Diese Bundesländer gewähren mehr Zeit für den Freischuss
Mehr Zeit für Jura-Freischützen – mit dieser Ankündigung hatte zunächst das Landesjustizministerium Hessen bei Twitter auf sich aufmerksam gemacht und viel Lob dafür erhalten.
Wer zügig Jura studiert, soll sich mit dem sogenannten Freischuss belohnen können. Das ist ein zusätzlicher Versuch für die erste juristische Examensprüfung, den die Kandidaten im Gegenzug dafür – je nach Bundesland – bereits bis zum achten beziehungsweise neunten Semester angetreten sein müssen. Durchschnittlich dauert das Studium bis zum Examen elfeinhalb Semester.
In Hessen gelangte man nun zu der Auffassung: Wenn die Coronakrise die Lehre im kürzlich begonnenen Sommersemester 2020 trotz aller Anstrengungen der Jurafakultäten beeinträchtigt, könne man von Jurastudenten kaum erwarten, den ohnehin schon sportlichen Freischuss-Zeitplan einzuhalten.
Das sieht man aber nicht überall so. LTO hat nach der Ankündigung aus Hessen die übrigen 15 Bundesländer angefragt, ob auch sie das laufende Sommersemester nicht für den Freischuss anrechnen. Davon haben bis zum Erscheinen dieses Artikels zehn geantwortet.
Bayern: "Wichtig, dass Jurastudenten keine Nachteile entstehen"
So wie Hessen sehen es auch Bayern, Thüringen, das Saarland und – mit Einschränkungen – Berlin und Brandenburg. So ließ etwa Bayerns Justizminister Georg Eisenreich gegenüber LTO verlauten: "Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben Auswirkungen auf den Hochschulbetrieb im Sommersemester 2020. Mir ist wichtig, dass den Studierenden der Rechtswissenschaft in Bayern hierdurch keine Nachteile für ihren Freiversuch entstehen." Ähnliche Worte fand auch Thüringens Justizminister Dirk Adams: Jurastudenten "sollen in ihrer Examensprüfung wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Studienbetrieb im Sommersemester 2020 keine Nachteile haben. Deshalb wird dieses Semester bei der Freiversuchsregelung nicht mitgezählt."
Berlin und Brandenburg lassen das aktuelle Semester auch nicht zählen – doch erst einmal nur für die Freischusss-Kandidaten, die zum Termin im kommenden Oktober antreten würden. "Für diese Studierenden zählt das Sommersemester nicht, sodass sie sich bereits heute frei entscheiden können und die Möglichkeit haben, in den April nächsten Jahres auszuweichen", erklärt Sebastian Brux die spezielle Maßnahme. Was eine Regelung für alle übrigen Jurastudenten angeht, sagt der Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Justiz: "Das wird zwischen den Ländern derzeit diskutiert. Wir befinden uns noch ganz am Anfang des Semesters. Für eine abschließende Entscheidung ist es noch zu früh."
NRW: "Geben rechtzeitig Bescheid, ob Semester 'zählt' oder nicht"
NRW, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt überlegen noch. Die Sprecher dieser Länder signalisierten gegenüber LTO, dass sich die Verantwortlichen durchaus über die Tragweite einer solchen Entscheidung bewusst seien. Es gebe aber eben auch manche Aspekte zu berücksichtigen, die gegen eine Nichtanrechnung des Semesters sprechen, insbesondere die Prüfungs- und Chancengleichheit.
So heißt es beispielsweise aus NRW, dass man erst einmal eruieren werde, wie das Semester mit all den Corona-Maßnahmen, wie etwa der Umstellung auf digitale Lehre, verläuft: "Rechtzeitig vor Ende der Meldefrist am 30. September 2020 entscheiden die Verantwortlichen dann, ob das Semester 'zählt' oder als 'verloren' anzusehen ist." So hält es auch Sachsen-Anhalt: "Es muss erst sicher festgestellt werden, ob die zweifellos vorhandenen Defizite im Vergleich zu 'regulären' Studienbedingungen mit Präsenzunterricht so gravierend sind, dass – auch unter Prüfungsgleichbehandlungsgründen – eine vollständige Wertung des aktuellen Semesters quasi als 'Nullsemester' gerechtfertigt ist."
Sachsen-Anhalt: Besonderes Prüfungsrücktrittsrecht, falls endgültige Entscheidung spät kommt
Allerdings: In Ländern, in denen der nächste Freischuss-Termin bereits naht, bemüht man sich um Ausnahmeregelungen für den Fall, dass eine endgültige Entscheidung noch auf sich warten lässt. So zum Beispiel in Sachsen-Anhalt: "Wenn wir also erst im Juni entscheiden sollten, dass auch in Sachsen-Anhalt keine Anrechnung stattfindet, haben unsere Freiversuchskandidaten noch genügend Zeit, den Prüfungsrücktritt zu erklären und ihren Freiversuch dann erst Anfang des kommenden Jahres zu schreiben."
Von allen Ländern, die auf die LTO-Anfrage geantwortet haben, sagt man nur in Rheinland-Pfalz von Anfang an konsequent Nein. Aus dem dortigen Landesjustizministerium heißt es: "Das Sommersemester ist an den rheinland-pfälzischen Universitäten online gestartet. Bislang liegen keine zureichenden Hinweise darauf vor, dass es nicht möglich sein könnte, planmäßig zu studieren." Entsprechend gebe es auch keine Pläne, das laufende Sommersemester nicht auf den Freischuss anzurechnen.
Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Sachsen und Niedersachsen haben sich bis zum Erscheinen des Beitrags nicht zu möglichen Regelungen hinsichtlich des Freischusses geäußert.
Update am Tag der Veröffentlichung, 10.52 Uhr: Übereinstimmenden Leserhinweisen zufolge hat Sachsen am Tag vor der Veröffentlichung hier angekündigt, auf eine Lösung vergleichbar mit der in Berlin und Brandenburg zu setzen; danach soll das Sommersemester 2020 für den kommenden Durchgang (Termin Ende August) nicht auf den Freischuss angerechnet werden.
Update am 11. Mai 2020, 10.47 Uhr: "Bremen prüft gegenwärtig, ob auch in im kleinsten Bundesland keine Anrechnung stattfinden soll – die Tendenz geht in diese Richtung. Eine letztendliche Entscheidung ist allerdings noch nicht gefallen", heißt es aus dem Landesjustizministerium des Stadtstaats.
Update am 14. Mai 2020, 15.54 Uhr: Das Justizministerium Niedersachsen gab bekannt, dass das Sommersemester 2020 auch dort nicht auf den Freischuss angerechnet wird.
Update am 15. Mai 2020, 10.57 Uhr: Das Justizministerium Baden-Württemberg hat sich inzwischen entschieden und arbeitet aktuell eine Regelung aus, nach der das Sommersemester 2020 ebenfalls nicht auf den Freischuss angerechnet werden wird.
Update am 15. Mai 2020, 11.03 Uhr: In NRW gab man bekannt, sich nach Rücksprache mit anderen Bundesländern ebenfalls dafür entschieden zu haben, das Sommersemester 2020 nicht auf den Freischuss anzurechnen.
Update am 15. Mai 2020, 14.25 Uhr: In Schleswig-Holstein gibt es eine andere Lösung: Jurastudenten können dort beantragen, das Sommersemester 2020 als Freisemester werten zu lassen. Ausnahmsweise werden die für das Studium erbrachten Leistungen, die in einem Freisemester eigentlich nicht zählen, in diesem besonderen Falle trotzdem gewertet.
Update am 15. Mai 2020, 14.59 Uhr: In Rheinland-Pfalz wird man das Sommersemester 2020 ebenfalls nicht auf den Freischuss anrechnen.
Update am 15. Mai 2020, 17.15 Uhr: Mecklenburg-Vorpommern rechnet das Sommersemester 2020 auch nicht auf den Freischuss an, unabhängig vom Fachsemester der Jurastudenten.
Update am 18. Mai 2020, 17.11 Uhr: Sachsen hat sich jetzt dazu entschieden, das Sommersemester 2020 für alle Jurastudenten nicht auf den Freischuss anzurechnen (statt nur für diejenigen, die zum nächsten Termin schreiben wollten).
Update am 29. Mai 2020, 17.07 Uhr: Auch Bremen wird das Sommersemester 2020 für alle derzeit eingeschriebenen Jurastudenten nicht auf den Freischuss anrechnen.
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2020 M05 7
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