Jurastudium und Examen

Schwer­punkt oder staat­li­cher Teil zuerst?

von Sabine OlschnerLesedauer: 5 Minuten

Für die Erste juristische Prüfung müssen Studierende zweimal büffeln: einmal für den staatlichen, einmal für den universitären Teil. In welcher Reihenfolge man sie ablegt, hat diverse Konsequenzen. Sabine Olschner über eine Glaubensfrage.

Auch wenn sie unterschiedlich gewichtet sind und manchen Arbeitgeber hauptsächlich nur der eine interessiert: Um das Erste juristische Examen zu machen, muss man sowohl den staatlichen und als auch den universitären Prüfungsteil bestehen. Da stellt sich die Frage, welchen davon Jurastudierende zuerst angehen sollten: Den mit den größeren Auswirkungen auf die Note, also den staatlichen Teil – oder den weniger umfangreichen im Schwerpunktbereichtsstudium?

Manche Länder geben die Reihenfolge der beiden Prüfungsteile vor, andere sehen es nicht so eng. Auch von Fakultät zu Fakultät kann es anders gehandhabt werden. Fest steht: Ein Patentrezept gibt es nicht. Was also tun, wenn man die Qual der Wahl hat?

"Ob der Schwerpunktbereich vorher oder nachher absolviert wird, ist eine persönliche Entscheidung, die von der aktuellen Studiensituation und den Präferenzen der jeweiligen Studierenden abhängt", sagt Leona Coloma aus dem Studien- und Karriereberatungszentrum der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Im Studienverlaufsplan der Uni Köln ist der Schwerpunktbereich vor der staatlichen Pflichtfachprüfung vorgesehen – zwingend notwendig ist die Reihenfolge aber nicht. "Das Einzige, wozu wir jedem Studierenden raten, ist, den Schwerpunkt und die staatliche Pflichtfachprüfung mit der dazugehörigen Examensvorbereitung zeitlich nicht parallel zu absolvieren, um eine Überlastung zu vermeiden", sagt Coloma.

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Die Zeit drängt

Sich für die eine oder andere Reihenfolge zu entscheiden, kann ganz praktische Gründe haben. Wer die Möglichkeit wahrnehmen will, seine Prüfungen abzuschichten, muss sich in Köln, wie auch an anderen Universitäten, die das Abschichten möglichen, bis spätestens Ende des siebten Fachsemesters beim Justizprüfungsamt anmelden. Absolvieren Studierende erst den Schwerpunktteil, kann es mit der Frist zur Abschichtung eng werden. "Da die Prüfungen für den Pflichtfachteil des Hauptstudiums und den Schwerpunkt nicht parallel zueinander abgelegt werden können, verlängert sich das Studium bei Vorziehen des staatlichen Pflichtteils zudem um mindestens ein Semester", gibt Coloma weiter zu bedenken. Studierende, die BAföG oder ein Stipendium erhalten, können hier also Probleme mit der Überschreitung der Regelstudienzeit bekommen.

Auf der anderen Seite: "Sind noch Praktika zu absolvieren oder ein Fremdsprachennachweis abzulegen, kann man dies eher im Rahmen des Schwerpunktstudiums erledigen, denn die Examensvorbereitung kennt keine vorlesungsfreie Zeit, in der dies gemacht werden könnte", nennt Coloma einen Vorteil, wenn man den universitären Teil vorzieht. Manche Hochschulen gewähren auch ein Semester mehr für den Freischuss, wenn man zuerst sein Schwerpunktbereichsstudium absolviert. Dazu sollten sich Jurastudierende ihre Prüfungsordnung genauer ansehen.

Voller Fokus auf den staatlichen Teil

Auch Francisca Kasujja von der Universität Potsdam hat sich dafür entschieden, zuerst ihren Schwerpunkt im Medien- und Wirtschaftsrecht abzuschließen. "Ich habe mich schnell für den Schwerpunktteil als ersten Teil entschieden – wobei in meinem Semester fast jeder diesen Weg gewählt hat", sagt die Jurastudentin, die mittlerweile kurz vor dem Abschluss der Ersten juristischen Prüfung steht. "Im Nachhinein kann ich sagen, dass es ein gutes Gefühl ist, dass ich den Schwerpunkt schon geschafft habe und ich nach der mündlichen Prüfung des staatlichen Teils komplett fertig sein werde. Denn die Vorbereitung auf die staatliche Prüfung ist schon sehr kräftezehrend." Kasujja fand es motivierend, die guten Noten aus dem Schwerpunktteil schon in der Tasche zu haben. "Danach konnte ich mich ausschließlich auf die staatliche Prüfung konzentrieren." Ihr Tipp: Den Schwerpunkt möglichst schnell durchziehen, damit man nicht zu lange aus dem klassischen Examensstoff raus ist.

Auch an der Ludwig-Maximilians-Universität München geht die Tendenz dahin, den universitären Prüfungsteil vorzuziehen, beobachtet Dr. jur. Britta Wolff, Fachstudienberaterin und Leiterin des Prüfungsamtes für die Zwischenprüfung. "Der Inhalt des Schwerpunktteils ist für die Studierenden oft interessanter als die Inhalte aus dem staatlichen Teil, daher befassen sich viele lieber erst einmal damit." Wann sie das Schwerpunktstudium absolvieren, ist ihnen ganz selbst überlassen – sie müssen es allerdings laut Prüfungsordnung bis zum zwölften Fachsemester abgeschlossen haben. Für den staatlichen Teil gibt es hingegen in Bayern keinerlei Fristen. "Wer also erst den staatlichen Teil durchzieht und sich dabei zu viel Zeit lässt, kann am Ende Probleme bekommen", gibt Wolff zu bedenken. "Andererseits sollte man mit dem Schwerpunktstudium auch nicht zu früh beginnen, denn dann fehlt das juristische Basiswissen aus dem Pflichtbereich und die Studierenden haben zu wenig Klausurpraxis."

Ihr Rat: "Der Termin für die Abschlussklausur im Schwerpunktbereich sollte nicht zu weit vom Termin der Staatsprüfung entfernt sein, insbesondere in den Schwerpunktbereichen, deren Inhalte nah an den Inhalten des Pflichtstoffs liegen." Dies entspreche auch der gesetzgeberischen Idee bei Einführung der Schwerpunktbereichsprüfung in den Jahren nach der Jahrtausendwende: Danach war die Abschlussklausur im Schwerpunktbereich im gleichen Termin wie der Staatsteil gedacht. Ein weiterer Rat von Wolff: Parallel zum Schwerpunktteil schon mal für den Staatsteil lernen, weil ansonsten die Vorbereitungszeit für beide Prüfungsteile zu lang wird. Das Abschichten der Schwerpunktbereichsprüfung wäre auch eine Lösung: Ein Teil der Prüfung erfolgt dabei vor der staatlichen Prüfung, der zweite Teil danach. An der Uni München ist so etwas möglich.

Ein bisschen Gruppenzwang

Manche Studierende haben gar nicht die Wahl, welche Prüfungen sie zuerst angehen wollen. So zum Beispiel Felicitas Schulze-Oechtering, die an der Humboldt-Universität zu Berlin das Programm der European Law School durchläuft. Dieses sieht vor, dass erst die staatliche Prüfung abgeschlossen wird, bevor die Studierenden ihren Schwerpunkt in einem der zwei Studienjahre an europäischen Partneruniversitäten durchlaufen. Schulze-Oechtering ist nach der staatlichen Prüfung zunächst nach Paris gegangen, aktuell befindet sie sich in London. "Ich fand die Reihenfolge der Prüfungen gut, weil ich mich im Hauptstudium frisch mit dem Pflichtstoff beschäftigt hatte und die Inhalte deshalb für die Prüfung noch gut im Kopf hatte", sagt die Jurastudentin.

"Zugegebenermaßen war ich etwas neidisch auf diejenigen, die nach dem staatlichen Teil schon ihren Abschluss feiern konnten – aber dafür stand mir ja ein spannender Teil meines Studiums noch bevor." Hätte sie nicht das Programm der European Law School durchlaufen, hätte sie sich wahrscheinlich daran orientiert, wie es die meisten ihrer Kommilitonen machen: "Es ist viel wert, sich gemeinsam mit seinen Freunden auf das Examen vorzubereiten. Da überlegt man es sich besser zweimal, ob man wirklich gegen den Strom schwimmen möchte."

Ob die Prüfung für den Schwerpunktteil oder den staatlichen Teil vorgezogen wird, kann also viele Gründe haben. Wer sich nicht entscheiden kann, findet Hilfe bei den Fachstudienberatungen oder kann ältere Semester fragen, wie sie es denn gemacht und warum sie sich für ihren Weg entschieden haben. Ein Richtig oder Falsch gibt es bei der Entscheidung nicht. Hauptsache, das Examen ist am Ende geschafft.

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