Empirische Untersuchung zur Examensvorbereitung

Uni-Reps sind auf dem Vor­marsch

von Jannina SchäfferLesedauer: 7 Minuten

Bisher besuchten die meisten Jurastudierenden ein kommerzielles Repetitorium, doch das ändert sich gerade. Immer mehr juristische Fakultäten bauen ihre Kurse zur Examensvorbereitung aus, wie nun erstmals eine Untersuchung feststellt.

Während 2016 noch 86 Prozent der Jurastudierenden angaben, ein kommerzielles Repetitorium besucht zu haben, waren es 2022 nur noch 60 Prozent. Doch wie lässt sich dieser signifikante Rückgang erklären? Eine Rolle könnte der quantitative und qualitative Ausbau der universitären Repetitorien spielen, der nun erstmals empirisch untersucht wurde. Prof. Olivia Czerny, Prof. Volker Steffahn und Dr. Charlotte Schindler untersuchten Umfang, Aufbau und Inhalte der universitären Examensvorbereitungsprogramme ("Uni-Reps"). Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie kürzlich in einem Online-Aufsatz

"Die universitären Repetitorien sind auf dem Vormarsch und gerade – aber nicht nur – die Leuchtturmprojekte zeigen, dass Examensvorbereitung praktisch flächendeckend in hoher Qualität angeboten wird", heißt es im Fazit der Untersuchung.

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Bekannter Rep-Aufbau, schwache Unterlagen

Gleichzeitig stellten die Wissenschaftler aber auch klare Mängel fest. Zwar verfügen alle 42 Universitäten, die Jura auf Staatsexamen anbieten, inzwischen über den heiligen Dreiklang der Examensvorbereitung: Hauptkurs, Klausurenkurs und Prüfungssimulation. Gerade bei den kursbegleitenden Unterlagen sieht es aber teilweise noch mau aus. Das Angebot an Skripten und ausformulierten Falllösungen sei "aus studentischer Sicht sicherlich noch steigerungsfähig", heißt es in dem Aufsatz. Denn: "Für Studierende ist es aber gerade in einer so anstrengenden Zeit wie der Examensvorbereitung sehr wertvoll, umfassendes und verlässliches Material zur Verfügung gestellt zu bekommen und nicht zu viel zusätzliche Zeit und Energie in die Materialsuche investieren zu müssen."

Eine deutliche Schwachstelle zeigt sich laut der Untersuchung außerdem bei den Online-Angeboten der Universitäten. So sei man nach der Corona-Pandemie direkt wieder zur Präsenzlehre zurückgekehrt. In fast 80 Prozent aller Veranstaltungen setzen die Universitäten demnach auf reine Präsenzkurse. Nur etwa 20 Prozent machen auch hybride Angebote. Für all diejenigen, die nicht an Veranstaltungen vor Ort teilnehmen können oder wollen, ist das ein harter Einschnitt.

Hinzu kommt laut den Wissenschaftlern, "dass deutliche Unterschiede zwischen den Einrichtungen bestehen". Auf welchem Niveau sich das Uni-Rep bewegt, hängt demnach maßgeblich von der besuchten Fakultät und den Dozenten ab.

Um die viel propagierte Chancengleichheit zu gewährleisten, sollten sich die Uni-Reps überall auf einem vergleichbaren Niveau bewegen und auch regelmäßig evaluiert werden. So stellte der Uni-Rep-Koordinator Maximilian Weinrich (Universität Würzburg) bereits 2018 fest: "Niemand sollte Geld bezahlen müssen, um das Examen bestehen zu können". 

Drei Hauptkurse pro Woche für ein ganzes Jahr

Doch wie sehen die angebotenen Uni-Reps im Detail aus? Damit beschäftigt sich die Untersuchung insbesondere im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der Hauptkurse, Klausurenkurse und Prüfungssimulationen. 

Demnach sind die Hauptkurse an rund zwei Dritteln der Universitäten auf ein Jahr angelegt. Das ist sinnvoll, denn die Examensvorbereitung dauert in der Regel ein bis eineinhalb Jahre. An den meisten Fakultäten ist es außerdem möglich, flexibel in die Hauptkurse einzusteigen. Dabei werden in rund 70 Prozent der Kurse jeweils alle drei Rechtsgebiete parallel unterrichtet – so bleibt das Hirn fit und der Ernstfall wird geprobt, denn auch im Examen muss man flexibel zwischen den Rechtsgebieten hin- und herspringen können. Crashkurse kurz vor dem Examenstermin veranstalten nur etwa ein Viertel aller Universitäten. 

Pro Woche bieten die Universitäten im Rahmen ihres Hauptkurses zwischen drei und sieben Vorlesungen an; überwiegend (60 Prozent) sind es drei. Je mehr Kurse pro Woche angeboten werden, desto kürzer sind die einzelnen Einheiten in zeitlicher Hinsicht. Durchschnittlich werden an den Universitäten pro Woche etwa zwölf Stunden Vorlesung angeboten.

Wer nun denkt, dabei handele es sich um die gesamte Lernzeit pro Woche, schätzt den Aufwand für die juristische Examensvorbereitung jedoch völlig falsch ein. Bei den universitären Veranstaltungen handelt es sich lediglich um ein Angebot zur begleiteten Wiederholung des Prüfungsstoffes. Von den Studierenden wird erwartet, dass sie diese Vorlesungen vor- und nachbereiten und den Stoff mithilfe von Lehrbüchern vertiefen. Hinzu kommt außerdem die Zeit, die für die Bearbeitung von wöchentlich mindestens einer fünfstündigen Übungsklausur anfällt. Eine höhere Anzahl an Kursen bzw. längere Kurse sind daher nicht sinnvoll. 

Größtenteils werden die Examenskurse dabei von Professoren gehalten, an der Hälfte der Universitäten unterrichten im Uni-Rep sogar ausschließlich Habilitierte. Ein kursbegleitendes Skript wird den Jurastudierenden dabei aber in nicht einmal der Hälfte der Fälle angeboten. So müssen die Examenskandidaten auch weiterhin auf ergänzende Lernmaterialien wie (kostenpflichtige) Lehrbücher zurückgreifen. Zudem werden nur in 63 Prozent der Kurse Lösungen für die besprochenen Fälle bereitgestellt. Das ist in didaktischer Hinsicht schade, denn wer eine Einheit verpasst oder einen Moment unaufmerksam ist, verpasst damit auch die Lösung der Fälle.

Klausuren, Klausuren, Klausuren – aber wo ist die Lösung?

Apropos Fälle: Einen Klausurenkurs bieten ebenfalls alle untersuchten Fakultäten an. An 88 Prozent der Universitäten wird in diesem Rahmen eine Klausur pro Woche gestellt. Dabei werden nur an sechs Universitäten ausschließlich original Examensklausuren zu Übungszwecken ausgegeben. In rund 60 Prozent der Fälle werden aber immerhin teilweise Originalklausuren verwendet.

An allen Universitäten werden die Klausuren auch korrigiert. 40 Universitäten bieten zusätzlich eine Besprechung an. Eine in Gutachtenform ausformulierte Musterlösung gibt es generell aber nur in 30 Prozent der Fälle. An sieben Universitäten erhalten die Studierenden zusätzlich Zugriff auf eine gelungene studentische Klausurbearbeitung.

Auch hier ist bei der Digitalisierung noch Luft nach oben: "Mancherorts können Klausuren bereits digital eingereicht werden, z. B. an der Bucerius Law School Hamburg und der Freien Universität Berlin. An letzterer hat diese Möglichkeit sogar dazu geführt, dass die Zahl der eingereichten Bearbeitungen um ca. 20 bis 30 Prozent im Vergleich zur analogen Methode gestiegen ist", so die Untersuchung. "Mit Blick auf das E-Examen ist davon auszugehen, dass die digitale Einreichung künftig auch an anderen Universitäten möglich sein wird."

Probeexamen fast überall, individuelle Besprechung nur bei jeder zweiten Uni

Die dritte Säule der universitären Examensvorbereitung ist das Probeexamen, das von 40 der 42 untersuchten Universitäten angeboten wird, an 65 Prozent der 40 Universitäten zweimal im Jahr. Hervorzuheben sind hier die Bemühungen der Universität Heidelberg. Dort ist es möglich, eine Klausur des Probeexamens durch einen Originalprüfer korrigieren zu lassen. Näher am Ernstfall kann man kaum dran sein.

Allerdings gibt es nur an knapp einem Viertel aller Universitäten ein Klausurtraining bzw. eine Klausurenwerkstatt. Bei solchen Angeboten liegt der Fokus nicht auf dem Lösen eines konkreten Falls. Vielmehr sollen die Grun gen des effektiven Klausurlösens vermittelt werden, also beispielsweise wie mit (unklaren) Sachverhaltsangaben umzugehen ist oder wie man die Schwerpunkte einer Klausur bestimmt. Im Rahmen einer "Klausurenklinik" können Studierende an der Hälfte aller Universitäten in Einzelgesprächen ihre geschriebene Übungsklausur analysieren und sich Tipps zur persönlichen Lernstrategie geben lassen.

An 41 Universitäten findet zudem eine Prüfungssimulation für die mündliche Prüfung des Staatsexamens statt.

Aufwendige Leuchtturmprojekte einiger Unis

Die Untersuchung geht zudem auf einige vorbildliche Leuchtturmprojekte ein, die als Vorbild dienen können, “um ähnliche oder sogar dieselben Angebote auch an anderen Universitäten zu etablieren".

Die Wissenschaftler erwähnen dabei namentlich das "Passauer Lehrprofessur-Konzept", das mit der Gründung des Instituts für Rechtsdidaktik eingeführt wurde, um die Verantwortung für die Vorbereitung auf das erste Staatsexamen zu bündeln. Für jedes Rechtsgebiet wurde eine Lehrprofessur dauerhaft hauptverantwortlich mit dem gesamten oder jedenfalls überwiegenden Teil des Unterrichts im Examenskurs betraut. 

Hervorzuheben ist außerdem der Kölner Klausurenkurs, der den Studierenden zwei bis drei original Examensklausuren pro Woche bietet und damit deutlich intensiver ausgestaltet ist als vergleichbare Angebote. Neben zweistündigen Klausurbesprechungen bietet der Klausurenkurs auch ausführliche Lösungsmaterialien an.

In seiner Form einzigartig ist auch das Konzept "Rep²plus" der Universität Mannheim, das neben dem normalen "Rep²" der Fakultät angeboten wird. Hier wird der examensrelevante Stoff in den letzten 40 Wochen vor dem Examen in Lerngruppen von zwei bis fünf Studierenden wiederholt. Zentrales Element des Programms ist der Rep²plus – Lernpool™, der eine Liste aller relevanten Examensprobleme enthält und mit Lernmaterialien verknüpft.

Die Untersuchung erwähnt lobend außerdem das digitale Fallbuch der Bucerius Law School Hamburg, in dem für Examenskandidaten jeden Monat drei bis vier Fälle aus der aktuellen Rechtsprechung veröffentlicht werden. Das digitale Fallbuch enthält neben den Lösungen auch wertvolle Klausurhinweise – und ist sogar für alle Jurastudierenden bundesweit zugänglich.

Unis sollten Rep-Unterlagen teilen

Als Handlungsempfehlung schlagen die Wissenschaftler eine stärkere Vernetzung der Universitäten untereinander vor. Es sei überhaupt nicht notwendig und erst recht nicht wirtschaftlich, dass alle Universitäten eigene Examensübungsklausuren oder Skripte erstellen und aufwendige digitale Angebote produzieren. "Könnten Lehrende bei der Materialerstellung Zeit sparen, könnten Sie diese etwa in den Unterricht mit den Studierenden investieren, der sich dann möglicherweise individueller gestalten ließe." Sinnvoll sei deswegen, Fördergelder gerade für nachhaltige universitäre Gemeinschaftsprojekte auszuschreiben. 

Mustergültig sei hier das Projekt unirep-online. Über die E-Learningplattform der Universität Münster können Studierende der Fakultäten Münster, Bielefeld, Bochum, Frankfurt/Oder, Leipzig, Düsseldorf und der FernUniversität Hagen auch auf das Material der jeweils anderen Institutionen zugreifen – eine absolute Win-win-Situation. 

Czerny, Steffahn und Schindler regen zudem weitere Untersuchungen an. Diese könnten sich unter anderem damit beschäftigen, wie gut die Angebote bei den Studierenden ankommen und von welchen die Examenskandidaten am meisten profitieren. Auch bezüglich der digitalen Uni-Angebote seien Anschlussuntersuchungen wünschenswert.

Methodik: Für ihre Untersuchung erstellten die Wissenschaftler einen Fragenkatalog von etwa 50 Fragen zur Ausgestaltung eines Examensvorbereitungsprogramms und werteten sodann die frei verfügbaren Informationen auf den Websites der Universitäten aus. Ergänzend wurden zwischen September 2023 und März 2024 Telefoninterviews mit den Organisatoren der Uni-Reps geführt. Berücksichtigt wurden dabei alle 42 deutschen Universitäten (inkl. der Bucerius Law School, ohne FernUni Hagen), die Rechtswissenschaften als Staatsexamensstudiengang anbieten. 

Transparenzhinweis: Die Autorin schreibt auch für das Repetitorium Alpmann Schmidt. 

Dr. Jannina Schäffer ist Gründerin und Chefredakteurin des Online-Magazins "JURios – kuriose Rechtsnachrichten". Die Volljuristin hat berufsbegleitend an der Deutschen Hochschule der Polizei promoviert und ist Lehrbeauftragte an der FernUni Hagen.

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