Hochschulreformpläne in NRW

Von der entfesselten zur gefesselten Hochschule

von Prof. Dr. Wolfgang LöwerLesedauer: 5 Minuten
Das aktuelle, aus der schwarz-gelben Regierungszeit stammende Hochschulgesetz gewährt den Unis bundesweit ein Maximum an Selbstgestaltungsfreiheit. Das hat die Qualität von Lehre und Forschung auch im internationalen Vergleich beachtlich verbessert. Damit soll nun Schluss sein. Die Reformpläne der neuen Regierung hält Wolfgang Löwer für planungseuphorisch, freiheitsskeptisch und autoritativ.

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Das nordrhein-westfälische Körperschaftsmodell verzichtet darauf, dem Wissenschaftsministerium Einfluss auf die Arbeit der Hochschulen einzuräumen. Es überlässt die Aufsicht – bis auf die Rechtsaufsicht – dem Hochschulrat. Das scheint der Landesregierung allerdings nicht mehr zu gefallen. Der Referentenentwurf für ein Hochschulzukunftsgesetz setzt ganz auf staatliche Steuerung. Das beginnt mit einer "Entwicklungsplanung" des Hochschulwesens, der ein "überregional abgestimmtes und regional ausgewogenes Leistungsangebot, eine ausgewogene Fächervielfalt, die Studiennachfrage sowie die Auslastung der Kapazitäten" zum Gegenstand haben soll. Die Möglichkeit der Hochschulen, sich eigenständig ein Profil zu bilden, muss offenbar einer weitgehenden "planification" weichen. Das ist misslich, auch wenn man anerkennt, dass insbesondere die Fächervielfalt in bloß dezentralen Entscheidungsprozessen nicht gut aufgehoben ist.

Weniger Vertrag, denn Diktat

Dieses planungseuphorische Vertrauen in zentrale Entscheidungen setzt sich in dem novellierten Instrument der Zielvereinbarung fort: Der Geist der Quantifizierung – schon jetzt im gesamten Wissenschaftsprozess übermächtig gegenwärtig – wird auch dort zum bestimmenden Faktor: "Messbare und überprüfbare strategische Entscheidungsziele" sowie "konkrete finanziell dotierte Leistungen" sollen vereinbart werden, wobei der Landeszuschuss teilweise nur dann zur Verfügung gestellt werden soll, wenn die Unis die hochschulvertraglichen Vereinbarungen erfüllt haben. Bei der Vereinbarung der Ziele stehen sich allerdings keine gleich starken Verhandlungspartner gegenüber. Die angekündigte Quantifizierung verstärkt diese Probleme noch. Erinnert sei nur an den früheren Leistungsparameter "Anzahl der Promotionen", der von der Plagiatsskandalwelle hinweggespült worden ist. Kommt eine Einigung nicht zustande, wurden die Zielvorgaben bisher im Benehmen mit dem Hochschulrat erlassen, jetzt macht dies das Ministerium allein. Die Zielvereinbarung ist damit weniger Vertrag, denn Diktat.

Land macht Finanzierung von Voraussetzungen abhängig

Bisher waren den Hochschulen auch staatliche Aufgaben zur Selbstverwaltung übertragen. Dieser Schritt wird jetzt in noch nicht genau erkennbarem Ausmaß zurückgenommen, indem "Rahmenvorgaben" angekündigt werden, deren Rechtsnatur und Funktionsweise sich aus dem Gesetz nicht unmittelbar erschließen. Auch die Finanzautonomie wird eingeschränkt. Bisher fiel der Landeszuschuss in das Vermögen der Hochschule und wurde dort verzinst (was in letzter Zeit kein großes Thema mehr gewesen ist). Jetzt soll es einen Liquidationsverbund von Land und Hochschule geben, auf Deutsch: Der Zuschuss steht weiter dem Land zur Verfügung. Im Gesetzentwurf wird sogar ankündigt, die Bereitstellung des Zuschusses davon abhängig zu machen, dass Rahmenvorgaben eingehalten und Berichtspflichten erfüllt werden. Die finanzielle Abhängigkeit der Hochschulen vom Staat wird damit ungeniert ausgenutzt. Statt den formalen Weg über die Aufsicht zu gehen, kann das Bildungsministerium nun direkt dort ansetzen, wo es weh tut, beim Geld.

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2/2: Forschung soll künftig häufiger konkreten Zweck verfolgen

Die Neuregelungen sind auch eher freiheitsskeptisch. So sollen die Hochschulen auf "friedliche Ziele" und "Nachhaltigkeit" verpflichtet werden. Was damit gemeint ist, erhellt ein ministerielles Begleitpapier ("Forschungsstrategie, Fortschritt NRW") aus dem Jahre 2013. Danach soll etwa "inter- und transdisziplinärer Forschung (…) Vorrang" eingeräumt werden. Forschung soll ihre Ausrichtung an "Problemlösungsrelevanz, Umsetzungsorientierung und Verbreiterungspotential" suchen. Tendenzen, nach dem Zweck der Forschung zu fragen, sind unübersehbar. Dabei lässt sich schon beim Bundesverfassungsgericht nachlesen, dass "eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft im Ergebnis am besten dient." Es beruhigt auch nicht, dass die Begriffe "friedliche Ziele" und "Nachhaltigkeit" inhaltlich unklar sind: Gerade das macht sie zum Problem, weil sie bei der Entwicklungsplanung und den Zielvereinbarungen die Landesstrategie legitimieren sollen.

Qualitätssicherung des "Promotionsgeschehens"

Nach Lage der Dinge nicht überraschend, nimmt sich der Entwurf auch der Promotion an. Wissenschaftsfreiheitsrechtlich ist das Recht, Promotionen zu betreuen, Statusrecht des Hochschullehrers und korperationsrechtlich das Recht der Fakultät. Der Entwurf sieht zur Qualitätssicherung "des Promotionsgeschehen" vor, dass das Ministerium einem Fachbereich die Berechtigung zur Durchführung des Promotionsstudiums durch Rechtsverordnung entziehen kann. Wie bitte? Das Ministerium befindet autoritativ über die Qualität "des Promotionsgeschehens"?
Denkbar ist, dass im Fall von evidentem Fehlverhalten eines Promotionsberechtigten diesem, das Recht entzogen werden kann, Doktoranden zu betreuen. Der Gesetzgeber darf aber nicht die gesamte Fakultät als Kollektiv sanktionieren.

Zukunft von NRWs Hochschulen verspielt

Organisationsrechtlich wird die Zusammensetzung des Hochschulrates verändert, gewissermaßen "hochschulfremder" gestaltet. Während bisher bis zur Hälfte der Mitglieder Hochschulangehörige waren, soll der Rat zukünftig nur noch externe Mitglieder haben. Ist der Hochschulrat damit aber überhaupt noch ein Organ der Universität? Viel wichtiger: Die amtierenden Hochschulräte schätzen es, wenn Angehörige der Unis im Rat sitzen, weil sie dies unabhängiger von den Informationen der Rektorate macht. Grund für die Ausgrenzung der Hochschulmitglieder ist offenbar, mehr Plätze für gesellschaftliche Gruppen zu schaffen; gedacht ist insbesondere an Nicht-Regierungsorganisationen. Ein Hochschulrat braucht aber nicht Interessenvertreter, sondern Mitglieder, die in der Lage sind, die Leistung der Hochschule zu beaufsichtigen.

Wahl des Rektors

Eine Korrektur in der Organstruktur hat die Rechtsprechung notwendig gemacht: Im gegenwärtigen System hat bei der Wahl des Rektors der Hochschulrat das letzte Wort, wenn ein Kandidat nicht die Zustimmung des Senats findet. Es geht aber nicht an, dass die Universitätsleitung ihre Legitimation nicht auf das zentrale kollegiale Vertretungsorgan zurückführen kann. Der Entwurf greift das Problem auf, indem er – und dagegen ist nichts zu sagen – Hochschulrat und Senat zur Hochschulversammmlung fusioniert. Gewählt ist, wer die Mehrheit der Stimmen der Ratshälfte und der Senatshälfte auf sich vereinigt. Wenn diese Mehrheiten nicht erreicht sind, bietet das Gesetz keine Lösung mehr an. Damit hat der Senat entgegen der Kritik der Rechtsprechung immer noch nicht das letzte Wort, weil es nur ein gemeinsames Wort gibt. Damit kommt dem Hochschulrat eine Veto-Position zu, was die Gerichte kaum billigen werden. Der Entwurf verspielt ohne Not die Zukunft der Hochschule in Nordrhein-Westfalen. Freuen wird sich darüber nur die Konkurrenz in den anderen Bundesländern. Der Autor Prof. Dr. Wolfgang Löwer ist Leiter der Abteilung Wissenschaftsrecht des Instituts für Öffentliches Recht an der Universität Bonn.

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