule für Nachhaltige Entwicklung im brandenburgischen Eberswalde, sind Studentenvertreter weitläufig in Entscheidungsprozesse eingebunden. "Von Fahrradwerkstatt über Hochschulsport und studentischen Initiativen bis zu Internationalen Studierendenausweisen wird alles im AStA bearbeitet", sagt die 22-Jährige Müller-Rees, Vorsitzende des 15 Mitglieder starken Studentenausschusses. "Auch über Anträge zur finanziellen Unterstützung aus sozialen Gründen wird abgestimmt. Studierende können auf uns zukommen und neue Projekte anregen", so Müller-Rees, die seit September 2011 im Bachelor 'International Forest Ecosystem Management' studiert. "Der AStA ist quasi das Organ, das alle Belange der Studierenden vertritt."
An bayrischen Unis ticken die Uhren anders
Anders sieht es hingegen im Bundesland mit den aktuell zweithöchsten Immatrikulationen in Deutschland aus. "Ein großer Unterschied zwischen den Universitäten in Bayern und anderen Bundesländern liegt in der Verfassten Studierendenschaft", erklärt Tobias Langer, der dem Sprecherrat der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg angehört. Im restlichen Bundesgebiet sind die Studierendenschaften verfasst, was bedeutet, dass die Studierendenvertretung eine juristische Person bildet. "Dadurch ergibt sich ein größerer Spielraum, weil Verträge abgeschlossen werden können. Das geht in Bayern nicht und macht einige Arbeitsprozesse wesentlich aufwendiger." Eine weitere Besonderheit im Freistaat ist die sogenannte "Experimentierklausel". Dadurch wird den Hochschulen erlaubt, befristete Regelungen aufzustellen, die vom Bayerischen Hochschulgesetz abweichen. "Somit können die Universitäten nach eigenem Ermessen die Strukturen der Fakultäten und Dekane und der Studierendenvertretung anpassen und verändern", sagt Tobias Langer. Das erlaube auch Veränderungen am Wahlmodus der Studierendenvertretung. "Wir wählen unsere Vertreter im Senat aus den Reihen des Konvents, wohingegen die Senatsvertreter an anderen Universitäten direkt bei der Hochschulwahl gewählt werden." Genug Einflussmöglichkeiten seien trotzdem gegeben, meint Tobias Langer. Die einzelnen Studentenvertretungen der Friedrich-Alexander-Universität verfügen über einen Etat, welcher zur Unterstützung studentischer Initiativen oder für Kultur- und Feierveranstaltungen aufgewandt werden kann. Einfluss kann die Studierendenvertretung ebenso auf Ausschüsse wie die zur Berufung neuer Professoren oder auch die der Verwaltung der Studienzuschüsse nehmen. In nahezu jedem Gremium seien studentische Vertreter beteiligt. Das weiß auch Michelle Klein, studentische Senatorin und Mitglied des Hochschulrates an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. "Wenn man gute Konzepte hat, kann man einiges anstoßen. Wobei die Bretter die man bohrt, an einer großen Uni wie der LMU schon etwas dicker sein können."2/2: Neue Wege in Baden-Württemberg
Eine ähnliche Situation wie in Bayern gab es bis vor wenigen Jahren auch in Baden-Württemberg. Dort wurde erst 2012 der AStA wieder eingeführt. Was für die Verantwortlichen an der Friedrichshafener Zeppelin Universität kein Hindernis war, neue Wege zu beschreiten. "Als private Hochschule unterliegen wir anderen Regelungen und haben bei Gründung der Universität 2003 die Studierendenverwaltung anders organisiert", sagt die studentische Vizepräsidentin Michelle Mallwitz. "Als reguläres Mitglied nehme ich an allen Präsidiumssitzungen teil und arbeite kollegial mit meinen Präsidiumskollegen zusammen. Bewirken kann ich in diesem Amt sehr viel, da ich unmittelbar in Entscheidungsprozesse eingebunden bin und aus dem Präsidium heraus eigene Projekte anstoßen und umsetzen kann." Die Zeppelin Universität gilt als innovativ. Veranstaltungen werden hauptsächlich in Seminarform abgehalten, Vorlesungen finden selten statt. Fest verantwortlich ist die studentische Vizepräsidentin, deren Amt eine Schnittstelle zwischen dem Präsidium und den gewählten studentischen Vertretern bildet, für die Koordination der Erstsemester-Einführungswochen und der strategischen Begleitung der studentischen Projektlandschaft. Darüber hinaus seien die gewählten studentischen Vertreter auf vielfältige Weise in den regulären Gremien der akademischen Selbstverwaltung einbezogen. So gibt es einmal im Jahr einen Development-Day, an dem gemeinsam an strategischen Themen zur Universitätsentwicklung gearbeitet wird. Außerdem können Studierende über den Senat Themen einbringen, die dann behandelt werden müssen.Unterschiedliches Interesse an Hochschulpolitik
Diese Chancen wecken das Interesse der Studenten. "Häufig stellen sie mir Fragen oder machen Verbesserungsvorschläge", sagt Michelle Mallwitz. "Die Motivation lässt sich aber auch von Verwaltungsseite unterstützen. Ganz einfach, indem die Anliegen der Studierenden zunächst mal ernst genommen werden. Unabhängig davon, ob sie sich schlussendlich umsetzen lassen oder nicht." Anders sieht es in Eberswalde aus – obwohl es auch an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung eine studentische Vizepräsidentin gibt. "Leider zeigen die Kommilitonen kein reges Interesse an unseren hochschulpolitischen Möglichkeiten", sagt Kathrin Müller-Rees, die ursprünglich aus dem Landkreis München kommt. "Unsere Vollversammlungen leiden somit somit des Öfteren an dem Mangel der studentischen Teilnehmer." Trotzdem sollten Studenten immer die Möglichkeit haben, sich konstruktiv in Prozesse und Entscheidungen einzubringen, meint Michelle Klein. An bayrischen Universitäten gebe es da auf Fächerebene noch Nachholbedarf. "Warum sollten Universitätsleitungen auf die Expertise der Studierenden verzichten?", fragt sich Michelle Mallwitz. Mit ihren Erfahrungen wüssten Studenten meistens am besten, wo es hakt und wie es besser laufen könnte. Darüber hinaus seien die Studenten schlichtweg die von der Personenzahl stärkste Gruppe. "Hochschulleitungen sollten sich grundsätzlich überlegen, ob es nicht auch im Sinne eines harmonischen Universitätsalltags sinnvoller sein kann, Studierende im Vorfeld einzubeziehen, statt im Anschluss Konflikte zu klären."Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2014 M05 26
Studium
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